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Pokémon Go Plus macht das Spiel zur Fleißaufgabe

von Dominik Schönleben
Monster fangen per Knopfdruck am Armband, macht das Spaß? WIRED hat das neue Wearable Pokémon Go Plus getestet und festgestellt: Leider beraubt es das Augmented-Reality-Spiel eines seiner spannendsten Elemente.

Mit dem neuen Pokémon-Wearable fühle ich mich, als hätte ich ein Spielzeug aus dem Happy Meal am Arm. Es ist ein Stück klappriges Plastik mit einem dünnen Stoffband, das ich mir ums Handgelenk gewickelt habe. Das Design von Pokémon Go Plus passt zwar gut zur 90er-Ästhetik der Pokémon-Spiele, aber ganz und gar nicht zur auf Graphitgrau getrimmten Gadget-Welt von heute.


Dieser erste Eindruck bestätigt sich, als ich mir noch schnell etwas zu Essen holen will, bevor ich auf Pokémon-Jagd gehe: „Einen Cheeseburger bitte“, sage ich und die Bedienung prustet fast los vor Lachen: „Was hast du denn da am Arm?“, fragt sie mit einer Stimmlage, die irgendwo zwischen ungläubig und vage interessiert liegt. Meine leicht peinlich berührt gemurmelte Antwort: „Das ist für meine Arbeit. Das ist dieses neue Pokémon-Armband.“

Nach diesem Erlebnis in der echten Welt, tauche ich in meine augmentierte Pokémon-Realität ab. Hier ist das Pokémon-Go-Plus-Armband in etwa so gehyped, wie die neue Version der Apple Watch unter Steve-Jobs-Jüngern – und deshalb auch seit Monaten ausverkauft. Das Gadget einige Tage früher zu besitzen, ist also fast so etwas wie ein Statussymbol. (In Deutschland erscheint es am 23. September.)

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In meinen Pokémon-WhatsApp-Gruppen wird ein Foto des Armbands schon heiß diskutiert: „Muss die App an sein, damit du looten kannst“, fragt einer meiner Poké-Buddys, der längst Level 30 ist und ungefähr zwölf Relaxos und sieben Dragonites gefangen oder gezüchtet hat – die mitunter stärksten und seltensten Pokémon im Spiel. Auf ihn verlasse ich mich sonst, wenn es darum geht, Arenen für unser Team Mystic einzunehmen.


„Taugt das Teil was? Oder soll ich lieber auf die neue Apple Watch warten?“, schreibt ein anderer Trainer-Kollege und hat damit wohl die zentrale Frage des Abends gestellt. Denn auf der letzten Apple-Keynote hatte John Hanke, CEO von Pokémon-Go-Entwickler Niantic, angekündigt, dass schon bald eine App für die Uhr von Apple geben soll, mit mehr Features als bei Pokémon Go Plus. Trotzdem: Mit seinem Preis von 39,99 Euro kostet die PokéWatch – wie meine WIRED-Kollegen sie „liebevoll“ nennen – eben auch nur runde ein Zehntel der Apple Watch.

Pokémon Go Plus kommt mit zwei Aufsätzen, kann also entweder als Anstecker oder als Armband getragen werden. Nachdem das Gadget mit der App verbunden ist, vibriert es in regelmäßigen Abständen und blinkt dabei in blau, grün, gelb und rot – oder alles gleichzeitig.


Das Spiel wird durch das Armband langweilig, nahezu banal

Auf meinem Weg zum abendlichen Pokémon-Arena-Run leuchtet das Armband blau, wenn ich an einem Pokéstop vorbeikomme. Den kann ich durch Drücken auf den einzigen Button aktivieren und die Gegenstände aus ihm abgreifen. Ähnliches gilt für Pokémon, die mir begegnen. Pokémon Go Plus fängt die kleinen Monster jetzt völlig automatisiert – oder eben nicht, denn nach dem ersten Fangversuch entkommen die Viecher beim Spielen mit dem Armband immer.

