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Noch sind Chatbots ziemlich dumm, aber das soll sich ändern

von Madlen Schäfer
Chatbots und digitale Assistenten sollen den Kundenservice revolutionieren, Shopping zum Kinderspiel machen oder unkompliziertes Online-Banking ermöglichen. Dumm nur, dass die bisher verfügbaren Chatbots schnell nur noch „Bahnhof“ verstehen. Doch das soll sich ändern, hat WIRED-Autorin Madlen Schäfer auf dem Chatbot Summit in Berlin erfahren.

Es ist inzwischen mein morgendliches Ritual geworden. Vor dem Zähneputzen sage ich: „Okay Google“ und wähle einen Musiksong aus. Manchmal will aber genau das einfach nicht funktionieren. Mein Google-Home-Lautsprecher spielt ein anderes Lied. Ich wiederhole den Titel. Doch aus dem Lautsprecher heißt es nur „Tut mir leid, ich verstehe das nicht.“ Das falsche Lied dudelt einfach weiter. In diesen Momenten habe ich häufig das Gefühl, Google Assistant will mich nicht verstehen. Also zücke ich das Handy und wähle den Song selbst aus.

Beim Wetter setze ich nun statt auf die App auf den Chatbot-Dienst von WetterOnline. Via WhatsApp soll ich damit über die Wetter-Aussichten informiert werden. Nach meiner ersten Nachricht erhalte ich direkt eine Antwort. Wartezeit gleich null. Freundlich schreibe ich: „Hallo, wie wird das Wetter in Berlin in der kommenden Woche?“ Eine Passende Antwort erhalte ich nicht. „Wunderbar, deine Anmeldung war erfolgreich! Willkommen bei WetterOnline!“, schreibt mir der WhatsApp-Kontakt zurück und erklärt mir sogleich die Spielregeln des Chats. Vier Befehl-Wörter versteht mein neuer Kontakt, nur aus diesen kann ich auswählen. Ich entscheide mich für „Wetter“ und darf anschließend einen Ort eintippen, für den ich Wettervorhersagen wünsche. „Berlin“, schreibe ich. Sofort erhalte ich eine Nachricht mit den Wetter-Aussichten der nächsten Tage. Künftig geschieht das sogar automatisch zu einer von mir gewählten Uhrzeit. Weil das so gut geklappt hat, schiebe ich noch eine Frage hinterher: „Kannst du mir das Wetter auch für andere Regionen mitteilen?“ Ich erhalte die Wetter-Prognose für eine Gemeinde in Frankreich mit dem Namen „Auch“. Mein Fehler, ich habe mich nicht an die Spielregeln gehalten.

Studie: 65 Prozent der Menschen bevorzugen echte Menschen als Chatpartner

Ich nutze Chatbots und digitale Sprachassisten wie Google Assistant oder Siri, aber ausreichend verstanden fühle ich mich von ihnen oft nicht. Damit bin ich nicht allein. Nutzer empfinden Chatbots häufig als zu dumm, so das Ergebnis einer Studie von Pegasystems, einem Anbieter für Software-Lösungen. Bei der Umfrage unter 3500 Konsumenten bewerteten 58 Prozent Chatbots als angemessen, 18 Prozent empfinden die digitalen Assistenten allerdings als ineffizient oder gar nervig. Das ist wohl der Grund, warum 65 Prozent der Befragten angaben, echte Menschen in als Gesprächspartner in einem Chat zu bevorzugen.

Dennoch sollen wir in naher Zukunft Chatbots an vielen Stellen in unserem Alltag finden. Daran arbeiten unzählige große Konzerne und Start-ups. Beim Chatbot Summit in Berlin kommen rund 1500 Menschen aus der Chatbot-Branche zusammen, diskutieren und tauschen sich aus. Die Konferenz wirkt wie ein Klassentreffen, bei denen sich die Sprecher auf der Bühne gegenseitig erzählen, wie groß ihre Kinder, die Bots, schon geworden sind. All das sei erst der Anfang, Chatbots seien bald überall zu finden, so der Tenor des Summits. Shopping, Reisen buchen, Restaurants finden, Banking – grenzenlos scheinen die Möglichkeiten für sämtliche Unternehmen.

Yoav Barel, CEO und Gründer des Chatbot Summits, hat die Bot-Begeisterten nach Berlin gebracht. Er nutzt Bots täglich, darunter auch zwei, die er selbst entwickelt hat. „Bots sind nur einen Schritt davon entfernt, die ultimative Erfahrung zu sein. Sie werden das Leben von Milliarden Menschen verändern“, ist Barel sich sicher. Im Business drehe sich alles um die Nutzererfahrung. „Unternehmen haben das verstanden und investieren gerne Geld in Bots“, sagt Barel. Vor anderthalb Jahren sei das noch anders gewesen. Damals waren die Erwartungen der Unternehmen zu hoch, inzwischen hätten sie begriffen, dass Chatbots vielleicht nicht sofort, aber auf lange Sicht erfolgreich sein werden. IBM, Adobe, Deutsche Bahn, Vodafone, Facebook, Zalando, Daimler – die Teilnehmerliste des Summits gibt Barel Recht. Eine Untersuchung von Juniper Research besagt, dass bis zum Jahr 2020 durch Chatbots mehr als acht Milliarden Euro speziell in den Bereichen Gesundheit und Banking eingespart werden können.

