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New Mobility

Kick-Scooter: Elektrische Tretroller sollen bald auch Deutschland erobern

von Tobias Schaffrath Rosario
Sie sind bis zu 30 Stundenkilometer schnell, fahren elektrisch, nehmen nicht viel Platz weg und bald sind sie in Deutschland zugelassen: elektrische Tretroller, auch Kick-Scooter, genannt. In den USA wurden sie schnell zum Trend – sorgten aber auch für viel Kritik und Sicherheitsprobleme. Für den Start in Deutschland bringen sich amerikanische und hiesige Firmen in Stellung.

Wie groß der Hype um Kick-Scooter in den Vereinigten Staaten ist, zeigt sich an folgendem Beispiel: Dass Start-Up Bird, das einen Sharing-Dienst für Kick-Scooter anbietet, wurde von Investoren bereits kurz nach seinem Markeintritt mit zwei Milliarden US-Dollar bewertet. Kein Wunder, denn in Städten wie Los Angeles oder San Francisco gehören die elektrischen Fahrzeuge inzwischen bereits zum Stadtbild.

Befürworter von Kick-Scootern sehen in ihnen die perfekte Lösung für verstopfte Straßen und Umweltverschmutzung. Bird selbst nennt sie eine „sichere, kostengünstige und umweltfreundliche Verkehrslösung“. Doch nicht alle teilen diese Begeisterung.

In den USA wächst die Kritik an Kick-Scootern

Der Hype in den USA entstand Anfang des Jahres nämlich auch, weil sich die Roller weitgehend unreguliert verbreiten konnten. Neben Bird drängten zahlreiche andere Start-Ups wie Lime oder Spin in den Markt, die ebenfalls E-Roller-Sharing anbieten. Auch der Fahrdienstleister Uber erprobt gerade das Geschäft mit Kick-Scootern.

Mit der steigenden Zahl von Scootern auf amerikanischen Straßen, stieg aber auch die Zahl an Klagen über die elektrisierten Mini-Fahrzeuge. Alleine zwischen dem 11. April und dem 23. Mai dieses Jahre reichten 1.900 Leute Beschwerde bei der Verkehrsbehörde von San Francisco (SFMTA) ein, wie The Verge berichtete. Dabei ging es vor allem um zwei Probleme: Einerseits beschwerten sich viele Anwohner, dass die Scooter oft nicht sachgerecht abgestellt werden und die Bürgersteige blockieren. Andererseits äußerten viele enorme Sicherheitsbedenken.

Die Meldungen von Unfällen auf den Kick-Scootern häufen sich: Laut einer Recherche der Washington Post kam es im Sommer zu einer richtigen Welle an Verletzungen. In einer großen Klinik in San Francisco, zum Beispiel, wurden demnach zehn Opfer pro Woche behandelt. In Cleveland kam es im August sogar schon zu einem ersten Todesfall auf einem Kick-Scooter. Eine 21-jährige wurde von einem PKW-Fahrer angefahren und erlag ihren Verletzungen.

Deswegen verbat die Stadt San Francisco die Roller im Sommer 2018 vorrübergehend, um die Probleme einzudämmen. Das Verbot hielt aber nicht lange, im August erlaubte die Stadt die E-Roller wieder, gewährte dabei aber nur zwei Firmen eine Lizenz: Scoot und Skip. Sie dürfen seit Oktober für sechs Monate je 625 Kick-Scooter auf die Straßen der Stadt schicken. Außerdem hält sich die Stadtverwaltung die Option offen, die Zahl nach der sechsmonatigen Testphase auf 2.500 zu erhöhen. Die Voraussetzung: Die Firmen müssen sich kooperationsbereit zeigen. Dass Anbieter wie Bird keine Erlaubnis mehr bekommen haben, wird damit begründet, dass sie in ihrer Expansionsphase auf den Dialog mit der Stadt verzichtet haben und ihre Roller einfach auf die Straßen stellten.

