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Paul Zabel testet in der Antarktis ein Gewächshaus fürs All

von Anna Schughart
Wenig Platz, begrenzte Ressourcen: Im Weltraum Pflanzen anzubauen, ist schwierig. Für das Projekt EdenISS haben Wissenschaftler deshalb ein besonderes Gewächshaus entwickelt, das bald getestet wird – nicht im All, sondern in der Antarktis.

Im Dezember geht es los, dann geht Paul Zabel für ein Jahr in die Antarktis. Im Gepäck hat der Raumfahrtingenieur vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) jede Menge Pflanzensamen und ein besonderes Gewächshaus. Zabel möchte herausfinden, wie Pflanzenanbau im Weltraum funktionieren kann – ohne Sonnenlicht, mit begrenzten Wasser- und Stromreserven sowie auf engstem Raum.

Am Projekt EdenISS (der Name setzt sich aus dem Garten Eden und der Abkürzung für die Internationale Raumstation zusammen) sind 13 Partner beteiligt. Seit 2015 arbeiten sie an der Konstruktion eines Weltraum-Gewächshauses. Doch bevor auf der ISS oder dem Mars Tomaten und Radieschen wachsen können, muss sich das Konstrukt erst einmal in der Antarktis beweisen. Warum, erklärt Paul Zabel im Interview.

WIRED: Herr Zabel, sie wollen testen, wie man im Weltraum Gemüse anbauen könnte. Warum ist das Tomatenzüchten auf einer Raumstation oder dem Mars so schwierig?
Paul Zabel: Weil man ein spezielles Gewächshaus mitbringen muss, das ein geschlossenes System bildet. Unseres arbeitet ohne Sonne mit einer LED-Beleuchtung. Es hat ein System für die Nährstoffversorgung der Pflanzen und eines, das die Lufttemperatur und -feuchtigkeit reguliert sowie den CO2-Gehalt steuert. Dazu kommen noch kleinere Systeme, die sich zum Beispiel mit der Pflanzengesundheit beschäftigen. Wir müssen ja auch sicherstellen, dass es den Pflanzen gut geht und Menschen sie essen können, ohne krank zu werden.

Wir haben in der Antarktis sehr viele Bedingungen, die wir testen können, ohne dass wir eine Rakete ins All schießen müssen

Paul Zabel

WIRED: Warum müssen Sie für dieses Experiment in die Antarktis fliegen?
Zabel: Wir haben in der Antarktis sehr viele Bedingungen, die wir testen können, ohne dass wir unser Gewächshaus mit einer Rakete ins Weltall schießen müssen. Die ganze Logistik und der Betrieb der Neumayer-III-Forschungsstation des Alfred-Wegener-Instituts sind sehr ähnlich zu einer Raumstation. Die Station in der Antarktis wird nur ein Mal im Jahr mit Nachschub versorgt. Die Anreise ist sehr schwierig. Und wir können auch nicht so viel Strom verbrauchen, wie wir wollen. Auch die Crewgröße ist vergleichbar mit der einer Raumfahrtmission: Etwa zehn Personen überwintern zehn Monate lang in der Station, da muss jeder alles können.

WIRED: Schwerkraft oder Schutz vor Strahlung gibt es auf der Erde aber trotzdem.
Zabel: Ja, die Erdschwerkraft können wir nicht ausschalten. Uns geht es aber auch weniger um die Biologie und die Frage, wie Gemüse im All wächst, sondern um die Technik. Wir wollen den Betrieb eines solchen Gewächshauses erforschen, herausfinden, wie wir in einem geschlossenen System Gemüse anbauen können.

WIRED: Wie sieht dieses Gewächshaus konkret aus?
Zabel: Es sind zwei Container, die ungefähr sechs Meter lang sind. In der Antarktis koppeln wir sie, sodass sie einen großen Container ergeben. Der steht dann 400 Meter von der Neumayer-III-Station entfernt auf einer Plattform. Das nötige Wasser gewinnen wir aus geschmolzenem Schnee, den Strom bekommen wir von der Station.

WIRED: Ganz schön groß. Ist das überhaupt auf den Weltraum übertragbar?
Zabel: Wir haben das Container-Format gewählt, weil es sich leicht transportieren lässt. So wie es dann in der Antarktis steht, kann man das Gewächshaus natürlich nicht in den Weltraum schicken. Aber das Innenleben und die Systeme sind schon sehr nah dran an einem möglichen Weltraumgewächshaus.

