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Smart Cities in Deutschland: So digital sind unsere Städte wirklich

von Benedikt Plass-Fleßenkämper
Intelligente Ampeln für weniger Staus und kluge Verkehrsleitsysteme für stressfreies Parken in den Innenstädten: Technologie, die es bald überall in Deutschland geben wird? Wohl eher nicht, denn Deutschland hinkt bei der Digitalisierung seiner Städte im Vergleich mit anderen Ländern deutlich hinterher. WIRED klärt, wie weit die Bundesregierung ihre Digitale Agenda in den Bereichen Smart Cities und Smart Mobility schon umgesetzt hat.

Obwohl die Bundesregierung schon 2014 ihre Digitale Agenda für Deutschland veröffentlicht hat und Politiker seitdem viel darüber reden, gibt es teilweise nur kleine Schritte bei der Umsetzung. Ein Reizthema ist zum Beispiel der schleppende Ausbau des Glasfasernetzes, um Städte und Dörfer gleichermaßen mit schnellem Internet zu versorgen. Doch wie sieht es bei anderen Aspekten der Digitalen Agenda aus, allen voran beim Thema Smart City?

Schon 2010 sagte der frühere Kommunikationsforscher Jörg Eberspächer von der Technischen Universität München: „Unser Land braucht exzellente, smarte Infrastrukturen in Städten und Regionen, um die Trends Globalisierung und Verstädterung zu bewältigen.“ In den Folgejahren tat sich dann in Sachen Smart Cities in Deutschland aber nur wenig. Ende 2016 fasste Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des deutschen Städte- und Gemeindebundes, die Lage kurz und knapp zusammen: „Die deutschen Städte haben eindeutig einen Nachholbedarf.“

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Was bedeutet der Begriff „Smart City“ überhaupt?
Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) versteht unter Smart Cities „die Aus- und Aufrüstung der Städte und ihrer Infrastrukturen mit digitaler Technologie, die Verknüpfung bisher getrennter Infrastrukturen oder ihrer Teilsysteme“. Dazu gehöre unter anderem „die Modernisierung kommunaler Entscheidungs-, Planungs- und Managementprozesse unter Einbezug von Bürgern, privatwirtschaftlichem Kapital und intensiver Nutzung von Daten“.

Was kann in einer Stadt alles „smart“ sein?
Der Begriff Smart City deckt verschiedene Aspekte ab. Dazu gehören laut der Plattform Innovative Digitalisierung der Wirtschaft unter anderem die Bereiche Smart Living (private Sicherheit, Shopping, Kultur), Smart Energy & Environment (Wasserversorgung, Abfallentsorgung, Energiespartechnologien), Smart Learning (digitalisierte Schulen und Hochschulen) und Smart Government (digitale Verwaltungsprozesse und Bürgerinformationen).

Was sagt die Bundesregierung zur Smart Mobility?
In der Digitalen Agenda steht hierzu: „Die Schnittstellen zwischen den einzelnen Verkehrsträgern müssen weiter optimiert werden: eine nahtlose Reisekette ‚von Tür zu Tür‘ ist ein Beispiel für einen Nutzen, der allen zu Gute kommt.“ Des Weiteren heißt es in dem Papier: „Wir werden die Straßenverkehrssicherheit und die Straßenverkehrseffizienz mit intelligenten Verkehrssystemen und automatisiertem Fahren entscheidend verbessern.“

Die Bundesbürger scheinen diese Konzepte zu begrüßen: In einer Studie des Branchenverbands Biktom gaben 91 Prozent der Befragten an, dass sie sich ein Parkplatzleitsystem wünschen, das Stellplätze individuell zuweist. 94 Prozent würden eine intelligente Verkehrssteuerung zur Staureduzierung begrüßen.

Welche Smart-Mobility-Konzepte und -Lösungen gibt es in Deutschland schon?
Die Umsetzung der Smart-Mobility-Möglichkeiten erfolgt nicht flächendeckend, sondern nur punktuell in einzelnen Städten oder Regionen. Im Folgenden geben wir einige Beispiele von Pilot- und Leuchtturmprojekten:

Wissenschaftler am Institut für Verkehrssystemtechnik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben smarte Steuerungsverfahren für Ampeln entwickelt, womit die Wartezeiten verringert werden. Das Projekt VITAL wurde in Braunschweig erfolgreich getestet, es macht aber erst mit der Verbreitung von Car2X-Kommunikation wirklich Sinn. Auch Audis Ampelinfo-System würde davon profitieren.

Siemens entwickelte mit SiBike ein ähnliches System, das allerdings den Fahrradverkehr in Städten – unter anderem in der Teststadt Bamberg – optimieren soll. Das Konzept funktioniert aber nur, wenn Fahrradfahrer eine spezielle App installiert haben und die Signalanlagen umgebaut werden.