Alle Anbieter, vor allem Bird, zeigen sich nun lernbereit: Mittlerweile ist man gewillt, in den Dialog mit den Städten zu treten. Außerdem wird betont viel Wert darauf gelegt, dass die Scooter verantwortungsvoll genutzt werden. In den Apps zum Ausleihen der Tretroller gibt es neuerdings Anleitungen zum sicheren Fahren und es sind Mitarbeiter auf den Straßen unterwegs, die Nutzer der Sharing-Dienste über richtiges Verhalten auf den Rollern aufklären.

Kick-Scooter in Deutschland voraussichtlich ab dem 17.Mai 2019 erlaubt

In Deutschland waren „Elektrische Kleinstfahrzeuge“, wie die Kick-Scooter im Verwaltungsjargon genannt werden, für den Straßenverkehr bisher nicht zugelassen. Denn unser Rechtssystem funktioniert anders als in den meisten Ländern: Dort wird erst einmal alles erlaubt, was nicht explizit verboten ist. In Deutschland ist alles verboten, was nicht explizit erlaubt wird. Da die Kick-Scooter nicht ins vorhandene Raster der Straßenverkehrsordnung passen, ist ihr Einsatz verboten. Was einen Motor mit mehr als 250 Watt Leistung hat – was bei den meisten Kick-Scootern der Fall ist – und nicht auf Schienen fährt, ist laut Verkehrsordnung ein Kraftfahrzeug. Fahrer bräuchten daher eine Fahrerlaubnis, eine Haftpflichtversicherung und vor allem eine Straßenzulassung, die rechtlich bisher gar nicht geregelt war.

Neue Verordnung ermöglicht das Fahren ohne Führerschein

Das soll sich aber bald ändern. Im Bundeskabinett wurde die entsprechende Verordnung beschlossen. Am 17. Mai muss der Bundesrat final entscheiden. Dann sind die E-Tretroller auch in Deutschland zugelassen. Im Bundesverkehrsministerium wurde die Straßenverkehrsordnung überarbeitet, um die Elektro-Tretroller auch auf deutschen Straßen zuzulassen. Daniela Ludwig, die verkehrspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, begleitet das Vorhaben von der parlamentarischen Seite aus. Sie bestätigte: „Die neue Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung tritt voraussichtlich im 1. Quartal 2019 in Kraft. Sie bezieht sich auf Fahrzeuge wie z.B. E-Scooter, die bis zu 20 km/h schnell sein können. Ziel ist es, Rechtssicherheit zu schaffen, um Inhabern von Elektrokleinstfahrzeugen die reguläre Teilnahme am Straßenverkehr zu ermöglichen.“

Kick-Scooter bekommen Zulassung für Geh- und Radwege

Um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten, sollen die Roller je nach Kapazität auf dem Gehweg oder Radwegen fahren. Sie wären nur dann auf der Straße erlaubt, wenn es keinen Radweg gibt. Wie auch bei Radfahrern wir es vorerst keine Helmpflicht für die E-Roller geben.

Das muss man über die neue E-Tretroller wissen:

Ausstattung:
Die „Elektrokleinstfahrzeuge“ müssen gewisse Grundvoraussetzungen erfüllen: dazu gehört eine Lenk- oder Haltestange, die Maße dürfen maximal 70 Zentimeter Breite, 1,40 Meter Höhe und 2 Meter Länge betragen. Außerdem sind zwei Bremsen, (abnehmbare) Beleuchtung, Reflektoren und Klingel Pflicht. Je nach Akkupower schaffen die neuen Scooter zwischen 15 und 50 Kilometer Reichweite.

Straßenzulassung:
Die schnelleren Kick-Scooter (12 - 20 km/h) sind für Radwege zugelassen. Gibt es keine Radwege, dürfen sie auf der Straße fahren. Langsamere Scooter (6 - 12 km/h) sind auf Gehwege, gemeinsame Geh- und Radwege beschränkt. Auf die Straße dürfen sie nur, wenn beides fehlt.

Altersbeschränkung, Führerschein und Haftpflicht
Schneller E-Scooter sind erst ab 14 Jahren zugelassen, langsamere bereits ab 12 Jahren. Ein Führerschein ist nicht nötig. Aber eine Haftpflichtversicherung inklusive Aufkleber auf dem Roller muss sein.

