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Savedroid-CEO: „Ich habe Morddrohungen bekommen“

von Michel Penke
Von der „Lynch-Mob-Stimmung“ sei er überrascht, trotzdem bereut der Savedroid-CEO Yassin Hankir nichts. Im Interview erzählt er von den Hintergründen der Aktion.

Hat er sich mit dem Millionen-Vermögen ins Ausland abgesetzt? 24 Stunden lang spekulierten nationale und internationale Medien, Investoren und Kunden, warum der CEO Yassin Hankir des Frankfurter Startups Savedroid kein Lebenszeichen mehr von sich gab. Der Chef twitterte derweil Bilder aus Ägypten und löste Panik unter Anlegern aus. Heute Morgen dann die Auflösung: alles nur eine PR-Aktion. Im Interview mit Gründerszene erzählt der umstrittene Savedroid-Gründer Hankir jetzt, was die Aktion sollte und wie heftig die Konsequenzen waren.

Yassin, du hast aufgelöst, dass es sich um eine PR-Aktion gehandelt hat. Bewertest du sie im Nachhinein als gelungen?

Das wird sich zeigen müssen, das werden wir erst in ein bis zwei Wochen sehen. Da ist noch viel Emotion im Spiel. Wir gehen fest davon aus, dass die positiven Effekte überwiegen, und arbeiten daran, dass sich die inhaltliche Botschaft durchsetzt: Dass wir nämlich höhere Qualitätsstandards brauchen, um den Markt nachhaltig zu gestalten.

Nach dem, was ich höre, wusste nur ein kleiner Kreis Bescheid. Wer war eingeweiht?

Genau, das ging auch gar nicht anders. Wenn wir den Kreis größer gemacht hätten, wäre die Glaubwürdigkeit der Aktion gefährdet worden. Deswegen mussten wir es so handhaben.

Meiner Meinung nach ist der ICO-Markt mit hoher Geschwindigkeit im Selbstzerstörungs-Modus unterwegs. Zu vielen geht es lediglich darum, zu schauen, wer kann wen über den Tisch ziehen. Das führt dazu, dass die Leute sagen: Kryptowährungen, da sind doch nur Verbrecher unterwegs, kriminelle Geschäfte, Zockerei. Das ist superschädlich, denn der Markt hat ein großes Potenzial und ist superspannend. Wenn wir ihn durch Vertrauensaufbau für den Massenmarkt akzeptabel gestalten.

Außer eurem Team wusste im Vorfeld also niemand von dem Plan?

Ja, alle Mitarbeiter waren eingeweiht. Wir sind gestern gemeinsam von Frankfurt nach Wiesbaden gefahren und haben in der Location Heimathafen gearbeitet.

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Es ist unstrittig, dass die ICO-Szene ein Problem mit Betrügereien hat. Aber war es wirklich eine gute Strategie, darauf aufmerksam zu machen, indem ihr – scheinbar – selber einen Betrug abzieht?

Das war eine Frage, die wir intern lange diskutiert haben: Kann man das machen, sollte man das machen? Wir kamen schnell zu dem Ergebnis, dass wenn wir eine normale Kommunikation wählen würden, wir mit der Nachricht nicht durchdringen könnten. Uns war klar, dass es extrem polarisieren wird, Morddrohungen und so weiter. Wir wollten dem Markt aber den Spiegel vorhalten. Nicht, um uns danach auf die Schulter zu klopfen und zu sagen: Mensch, das war jetzt aber megageil. Sondern es geht darum, nach vorne zu schauen und Lösungen anzubieten.

Es gab Morddrohungen?

Ja, auf Twitter. Da gibt es diverse Tweets, die in diese Richtung gehen. Angefangen damit, dass ein Kopfgeld ausgesetzt werde, über „Wanted dead or alive“. Aber auch sehr explizite Tweets über schwere Körperverletzung bis hin zu Morddrohungen.

Gab es echte, körperliche Gewalt von jemandem, der euch auf der Straße erkannt hat?

Das haben wir ganz bewusst minimiert. Deswegen die Aktion, frühmorgens nach Wiesbaden zu fahren – und spätabends zurück. Wir haben in den 24 Stunden natürlich die Öffentlichkeit gemieden, um unsere physische Sicherheit zu gewährleisten. Uns war klar, dass es aller Voraussicht nach eskalieren wird. Entsprechend mussten wir sicherstellen, dass keinem der Teammitglieder Schaden zugefügt wird.

