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In eigener Sache: In Erinnerung an Si Newhouse

von GQ
Für die Leser dieses Magazins und die Mitarbeiter des Unternehmens Condé Nast, das dieses veröffentlicht, ist es ein trauriger Tag. Si Newhouse, der das Unternehmen aufbaute und ihm über 50 Jahre lang vorstand, ist nach langer Krankheit in New York gestorben. Ein Nachruf von Jonathan Newhouse, Chairman und CEO von Condé Nast.

Condé Nast wurde nach seinem Gründer benannt, der das Verlagshaus Anfang des 20. Jahrhunderts ins Leben rief. Es hätte jedoch ebenso in Si Newhouse umbenannt werden können. Beginnend mit einem kleinen Unternehmen, das nur einige wenige Magazine veröffentlichte (vier in den USA, zwei in Großbritannien und zwei in Frankreich), weitete er dieses erheblich aus und erreichte immer neue Höhen der Verlagskunst und Einflussnahme. Seine Verdienste sind zu umfassend, als dass sie hier in Gänze aufgezählt werden könnten. Er hauchte neues Leben in Vogue ein und etablierte es als das weltweit führende und einflussreichste Magazin. Er belebte Vanity Fair, das sich zu einem machtvollen Phänomen der Verlagsbranche entwickelte. Er rettete die strauchelnde Wochenzeitung The New Yorker. Er übernahm Gentlemen's Quarterly (GQ), das sich zum Marktführer entwickeln würde. Er lancierte und übernahm führende Magazine in den Bereichen Gesundheit, Reisen, Architektur, Beauty und Sport. Außerdem weitete er die verlegerischen Tätigkeiten des Unternehmens von sechs auf dreißig Länder und über 140 Magazine und 100 Websites aus.

Zum Ende seiner Karriere, als die digitalen Medien aufkamen, nahm er sich diesen aufgeschlossen an und erfand die Magazine in ihrer digitalen Form neu, während er weiterhin höchste Ansprüche an die redaktionelle Qualität stellte.

Si, wie ihn jeder nannte, widmete sich ganz der Herstellung bester journalistischer Produkte. Es war diese Vision sowie sein Geschäftssinn, seine Geduld und sein Mut, die Condé Nast dessen führende Branchenposition ermöglichten, ihm gleichzeitig jedoch die Bewunderung von Autoren, Redakteuren und Fotografen sowie die Dankbarkeit einer Millionen-Leserschaft einbrachten, auch wenn sich diese nicht bewusst war, wer hinter den Hochglanz-Magazinen stand, die sie in ihren Händen hielt.

Si Newhouse war ein Träumer und er ließ diese Träume zur Realität werden.

Ich hatte die Freude und Ehre, 36 Jahre lang für und mit ihm zu arbeiten. Da wir denselben Nachnamen tragen, nahmen viele an, dass er mein Vater oder Onkel sei. Tatsächlich war er mein Cousin ersten Grades – zugegebenermaßen mit großem Altersunterschied. Unsere Beziehung war jedoch eher wie die zwischen Onkel und Neffe, Mentor und Protégé, aber auch zwei ergebenen Freunden. Er lehrte mich den Großteil meines Geschäftswissens und eine Menge über das Leben. Ich liebte ihn einfach.

Als Mensch war er bescheiden, sanft und mit einem Sinn für Ironie; er konnte auch über sich selbst lachen. Im Umgang mit Menschen war er immer fair. Er wurde durch fast nichts aus der Ruhe gebracht und er erhob niemals seine Stimme. Er begegnete jedem mit Höflichkeit; vom Ranghöchsten bis zum Rangniedrigsten. Er war aufmerksam. Er war bereits achtsam, bevor das Wort zum Trend wurde. Er hatte ein ausgeprägtes Gespür für Ästhetik, insbesondere visuell, und war ein angesehener Kunstsammler. Als ob er über eine innere Landkarte verfügt hätte, hatte er ein außergewöhnliches Raumgefühl. Egal, ob er sich in einer ihm unbekannten Stadt oder einem Bürolabyrinth bewegte: Er verirrte sich nie.

Für jene von uns, die in Europa leben und arbeiten, war das Highlight des Jahres, als Si in einer warmen Maiwoche die Büros in Westeuropa besuchte, wobei er montags in Paris begann und sich über München, Mailand und Madrid bis nach London vorarbeitete. Es war anstrengend, wenn ich ihn von morgens bis abends begleitete. Si traf sich mit Führungskräften und Redakteuren und im Mittelpunkt stand immer das Diskutieren, Debattieren, Spekulieren, Analysieren und der Austausch von Informationen. Er betrat die Büros immer in einem ausgebeulten, zerknitterten Anzug, in dem er mehr wie ein Hochschuldozent als ein Vorstand aussah. Er verwies nie auf Budgets und wedelte nie mit Tabellenkalkulationen oder Statistiken. Seinem scharfen Verstand entging jedoch nichts und seine stetigen Fragen und Anmerkungen stellten seine Zuhörer auf die Probe und regten sie an. Dieser Prozess brachte uns beruflich weiter und inspirierte uns noch mehr.

Ich könnte ein ganzes Buch über ihn und seine Verdienste schreiben, was ich jedoch nicht tun werde. Stattdessen möchte ich eine Erinnerung mit Ihnen teilen. Anfang des Jahres 1981 aßen wir in seinem Büro zu Mittag. Ich war damals ein 28-jähriger Trainee und er erzählte mir, wie Vanity Fair von 1914 bis 1936 von Condé Nast herausgegeben wurde, auf der Höhe der Weltwirtschaftskrise jedoch dichtmachen musste. Er sagte „Es war schon immer der Traum dieses Unternehmens, Vanity Fair zurückzuholen.“ Das war das Wort, das er benutzte – Traum. So war es damals! Bevor es einen Businessplan, eine Marketingstrategie oder ein Leitbild gab, war da ... ein Traum. Si Newhouse war ein Träumer und er ließ diese Träume zur Realität werden.

Wenn junge Leute heute gefragt werden, was sie aus ihrem Leben machen möchten, sagen sie oft „Ich möchte die Welt verändern“. Die jungen Leute, die früher aufwuchsen, legten dieses Selbstbewusstsein und diesen Ehrgeiz nicht an den Tag. Si Newhouse wollte die Welt nicht verändern und erwartete es auch nicht. Er tat es aber trotzdem. Und der Beleg dafür sind die Worte, die Sie jetzt gerade lesen.

Wir bei Condé Nast, die mit Stolz für die Organisation arbeiten, die er aufbaute, werden sein Andenken bewahren, indem wir die Errungenschaft weiterführen, der er sein Leben widmete – nur das Allerbeste für Sie zu produzieren.

Jonathan Newhouse

London, den 1. Oktober 2017

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