Preise für die neuen Kick-Scooter
Aktuell starten vernünftige Scooter bei 250 Euro, es sind aber auch Preise weit jenseits der 1000 Euro möglich. Zukünftig wird es aber viele Leihmodelle geben, in denen man die E-Tretroller wie ein Carsharing-Auto oder Fahrrad buchen kann.

US-Firmen warten darauf, den deutschen Markt zu erobern

Auch wenn die E-Tretroller jetzt in Deutschland zugelassen werden, vielen kommt die Erlaubnis zu spät. Zahlreiche Anbieter und Fans der Scooter warten schon längere Zeit darauf, dass die Roller endlich auch auf deutschen Straßen fahren dürfen. Gerade die Bewohner von deutschen Großstädten wie Berlin gelten als sehr experimentierfreudig, was neue Technologien und „Sharing Economy“-Geschäftsmodelle angeht.

Aus Amerika drängt vor allem Kick-Scooter-Anbieter Lime auf den deutschen Mark. Seit über einem Jahr bietet die Firma in Berlin schon E-Bikes zum Mieten an. Groß wurde sie in Amerika aber durch die Kick-Scooter, die sie nun auch hier anbieten möchte. Bird wird aller Voraussicht nach ebenfalls sehr schnell in Deutschland starten, sobald die Erlaubnis da ist. Erste Tests mit dem Unternehmen gibt es bereits in Bamberg. In Wien, Brüssel, Paris und Zürich ist das Unternehmen schon vertreten.

Deutsche Anbieter bringen sich ebenfalls in Stellung

Doch auch deutsche Firmen wollen den Trend nicht verschlafen. Obwohl Kick-Scooter bisher verboten sind, sieht man die elektrischen Roller bereits ab und zu auf deutschen Straßen. Schließlich kann man sie von zahlreichen Anbietern bereits kaufen. Los geht es dabei aktuell mit 199 Euro für einen Roller von Lidl. Der schafft 20 km/h und 12 Kilometer Reichweite. Und geht hoch bis zu 1.600 Euro für Roller des Hamburger Unternehmens Egret. Der schafft bis zu 30 km/h und 43 Kilometer Reichweite. Im Juni soll eine neue Version kommen, die nach der neuen Verordnung auf 20 km/h beschränkt ist. Sogar Firmen, die Kick-Scooter zum Mieten anbieten, haben ihren Sitz in Deutschland. Mit ihrem Dienst mussten sie jedoch bisher auf andere Länder ausweichen. So ist das Hamburger Start-Up Floatility mit dem dreirädrigen E-Floater in Singapur vertreten, aber noch nicht in Deutschland. Die Roller vom Berliner Start-Up Tier findet man in vielen europäischen Metropolen von Madrid über Paris bis nach Wien und sogar in Dubai. Dort können sie einfach via App gebucht werden.

Start-Up Wunder arbeitet mit Daimler und MyTaxi

Die Hamburger Firma Wunder stellte im letzten Jahr ihre E-Scooter-Lösung vor. Wunder ist ein Software-Anbieter für Sharing-Modelle. Firmen wie Emmy oder Tier greifen auf ihre Algorithmen zurück. Seit November bietet Wunder aber auch eigene Kick-Scooter an, die zusammen mit der Software ausgeliefert werden. Die Roller können bis zu 25 km/h fahren und haben eine Reichweite von 45 Kilometer. Wunder bietet allerdings nur die Technologie an. Alles Operative, wie zum Beispiel das Branding, übernehmen Partnerfirmen.

Die Technologie ist also da, jetzt fehlt nur noch der finale Schritt im Bundesrat, um die Roller auf die deutschen Straßen bringen. Doch Gunnar Froh, der Chef und Mitgründer von Wunder, gab sich im Gespräch optimistisch: „In Deutschland haben wir drei nennenswerte Partnerschaften mit Unternehmen, die den Wunder-Roller auf die Straße bringen wollen.“ Dabei Klingt, als würden Kick-Scooter bald auch in deutschen Metropolen zum Stadtbild gehören.

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