Elektronik ist oft schwer in den menschlichen Körper zu integrieren. Cochlea-Implantate für hörgeschädigte Menschen können die Kopfhaut reizen; die Drähte von Herzschrittmachern lösen sich; manche VR-Headsets drücken ziemlich stark aufs Gesicht. Deshalb setzt Michael McAlpine seit sechs Jahren auf eine Alternative, die ein bisschen nach Frankenstein klingt. Als Maschinenbauingenieur an der University of Minnesota baut er Prototypen von bionischen Körperteilen aus schönen, weichen Komponenten – einige von ihnen sind sogar lebendig.
Der Schlüssel zu seinen elektro-organischen Organen ist sein eigens dafür konzipierter 3D-Drucker, den McAlpine mit Silikonen, Metallen und menschlichen Zellen belädt, die von der medizinischen Fakultät seiner Universität stammen. Die Zellen werden ihm als gelartige Kulturen angeliefert, damit sie nicht absterben. Sein 3D-gedrucktes „Ohr“, für das er eine Spulenantenne mit lebender Materie umhüllt, benötigt elektrisch leitfähige Silber-Nanopartikel und knorpelbildende Zellen, während sein „Rückenmark“ Zellen braucht, die Neuronen bilden können, und dazu eine transluzente Säule aus Silikon. Egal um welche Organe es geht, die computergesteuerten Düsen benötigen höchstens eine Stunde, um die Urzutaten von McAlpine in die entsprechende Form zu pressen. Das Ergebnis wird dann einige Wochen in einem nährstoffreichen Bad ruhen gelassen, so dass die Zellen um und in der Elektronik wachsen können.
Blinde Menschen könnten Infrarotwellen sehen
Bevor sie jedoch reif dafür sind, bei Menschen zum Einsatz zu kommen, müssen die Fleisch-Elektronik-Ersatzteile zuerst bei Ratten und anderen Tieren gut funktionieren, sagt McAlpine. Obwohl Tests zeigen, dass sein künstliches Ohr Musik erfolgreich wahrnehmen kann – probiert mit einer Aufnahme von „Für Elise“ –, muss er die Funkempfänger der Prothese erst noch mit dem Nervensystem eines Lebewesens verbinden. Gleiches gilt für seine neueste Kreation, ein Auge voller Photodetektoren, die Licht in elektrische Signale umwandeln können – ein erster Schritt zum künstlichen Sehen.
Andere Forscher sind begeistert von den Fortschritten bei menschlichen Organen, die im Labor gezüchtet werden können. Doch McAlpine findet nicht, dass das das einzige Ziel der Wissenschaft sein sollte. „Ich weiß nicht, ob man Biologie unbedingt durch mehr Biologie ersetzen muss“, sagt er. Er kann sich vorstellen, seine Körperteile mit außersinnlichen Fähigkeiten zu verbessern und verweist auf das Medizintechnikunternehmen Second Sight. Das glaubt, dass sein Netzhautimplantat eines Tages blinden Menschen erlauben könnte, Infrarotwellen zu sehen, die die meisten von uns nicht sehen können.
Menschen mit übermenschlichen Fähigkeiten
„Man könnte Menschen mit Handicaps übermenschliche Fähigkeiten geben“, sagt er. „Und in Zukunft könnte man dem Durchschnittsmenschen diese Fähigkeiten dann auch geben.“ In McAlpines schlimmsten Sci-Fi-Albträumen werden Roboter stärker und klüger sein als Menschen – also fangen wir sofort an, eine bioerweiterte Cyborg-Abwehr aufzubauen.