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Das steckt hinter der Anime-Strategie von Netflix

von Brian Barrett
Netflix will für das kommende Jahr zwölf eigene Animes produzieren. Diese Strategie verrät viel darüber, wie der Streaming-Dienst sich weiterentwickeln möchte. 

Netflix hat schon wieder einen Berg Geld in die Hand genommen, um neue Serien und Filme zu produzieren. Für 2018 hat der Streaming-Dienst aber nicht in teure Filme oder in ein Serien-Revival investiert. Stattdessen hat das Unternehmen die Rechte an einem Dutzend Animes gekauft, die im Laufe des nächsten Jahres erscheinen sollen. (Darunter Serien von den Studios hinter Fullmetal Alchemist und Ghost in the Shell.) Es ist ein Großeinkauf, der viel darüber verrät, wie Netflix sich den nächsten Schritt seiner weltweiten Expansion vorstellt.


Zunächst die Finanzen: Für Eigenproduktionen machte Netflix im letzten Jahr vier Milliarden Euro locker, 2017 waren es dann schon sechs Milliarden. Das ist mehr als jeder andere Fernsehsender oder Streaming-Dienst ausgibt.

Warum Netflix so viel Geld ausgibt, um eigene Programme zu drehen? Es macht das Geschäft so viel einfacher. Komplizierte, regionale Lizenzverträge verhindern, dass Netflix in jedem Land die gleichen Filme und Serien anbieten kann. Wenn ein Vertrag ausläuft, verschwindet die Show – egal ob ein Zuschauer gerade mitten in der Staffel ist oder nicht.


Regionale Lizenzverträge machen das Geschäft von Netflix kompliziert

Ein gutes Beispiel ist der von Kritikern gefeierte Anime One-Punch Man, den Streaming-Konkurrent Hulu letztes Jahr exklusiv in den USA anbot. Netflix handelte kurzerhand einen Lizenzvertrag aus und konnte die Serie ebenfalls zeigen. Der Schachzug mag zwar kurzzeitig das Ansehen von Netflix’ Anime-Angebot erhöht haben, allerdings nicht mit einem Alleinstellungsmerkmal. Und irgendwann läuft der Vertrag aus und die Serie verschwindet wieder. Es ist ein ewiges Katz-und-Maus-Spiel.

Dagegen werden die zwölf Animes, die Netflix in Tokio vorgestellt hat, niemals von der Platform verschwinden und gleichzeitig in 190 Ländern verfügbar sein. Sie sind die einzige Chance, mit den vorherrschenden Anime-Streamern Crunchyroll und Funimation mithalten zu können. Ersterer hat über eine Million zahlender Abonnenten, die auf ein gleichbleibendes Angebot zugreifen können. Was Netflix braucht, ist ein Angebot, das Crunchyroll nicht hat. Zu einem Preis, den Anime-Fans gerne bezahlen.

„Die meisten Verbraucher, die eine große Auswahl bevorzugen, bekommen die nicht von einem einzigen Anbieter“, sagt Dan Rayburn vom Marktforschungsunternehmen Frost & Sullivan. „Ich denke, die meisten sind bei verschiedenen Diensten angemeldet.“

Deswegen ergibt es auch so viel Sinn, alle zwölf Serien auf einmal zu veröffentlichen. Einige werden sicherlich floppen. Aber wenn nur eine durchstartet, sollte Netflix sich eine Käufergruppe erschließen können, die den Dienst bisher eher ignoriert hat.


Nicht jede Serie muss ein Megahit werden, damit Netflix das Projekt als Erfolg verbuchen kann

Auch wenn die Ankündigung in Japan stattfand, sollen nicht nur die Menschen dort angesprochen werden. Abhängig vom Netflix-Algorithmus und Marktforschung sollen die Serien auf der ganzen Welt gezeigt werden. Wie genau der Entscheidungsprozess aussieht, ist geheim. Nicht jede Serie muss ein Megahit werden, damit Netflix das Projekt als Erfolg verbuchen kann.

„Sie haben eine einzigartige Methode entwickelt, mit der sie sagen können, welche Shows eher zu Abwanderungen führen, welche gut für das Prestige sind und welche vom finanziellen Standpunkt aus Erfolg haben“, sagt Rayburn. Was überraschend unwichtig ist, sind Alter, Geschlecht und Nationalität der Zuschauer. Kein anderes Genre zeigt das so gut wie Anime.

Wie Netflix’ Vize-Präsident für Produktinnovation, Todd Yellin, WIRED im letzten Jahr erzählte, kommen nur zehn Prozent der Menschen aus Japan, die Animes über Netflix schauen. Die übrigen 90 Prozent verteilen sich über den gesamten Globus. In anderen Worten: Anime ist genau so universell beliebt wie Adam Sandler und Marvel-Helden.

„Heute hat sich die Demografie der Anime-Fans ziemlich ausgeweitet“, sagt Susan Napier, Anime- und Manga-Spezialistin der amerikanischen Tufts University. „Anime spricht immer noch junge Männer von acht bis 35 Jahre an, aber es gibt auch eine Menge älterer Fans mit einem Geschlechterverhältnis von 50:50 – das unterscheidet sich sehr von den frühen Tagen, als Anime vor allem von Männern gelesen wurde.“


Anime selbst ist fast schon ein absurd großer Sammelbegriff. „Ich sage immer, dass es so ist als würde ich über Hollywoodfilme im Allgemeinen sprechen“, sagt Napier. Anime kann sich um Sport, Okkultes, Mystery, Romantisches oder eine Kombination von alledem drehen. Genau das spiegeln auch Netflix’ Eigenproduktionen wider. In der einen Serie verwächst ein Dämonenschwert mit einem Jungen, um gegen Monster zu kämpfen und in einer anderen geht es um Mixed-Martial-Arts-Kämpfe im Todestrakt. Klar, werden nicht alle gut ankommen.

Insgesamt machte Netflix 2017 für alle seine Serien inklusive der Animes fünf Milliarden Euro locker, um zu schauen, was gut ankommt. Wenn nicht das Dämonen-Schwert, dann sicher irgendetwas anderes.


Animes zu produzieren, ist viel billiger

Dan Rayburn, Frost & Sullivan

Die fünf Milliarden verblassen allerdings hinter den 17 Milliarden Euro Schulden, die Netflix bereits angesammelt hat. Kaum verwunderlich, wenn man bedenkt, dass eine Staffel von House of Cards umgerechnet etwa 84 Millionen Euro kostet. Was ist billiger? Genau, Comedy-Specials und eben Anime.

„Du bezahlst nicht all die Kosten, die sonst für Kulissen und Schauspieler anfallen. Du bezahlst nur die Menschen, die den Anime produzieren. Das ist viel, viel billiger“, sagt Rayburn. Animierte Serien lassen sich außerdem leichter übersetzen. Netflix unterstützt insgesamt 20 Sprachen mit Synchronisation oder Untertiteln. Unterschiedliche Sprachversionen für Animes zu produzieren, ist angenehmer als es bei Realfilmen der Fall ist.

Diese Herangehensweise ist es, die Netflix weiter wachsen lässt – nicht unbedingt die teure Extravaganz eines The Get Down. Auch wenn nicht jeder Kunde von Netflix Animes schauen wird, geben sie doch einen guten Einblick, was die Ziele des Unternehmen sind – oder wie es zu seinem Erfolg gekommen ist.


WIRED.com

Dieser Artikel erschien zuerst bei WIRED.com
Das Original lest ihr hier.

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