Mein Smartphone muss ich zum Spielen nicht mehr aus der Tasche holen. Ich zocke ganz beiläufig auf dem Weg in die Mittagspause oder zur Arbeit. Weil die App dabei nur im Hintergrund läuft, schont das erheblich meinen Akku – bisher eines der größten Probleme von Pokémon Go. Doch das Spiel selbst wird durch das Armband langweilig, nahezu banal. Das simple, aber bisher trotzdem begeisternde Spielprinzip wird auf das Drücken eines einzelnen Knopfes reduziert. Die zentrale Motivation, das Entdecken und Suchen der Monster, geht verloren. Welche Pokémon ich gefangen habe, kann ich später dann einem Logbuch entnehmen.


Schon nach wenigen Stunden nervt mich das Armband. Was Anfangs noch praktisch war, wird störend: In der Arbeit vibriert das Armband alle fünf Minuten, weil mein Schreibtisch direkt an einem Pokéstop steht, beim Fahrradfahren flippt das Armband völlig aus, weil ich ständig an Stops und Pokémon vorbeifahre. Drücke ich nicht sofort auf den Knopf, vibriert Pokémon Go Plus insgesamt sieben Mal pro Pokéstop und wiederholt das nach knapp 30 Sekunden. Das Spiel wird zur Fleißaufgabe.

Nachdem ich am Abend mit meinem Team eine Arena bis aufs Maximallevel hochgeboxt habe und wir zur nächsten aufbrechen, bleibt das Armband plötzlich still – Pokémon Go Plus hat die Verbindung verloren. In regelmäßigen Abständen und spätestens nach einem Arenabesuch muss ich die App neu starten und wieder mit dem Armband verbinden. Eher unpraktisch bei einem Gadget, das man eigentlich nur nebenbei verwenden soll.

Einen entscheidenden Vorteil hat die PokéWatch jedoch: Obwohl die App nur im Hintergrund läuft, werden für zurückgelegte Kilometer weiterhin Eier ausgebrütet und auch mein Buddy-Pokémon begibt sich auf die Suche nach Bonbons. Weil jetzt selbst mein Besuch in der Kaffeeküche dabei mitgezählt wird, brüte ich Eier mit erhöhter Geschwindigkeit aus.


Während ich Taubsis, Rattfratze und Traumatos ganz nebenbei fange, verpasse ich die wichtigen Monster

Während ich Taubsis, Rattfratze und Traumatos ganz nebenbei fange, verpasse ich ohne geöffnete App die wichtigen Monster. Sind seltene Pokémon zwar auf dem Radar der App aufgetaucht, aber eben noch nicht nah genug, um sie zu fangen, bleibt das Armband still. Eigentlich könnte hier die große Stärke von Pokémon Go Plus liegen. Es könnte mich im Alltag darauf hinweisen, dass eben genau dieses eine Pokémon in der Nähe ist, dass ich gerade suche, um meinen Pokédex zu vervollständigen. Hätte ich dann ein paar Minuten Zeit, würde ich mein Smartphone rausholen und es suchen.

Was dem Armband also fehlt, ist Individualisierung: Mir wäre es im Alltag ganz recht, wenn ich es deaktivieren könnte, dass das Armband an Pokéstops vibriert und leuchtet. Vielleicht möchte ich in bestimmten Situationen nicht gestört werden und einfach nur weiter Eier ausbrüten – auch das ist mit Pokémon Go Plus bisher so nicht möglich.

Ähnlich wie das eigentliche Spiel ist die PokéWatch also noch nicht ausgereift. Obwohl sie nur einen Knopf und ein paar LEDs hat, könnte sie so viel mehr sein, als sie derzeit ist – mit dem richtigen Software-Update, das einem erlaubt sie auf die eignen Bedürfnisse anzupassen.

Ich möchte das Armband trotz seiner vielen Fehler lieben, aber es fällt mir schwer. Bisher ist es wohl eher zu empfehlen, auf die Companion-App für die Apple Watch zu warten. Immerhin soll die laut Niantic irgendwann auch für Android Wear kommen.

Im Überblick:
+ Eier können auch mit aktiviertem Sperrbildschirm ausgebrütet werden.
– Das Mini-Spiel zum Fangen der Pokémon wird auf das Drücken eines Knopfes reduziert.
– Wenn das Armband ständig vibriert, nervt das im Alltag.
Pokémon Go Plus kann in der App nicht individuell eingestellt und auch nicht Stumm geschaltet werden.


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