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Werden YouTuber wie Rewinside zum nächsten Thomas Gottschalk?

von Dominik Schönleben
Wer will bitte noch Thomas Gottschalk sehen? Früher klebte die ganze Familie am Fernseher, um Wetten, dass..? zu bestaunen – heute wirken TV-Shows und ihre Moderatoren altbacken. Sogar Joko und Klaas mussten gerade das Feld wegen schlechter Quoten räumen. Stattdessen schauen Hundertausende junge Menschen fast täglich Rewinside beim Zocken zu. Er ist einer von Deutschlands erfolgreichsten Let's Playern. Jemand wie er könnte vielleicht der nächste Gottschalk werden.

Irgendwann flippt YouTuber Rewinside immer aus. So auch im Minecraft-Video mit dem dramatisch in Großbuchstaben geschriebenen Titel: BAASTI TÖTET MEIN DRACHENBABY. Es ist schwer zu erkennen, ob hier Laientheater gespielt wird oder Rewinside wirklich so schnell die Beherrschung verliert. Er brüllt ins Mikro: „Wenn du meinem Drachen was zuleide tust, dann stirbst du, Baasti!“ Die Situation ist längst eskaliert und keine 30 Sekunden später sind Drache und Baasti tot.

Nicht selten beschimpft der Let’s Player seine Freunde als „Missgeburt“ oder sagt ihnen, dass er sie nie wiedersehen will. Auf dem Kanal gehört das zum ganz normalen Ton und Drama. Mit solchen Videos ist Rewinside zu einem der erfolgreichsten YouTuber Deutschlands geworden. 

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Sein Spezialgebiet: Let’s Plays, also Videos bei denen andere Menschen ihm beim Zocken zuschauen können – meist im pixeligen Sandkastenspiel Minecraft. Rewinside ist bei diesem Format der fünfterfolgreichste auf YouTube Deutschland, nach den ganz Großen wie Gronkh und PietSmiet. Fast zwei Millionen Abonnenten hat sein Kanal.

WIRED sprach mit dem 24-jährigen Entertainer darüber, warum Let’s-Play-Videos so viel erfolgreicher bei jungen Menschen sind als altbackene TV-Shows. Und wieso deshalb jemand wie er vielleicht bald zum nächsten Thomas Gottschalk werden könnte.

WIRED: Warum begeistern Let’s-Play-Videos so viele junge Menschen?
Rewinside: Das Besondere beim Let's Play ist, dass es eine sehr hohe persönliche Bindung zur spielenden Person gibt. Alle Let’s Player interpretieren ein Spiel unterschiedlich, da kann jeder Zuschauer sich schnell seinen Favoriten raussuchen.

WIRED: Wer sind deine Zuschauer?
Rewinside: Wenn ich jetzt nach Google Analytics gehe, dann ist das ganz unterschiedlich. Die Hauptzielgruppe bewegt sich zwischen 13 und 20 Jahren, aber es gibt auch welche, die erst zehn sind. Pauschal kann man sagen, dass es Menschen unter 30 sind.

WIRED: Bist du für diese Zuschauer eine Identifikationsfigur?
Rewinside: Als Vorbild sehe ich mich nicht. Ich sage jedem, der Streamer werden möchte, dass eine vernünftige Ausbildung oder die Schule immer vorgeht. [Anm. d. Red. Rewinside hat eine abgeschlossene Ausbildung zum Immobilienkaufmann.] Ich bin letztlich nichts anderes als ein Talkshow-Moderator. Nur halt etwas persönlicher und greifbarer.

WIRED: Ersetzt du für deine Fans dann das Fernsehen?
Rewinside: Auf jeden Fall. Ich habe Geschwister, die in dem Alter sind und die gar kein Fernsehen mehr schauen, außer vielleicht Fußball. Fernsehen hat in dieser Zielgruppe sehr abgenommen und sich ins Internet verlagert, zu Livestreams, Netflix, YouTube und Twitch.

WIRED: In deinen Videos spielst du mit Freunden, irgendwann kommt es immer zum Streit, zur Eskalation. Auf mich wirkt das völlig inszeniert.
Rewinside: Wenn ich ehrlich bin, dann sind das leider tatsächlich echte Emotionen, die da mitspielen. Simon und ich sind Leute, die einfach nicht verlieren können und dann tatsächlich tagelang danach nicht mehr miteinander reden. Natürlich versuche ich die Videos ansprechend und aufregend für den Zuschauer zu gestalten. Aber letztlich lassen wir uns da von unseren Gefühlen und Emotionen leiten. Das Wenigste ist inszeniert. Man kann sagen: Wenn wir Geschichten erzählen, dann versetzen wir uns in Rollen und die sind natürlich vorher abgesprochen. Aber der Großteil von dem, was passiert, ist echt.

WIRED: Beeinflusst das deine jungen Zuschauer negativ? Weil sie sehen, dass es voll okay ist, beim Videospielen auszurasten?
Rewinside: Das glaube ich nicht. Wir sagen auch immer wieder innerhalb der Videos, dass wir uns untereinander nicht wirklich hassen. Dennoch ist das halt nun mal meine Persönlichkeit, die da einfach zum Tragen kommt. Ich glaube, dass Zuschauer da ganz gut differenzieren können. Das ist wie mit einem Film. Wenn da ein Mensch erschossen wird, dann gehe ich ja auch nicht auf die Straße und erschieße jemanden.

