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Parents! Leave them Kids' Smartwatches alone!

von Johnny Haeusler
Es ist doch verrückt. Da bemühen sich Bürgerrechtler_innen, Organisationen und auch manche Politiker_innen um die Eindämmung neuer und den Abbau vorhandener Überwachungsstrukturen, und parallel baut die Zivilgesellschaft die eigene gegenseitige Spionage freiwillig weiter aus. Unseren Kolumnisten ärgern dabei vor allem die Eltern.

Nicht genug, dass wir uns bei schlecht programmierter Technik gruselige Einfallstore ins Haus holen, so wie es der Holländerin Rilana Hamer passiert ist, auf deren Webcam plötzlich wildfremde Menschen zugreifen konnten. Und nicht genug, dass auch die Sicherheit bei der Stimmerkennung, wie sie in den Geräten von Google, Amazon und Apple eingesetzt wird, noch nicht da ist, wo sie sein sollte. Etwa, wenn es mit etwas Imitationsgeschick möglich ist, sie zu überlisten.

Das alles ist schlecht genug, beruht aber auf technischen, erkennbaren und damit hoffentlich behebbaren Unzulänglichkeiten. Gegen die menschlichen aber kann kein Coder etwas unternehmen, und so müssen hin und wieder Regulierungsbehörden eingreifen, wenn der Wunsch nach kompletter Kontrolle überhand nimmt.

So geschah es Anfang des Jahres bei der Kinderpuppe „Cayla“, mit der unbemerkt Tonaufnahmen weitergeleitet und Eltern und Kindern Werbung zugespielt werden konnten – die Bundesnetzagentur verbot das Spielzeug als „funkfähig und zur heimlichen Bild- oder Tonaufnahme geeignet“.

Und auch im Fall von Smartwatches mit Abhörfunktionen für Kinder wurde die Agentur nun tätig. Dutzende kann man davon in den bekannten Shopping-Portalen finden, und so gut wie alle werben mit „Sicherheit für Eltern und Kinder“. Viele der bunten Armbanduhren beschränken sich dabei auf simple Telefonie- und Ortungsfunktionen, die zwar nicht verboten, aber durchaus fragwürdig sind (Zitat aus einer Produktbeschreibung: „Du weißt immer in Echtzeit, wo Dein Kind gerade ist. Die Wegstrecke der Uhr der letzten 30 Tage wird Dir mit dem Tracking auch angezeigt“).

Doch manche der für vergleichsweise wenig Geld erhältlichen Smartwatches lassen auch mehr zu, zum Beispiel das vom Kind unbemerkte Einschalten des Mikrofons der Uhr von der App der Eltern aus, was offenbar nun auch zur Überwachung von Lehrkräften im Unterricht genutzt wird. Und genau diese Funktion hat die Bundesnetzagentur erneut auf den Plan gerufen, denn die Uhren gelten als unerlaubte Sendeanlagen.

Es ist doch verrückt. Ich habe ein gewisses Verständnis für besorgte Eltern, aber ich habe kein Verständnis für einen Kontrollwahn, dessen Auswirkungen auf Kinder äußerst negativ sein könnte und vor allem im schlimmsten Fall der Fälle wenig nützen wird. Sollte zum Beispiel der äußerst seltene Fall einer Entführung eintreten, kann man davon ausgehen, dass ein Krimineller das Sendegerät schnell erkennt und beseitigt.

Wie sich ein Kind entwickelt, das mit einer solchen elektronischen Fußfessel durchs Leben geht, das können Psycholog_innen besser einschätzen als ich, doch ich erwarte keine allzu optimistischen Prognosen. Welche Strategien ein Kind aber anwenden wird, wenn es erstmal gelernt hat, diese Technologien für sich zu nutzen und umzudrehen, dürfte auf der Hand liegen und den Eltern nicht schmecken, schließlich kann man die Smartwatch auch bewusst irgendwo positionieren. Misstrauensverhältnisse zwischen Eltern und Nachwuchs sind im wahrsten Sinne des Wortes vorprogrammiert bei solchen Kindeskontrolltechnologien, die damit das Gegenteil dessen erreichen, was sie vorgeben. Und auch die Frage, wer die ganzen gesammelten Daten vielleicht außer den Eltern noch einsehen kann, bleibt selbstverständlich bestehen bei Elektronik, die von irgendeiner Bude hergestellt wird und keinerlei Regulierung oder Prüfung unterliegt.

Wenn dann Eltern die vorhandene Technologie auch noch dafür einsetzen, Dritte zu überwachen, dann wird es wirklich Zeit für einen Grundkurs in Bürgerrechten. Zunächst natürlich für die Eltern, sehr dringend aber auch für die Kinder.

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