Smart Parking für stressfreiere Parkplatzsuche?
Die hessischen Kommunen Rüsselsheim, Raunheim und Kelsterbach – „Drei gewinnt“ genannt – arbeiten mit dem chinesischen IT-Unternehmen ZTE zusammen, um das sogenannte Smart Parking umzusetzen. Hierbei werden alle neuen und bestehenden Parkplätze innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre mit Sensoren versehen, die ihre Daten an eine App senden. Die App-Nutzer werden einerseits sehen können, wo es freie Parkplätze gibt, andererseits erhalten sie wichtige Informationen zu anderen Verkehrsmitteln. „Die User sollen damit die schnellste Form wählen können, um von A nach B zu kommen“, sagt Raunheims Bürgermeister Thomas Jühe im Gespräch mit WIRED.

Smart Parking wird auch in Aachen getestet – vom Startup SoNah. Und das Kölner Unternehmen ampido kreierte das „Airbnb fürs Parken“. Bosch, Daimler, Park2gether oder BMW arbeiten an Parkplatz-Apps beziehungsweise an smarten Parkplatz-Lösungen für deutsche Autofahrer, die auf der Suche nach freien Stellflächen sind.

Das Auto als Besitztum: Ein Auslaufmodell?
Eine Möglichkeit, um die Parkplatznot in vielen Städten in den Griff zu bekommen, ist Carsharing. Auch hierfür arbeiten diverse Unternehmen an unterschiedlichen Lösungen. Die Auswahl reicht derzeit von DriveNow, Flinkster und Drivy bis hin zu Getaway. Und während Smartphone-Besitzer in Berlin per App einen E-Roller ausleihen können, rufen sie im Bayerischen Wald einen Shuttlebus auf Abruf. Sollte der Trend zur Shared Economy beziehungsweise Shareconomy anhalten, könnten auch Immobilien ohne Parkplätze zunehmend attraktiver werden. Derartige autofreie Wohnprojekte gibt es schon in Freiburg und in München.

Ein weiteres wichtiges Zukunftsthema: Robotertaxis, also komplett autonom fahrende Autos. Um diesen den Weg zu ebnen, gaben die Bundesregierung und verschiedene Kommunen ausgewählte Teststrecken frei, beispielsweise in Berlin-Charlottenburg und in München.

Welche Infrastruktur benötigen Elektroautos?
Ein weiteres Thema bewegt derzeit Automobilindustrie und Städteplaner gleichermaßen: Elektroautos. Deren Fahrer müssen ihre Wagen möglichst schnell und unkompliziert laden können, auch in fremden Städten. Ein Pilotprojekt hierfür ist das „Frankfurter Modell“, bei dem E-Autos im öffentlichen Straßenraum und in Parkhäusern geladen werden können. Derartige Initiativen sind wichtig, denn in einigen deutschen Gebieten herrscht akuter Mangel an Stromtankstellen, unter anderem in Brandenburg und Thüringen. Hier müssen Städte und Unternehmen noch besser zusammenarbeiten.

Wie lenkt der Bund den digitalen Wandel der Städte?
Gibt es eine zentrale Steuerung durch die Bundesregierung, die ja immerhin die Digitale Agenda verabschiedet hat? „Überhaupt nicht“, sagt Thomas Jühe. Jede Kommune müsse sich alleine um die verschiedenen Themen und die Budgets kümmern. „Die Verantwortlichen schaffen sich selbst Budgets und suchen eigenständig Technologiepartner, mit denen sie die großen Herausforderungen zusammen meistern können.“

Fazit: Deutschland kommt bei der Digitalisierung der Städte nur langsam voran
Die Digitalisierung kommt in Deutschland nur schleppend voran, auch im Bereich Smart Cities beziehungsweise Smart Mobility gibt es nur vereinzelte Lichtblicke. Die aktuelle Lage fasst Bitkom so zusammen: „In Deutschland gibt es keine Stadt, die international Vorbildcharakter für die urbane Digitalisierung der Zukunft hat. Deutschland schafft es nicht einmal in die Top 20 des EU-Smart-City-Rankings der TU Wien und TU Delft.“ Das gilt es in Zukunft zu ändern.

Willkommen zu den WIRED Story Shots, unseren Denkanstößen zu den wichtigsten Fragen der Digitalisierung. Diesmal geht es um die Digital-Agenda 2017: In diesem Jahr endet sie nach drei Jahren Laufzeit. Aber wie weit ist Deutschland derweil gekommen? WIRED hat fünf Stichproben gemacht.

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