Das ist wie bei Thomas Gottschalk, der im Radio angefangen hat

Rewinside, YouTube-Entertainer

WIRED: Wohin werden sich Let’s-Play-Formate entwickeln?
Rewinside: Der Trend wird immer weiter zum Live-Geschehen gehen. Ich merke, dass meine Zuschauer, die Livestreams verfolgen, mehr werden. Ein vernünftig strukturierter Livestream kann deutlich interessanter für den Zuschauer sein, als ein reguläres Video. Denn wenn mir der Zuschauer im Livestream das Signal gibt: Das gefällt mir nicht. Dann kann ich als Content Creator direkt reagieren.

WIRED: Sind Let’s-Play-Videos nur ein Zwischenstopp für deine Karriere? Oder hat das Bestand?
Rewinside: Eine Karriere ist etwas, das ich als geplant sehen würde. Und das war mein Erfolg auf YouTube nicht, der war schlagartig da und dann haben wir einfach weitergemacht. Aber ich glaube, das kann ein Sprungbrett sein, von dem man sich weiterentwickelt. Das ist genau wie bei Thomas Gottschalk, der hat im Radio angefangen und sich dann weiterentwickelt. Ähnlich kann das für uns auch funktionieren. Aber ich werde die Affinität zum Gaming wahren und niemals damit aufhören.

WIRED: Du möchtest also der nächste Gottschalk werden?
Rewinside: Das habe ich nicht gesagt. Ich weiß nicht, ob meine Moderations-Skills ansatzweise an einen ausgebildeten Moderator rankommen. Das will ich mir nicht anmaßen. Aber es gibt gute Beispiele aus der Branche, wie mein Kollege Sturmwaffel, der jetzt eine Talkshow mit den Öffentlich-Rechtlichen macht.

Kein YouTuber setzt sich als Ziel Hollywood-Schauspieler zu werden

Rewinside, YouTube-Entertainer

WIRED: Der Absprung zum Fernsehen ist also schon noch erstrebenswert?
Rewinside: Nicht unbedingt. Ich glaube, dass die meisten YouTuber das einfach auf sich zukommen lassen. Niemand setzt sich als Ziel: Ich fange jetzt mit Gaming an und arbeite mich dann von Minecraft hoch bis ins Showbusiness und werde Hollywood-Schauspieler.

WIRED: Schleichwerbung ist immer wieder ein Thema auf YouTube. Dazu ist mir in deinem Kanal das Video zum Film Die Mumie ins Auge gestochen. Das geht fließend vom Minecraft-Let’s-Play in den Trailer und deinen Kommentar dazu über. Ist das nicht bedenklich?
Rewinside: Ich bin sehr transparent was das angeht. Das Video ist natürlich durch eine Anmerkung oben rechts deutlich gekennzeichnet. Dazu sind wir gesetzlich verpflichtet und das sind wir unserer Community auch schuldig. Ich versuche halt das Produkt vernünftig in meine Videos zu integrieren, statt stumpf den Trailer hochzuladen und zu sagen: Schaut euch das an. Das bringt dem Zuschauer nichts, das bringt dem Werbetreibenden nichts und mir als Person auch nicht.

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WIRED: Klassische Werbung ist also keine Option für dich?
Rewinside: Einen Clip einzublenden, dass jetzt hier Werbung läuft, dann den Trailer abspielen und dann zurück zum Content gehen, ist auf YouTube nicht mehr zeitgemäß. Wenn es ersichtlich für den Zuschauer ist, dass es sich dabei um eine Produktplatzierung handelt, dann ist das in meinen Augen vollkommen vertretbar und sogar der richtige Weg.

WIRED: Aber kann deine junge Zielgruppe da den Unterschied zwischen Produktplatzierung und deiner echten Meinung noch erkennen?
Rewinside: Wenn ich für ein Produkt Werbung mache, dann sagt es mir auch zu. Ich werde niemals Dinge in meinen Videos bewerben, hinter denen ich nicht stehe. Das weiß der Zuschauer auch. Ich glaube nicht, dass wir da von einer gekauften Meinung sprechen müssen. Wir entscheiden uns bewusst gegen Produktplatzierungen, die einfach nicht zum Kanal passen.

 

Dieser Artikel ist Teil der WIRED Story Shots – Denkanstöße zu den wichtigsten Fragen der Digitalisierung. Diese Woche: Let’s Play – sind einige Spiele-Nerds im Internet in Wahrheit Teil einer Entertainment-Revolution?

Teil 1
Scheiß auf Fernsehen, schaut PietSmiet – über einen Kampf um Sendefreiheit
Teil 2
Guest-Shot: Gegen Let’s Player haben TV-Showleute keine Chance mehr!
Teil 3
Was bedeutet der Erfolg von Deutschlands größtem Internet-Sender „Rocket Beans TV“?

Teil 4
Kommentar eines Gamers: Interessieren sich Let's Player überhaupt noch für ihre Spiele?!
Teil 5
Werden YouTuber wie Rewinside zum nächsten Thomas Gottschalk?
Teil 6
Live-Streams entwickeln sich zum interaktiven Teleshopping!

+++ In den vergangenen Story Shots behandelten wir das Thema: Mega-Mensch – Wie verschmelzen wir mit der Technologie? +++

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