Hat euch die Heftigkeit der Reaktionen überrascht?

Ja, das würde ich schon sagen. Es war heftiger als erwartet. Es lief gestern um 9:30 Uhr sehr langsam an. Es gab Spekulationen in Richtung eines Hacks. Am Nachmittag nahm es exponentiell zu und die Stimmung kippte. Wir hatten nicht erwartet, dass da tatsächlich eine Lynch-Mob-Stimmung entsteht. Auch dass es international solche Wellen schlägt, war größer als erwartet. Das haben wir unterschätzt.

Die Frankfurter Staatsanwaltschaft prüft den Anfangsverdacht, ob ein Betrug vorliegen könnte. Savedroid drohen also juristische Konsequenzen.

Das stimmt. Wir hatten Besuch von der Generalstaatsanwaltschaft. Die wollten überprüfen, dass dem nicht so ist. Das konnten wir auch bestätigen. Wir konnten die Bedenken ausräumen. Von daher gehen wir davon aus, dass das nicht weiter verfolgt wird.

Ich wünsche mir, dass die Kryptoszene da selbstkritischer wird.

Euer Token ist derzeit nicht handelbar und konnte deswegen nicht an den Börsen an Wert verlieren. Trotzdem dürften die Kleininvestoren kräftig unter der Aktion leiden, wenn er bald gelistet wird.

Das sehe ich nicht so, sonst hätten wir es auch nicht gemacht. Das war ein zentrales Kriterium für die Aktion. Wir denken nicht, dass ihnen Schaden zugefügt wurde. Es wird auch noch eine ganze Weile dauern, bis der Token gelistet wird – rund drei Wochen. Bis dahin werden sich die Gemüter beruhigen. Unser Ziel ist es jetzt, eine transparente Kommunikation an den Tag zu legen, um Vertrauen zurückzugewinnen. Unter dem Strich wird es einen positiven Effekt haben.

Der häufigste Vorwurf an euch war: Die ICO-Szene wird unter der Aktion stark leiden. Wie stehst du dazu?

Das finde ich am absurdesten. Wir haben im Endeffekt klargestellt, dass dieser Markt Betrügereien erlaubt. Das ist ja unbestritten. Jene, die das sagen, sind noch nicht auf einem Level angekommen, sich selbstkritisch mit der Lage des Marktes auseinanderzusetzen. Manche leben noch in ihrer rosaroten Welt und sagen: ,Für mich läuft’s ja. Ich kann gut damit leben, wie der Kryptomarkt funktioniert und so lange er so funktioniert, nehme ich alles mit, was ich kann.‘ Das ist eine Perspektive, die ich überhaupt nicht teile. Wenn ich nach vorne schaue, habe ich ganz große Sorgenfalten auf der Stirn. Wenn wir diese Mentalität weiterleben, wird sich der Markt selbst zerstören. Wir müssen realisieren, dass wir uns angesichts der ganzen Betrügereien auf einen Abgrund zubewegen. Deswegen halte ich das Argument für absurd. Ich würde andersherum argumentieren: Die öffentliche Diskussion wird nicht intensiv genug geführt – und das fügt dem Markt Schaden zu. Ich wünsche mir, dass die Kryptoszene da selbstkritischer wird.

Wie reagieren eure Geschäftspartner? Die Frick-Bank hat bereits angekündigt, die Geschäftsbeziehung mit euch zu überdenken.

Wir hatten schon E-Mail-Kontakt. Es wird da sicher einen produktiven Austausch geben und wir müssen das Thema aufarbeiten. Wir müssen den Leuten erst einmal erklären, was das Ganze eigentlich sollte.

Bereust du die Aktion im Nachhinein ein wenig? Oder würdest du es noch einmal machen?

Ich würde es auf jeden Fall noch einmal machen. Man darf sich von dieser ersten, sehr emotionalen Zeit nicht beirren lassen. Die Emotionen werden sich auch wieder beruhigen. Frag mich vielleicht in zwei Wochen noch einmal. Stand jetzt ist aber: Ja, wir würden es auf jeden Fall wieder machen.

Gründerszene

Dieser Artikel erschien zuerst bei Gründerszene
Das Original lest ihr hier.

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