KI vieler Chatbots reicht noch nicht

Nur der Endnutzer ist noch nicht so richtig überzeugt. Warum also sind Chatbots bisher nicht so smart? „Es liegt daran, dass Chatbots normalerweise dumm sind. Chatbots sind nur so gut wie die Daten, die sie haben. Es ist schwierig, Bots für jede Frage oder Situation zu trainieren. Es ist ein Fehler anzunehmen, dass Chatbots – selbst intelligente – alles können, was ein Mensch kann. Wenn man diese Erwartung hat, sind Bots zum Scheitern verurteilt“, sagt Amit Ben, Head of Technology des Software-Unternehmens LogMeIn. Die Künstliche Intelligenz dahinter sei aktuell noch nicht so weit. Bisher imitieren Chatbots lediglich Gespräche. Die Bots seien irgendwo zwischen einem menschlichen Chat und der Google-Suche, meint Jordi Torras, Gründer und CEO der KI-Firma Inbenta. Eine unnatürliche Sprache oder das simple Nicht-Verstehen des Nutzers sprechen derzeit häufig noch gegen Chatbots. „Weil es so viele schlechte Chatbots auf dem Markt gibt, haben viele Menschen nicht einmal Lust, sie auszuprobieren“, sagt Torras. Generell hätten Menschen aber durchaus Interesse daran, mit digitalen Partnern zu chatten.

Das Konzept eines virtuellen Helfers ist nicht neu. Bereits Karl Klammer versuchte uns gut durch Microsoft Office zu leiten. Im Vergleich zu Karl Klammer können die meisten Chatbots aber deutlich mehr. Nötig sei das aber gar nicht immer. Ein guter Chatbot, da sind sich alle Konferenz-Teilnehmer einig, müsse eine Aufgabe effektiv erledigen können. Dadurch spart er dem Menschen Zeit und Energie. „Er muss nicht intelligent oder witzig sein, er muss nur die Aufgabe, für die er entwickelt wurde, erledigen“, sagt Amit Ben.

Allein im Facebook-Messenger gibt es aktuell rund 200.000 Chatbots. Vor zwei Jahren waren es noch ungefähr 11.000. Für jeden Bereich in unserem Leben gebe es bald einen persönlichen Buttler, wenn es nach Yoav Barel geht. „In zwei bis drei Jahren werden Menschen Bots lieben, regelrecht süchtig nach ihnen sein“, sagt er. Hört man sich auf dem Summit um, so gehen die Meinungen diesbezüglich auseinander. Einige meinen, dass bereits in einem Jahr jedes Unternehmen einen Chatbot brauchen wird, andere glauben gar, dass Chatbots erst in fünf Jahren so smart sein werden, dass wir sie so selbstverständlich wie eine App nutzen. „Ein guter Chatbot könnte 85 Prozent der Fragen eines Users beantworten. Für 15 Prozent wäre er weiterhin zu dumm“, sagt Jordi Torras. Das Ziel von 100 Prozent könne ein Bot wohl niemals erreichen. Ein Mensch könne das aber auch nicht.

Menschen bleiben die Klügeren

Vielleicht eine gute Nachricht für Arbeitsnehmer wie etwa im Call Center, deren Job ein Chatbot sonst bald übernehmen könnte. Ein Chatbot der ein Gespräch mit einem Kunden startet und ab einem gewissen Punkt an einen Menschen übergibt, das sei realistisch, sagt Phil Gray von Interactions. Kunden könnten sich dann über einen regelrechten Super-Agenten freuen. „Wenn du es richtig machst, weiß der Nutzer nicht, ob am anderen Ende des Chats ein Mensch oder ein Bot ist“, sagt Gray. Genau das stört Nutzer aber gleichzeitig an Chatbots. Laut einer Studie verunsichert es User, wenn sie nicht genau wissen, ob sie mit einem Bot oder Menschen chatten.

„Menschen werden immer das Salz, das Einzigartige, in der Suppe sein“, sagt Yoav Barel. Chatbots werden alles effektiver machen können. Genauso wie uns Autos erlauben würden, größere Strecken schneller zurückzulegen. Dennoch würde der Menschen weiterhin laufen, so Barel. Im Moment bedarf es 99 Prozent menschlicher Kraft bei einem Prozent an Bot-Leistung. In der Zukunft soll es genau andersrum sein. Menschen könnten dadurch Aufgaben mit mehr Kreativität ausführen und die langweiligen Dinge die Technologie machen lassen. Genauso schlau wie ein Mensch, findet Jordi Torras, könne ein Chatbot aber erst sein, wenn er lügen kann.

Ich komme nach Hause, mein Google-Lautsprecher spielt wieder einmal das falsche Lied. Nur diesmal ist es anders. Mir fällt ein, dass Google Assistant kein Mensch ist. Fehler geschehen nicht mit Absicht, so menschlich mir der smarte Lautsprecher auch manchmal erscheint. Und ich bin schlauer. Ein Glück.

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