WIRED: Was pflanzen Sie dann an?
Zabel: Wir haben ungefähr 15 Pflanzenarten ausgesucht: Tomaten, Paprika und Gurken, dazu drei verschiedene Salatsorten, Radieschen, Spinat und jede Menge Kräuter. Und dann wollen wir auch noch versuchen, Erdbeeren zu züchten – aber das ist eine große Herausforderung.

Wenn wir Erdbeeren züchten könnten, wären sie ein heißer Kandidat für ein Gewächshaus auf dem Mars

Paul Zabel

WIRED: Erdbeeren sind schwieriger als Radieschen oder Tomaten?
Zabel: Erdbeeren sind sensibler, wenn es um die Umweltbedingungen geht. Alles muss immer perfekt passen. Außerdem können wir sie nicht wie die anderen Pflanzen aus dem Samen ziehen, weil sie, bevor sie blühen und Früchte bilden können, einen Winterschlaf mitgemacht haben müssen. Das heißt, wir müssen kleine Setzlinge mitbringen. Aber wenn wir Erdbeeren züchten könnten, dann wären sie ein heißer Kandidat für ein Gewächshaus auf dem Mars: Sie sind relativ klein und produzieren schön süßes Obst.

WIRED: Was ist im Antarktis-Gewächshaus die größte Herausforderung für die Pflanzen?
Zabel: Für die Pflanzen ist es einfach, für sie ist das ein Gewächshaus wie jedes andere. Wenn alles gut geht, merken die Pflanzen nicht, dass sie in der Antarktis stehen. Auch Schädlinge gibt es im Weltall und in der Antarktis nicht. Allerdings sind überall, wo Menschen und Pflanzen sind, auch Mikroorganismen wie Pilze. So ein Gewächshaus mit seinem feuchten, warmen Klima ist optimal für Pilzsporen. Auf Schimmel oder ähnliches muss ich deshalb besonders achten.

WIRED: Und für das Gewächshaus?
Zabel: Die antarktische Umwelt, mit Temperaturen von bis zu -40 Grad, starkem Wind und Schneefall, muss man natürlich berücksichtigen. Die größte Herausforderung ist aber, das System so zu bauen, dass nichts kaputt geht. Denn wenn das passiert und wir können es vor Ort nicht reparieren oder ersetzen, haben wir ein Problem, dann fällt das System komplett aus. Wir können schließlich nicht einfach Ersatzteile nachbestellen – genau wie im Weltall.

WIRED: Sie sind eigentlich Raumfahrtingenieur. Wie wird man da zum Gärtner?
Zabel: Ich war vergangenes Jahr mehrere Wochen in den Niederlanden und habe mir dort von unseren Projektpartnern das Wichtigste über den Pflanzenanbau beibringen lassen. Wie man Pflanzen aussäht und erntet, wie ich Pflanzenkrankheiten erkenne, was ich dagegen mache.

WIRED: Sind Sie komplett auf sich allein gestellt, wenn etwas schiefgeht?
Zabel: Wir machen das dann genauso, wie es auf einer Raumstation wäre. Dort werden die Astronauten ja auch für Experimente trainiert, die nicht unbedingt in ihr Fachgebiet fallen. Wenn ich also Probleme bekomme, die ich selber nicht lösen kann, kann ich ein Foto machen und es nach Bremen in unser Mission Control Center schicken. Die leiten das dann zu unseren Experten in Kanada oder den Niederlanden weiter, die mir Rückmeldung geben, was ich ändern muss, um das Problem zu beheben.

WIRED: Und wie bereiten Sie sich auf die Antarktis vor?
Zabel: Jeder, der in der Antarktis überwintern möchte, muss eine Reihe von Schulungen absolvieren. Zusammen mit meinen anderen Crewmitgliedern werde ich unter anderem einen Gletscherkurs machen. Da lernt man, wie man sich auf Eis bewegt oder Menschen aus Gletscherspalten birgt. Außerdem gibt es zum Beispiel noch einen Brandbekämpfungskurs oder einen Ersthelferkurs. Auch die medizinische Untersuchung gehört dazu, bei der man komplett einmal von oben bis unten durchgecheckt wird. Wichtig sind vor allem die Zähne, denn wenn man vor Ort Zahnschmerzen bekommt, lässt sich das relativ schwer behandeln.

WIRED: Was ist Ihr Missionsziel?
Zabel: Wir haben uns vorgenommen, dass wir für die zehnköpfige Besatzung mindestens einmal pro Woche eine schön große Salatschüssel produzieren. Und natürlich will ich viele gute wissenschaftliche Daten sammeln.

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