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Keine Angst: Die Roboter nehmen uns endlich die Arbeit weg!

von Johnny Haeusler
Die Angst vor dem Verlust des eigenen Arbeitsplatzes durch die Digitalisierung und die Entwicklungen in der Robotik ist bei vielen Menschen groß. Unser Kolumnist Johnny Haeusler meint aber: Wir sollten diese Entwicklung begleiten und sogar vorantreiben. Denn sonst werden wir kein Teil davon sein.

Zu den vielen verschiedenen Ferienjobs, die ich als junger Mensch in den späten 1970er Jahren hatte, gehörte einmal auch die Fließbandarbeit in einer Fabrik. An verschiedenen Stellen des Bandes gab es verschiedene Aufgaben, im Kern bestand die Arbeit an jeder dieser Stellen aber aus den immer gleichen Handgriffen, acht Stunden lang, jeden Tag. Unterbrochen von einer Pause.

Als Jugendlicher voller Tatendrang ging mir zuallererst die Langsamkeit der Arbeit auf die Nerven, das konnte doch alles viel schneller gehen! Zurecht wiesen mich jedoch die wesentlich älteren, teilweise seit Jahrzehnten am Band arbeitenden Kolleginnen in die Schranken. Denn: Wer schneller arbeitet als die anderen, „versaut den Akkord“, sorgt also für allgemein gültige Geschwindigkeitssteigerung für alle und damit für mehr Stress. Also galt auch für mich: Ball flach halten in Sachen Geschwindigkeit!

Als nächstes fiel mir auf, dass die sehr eintönige, aber doch sehr einfache (nicht: leichte) Arbeit durch die Monotonie des allgemeinen Schweigens nicht gerade unterhaltsamer wurde. Gesprächsangebote meinerseits wurden von den Kolleginnen jedoch ignoriert oder nur mit kurzen „Hm“-Antworten bedacht, und noch in der ersten Woche wurde ich zum Abteilungschef gerufen (ich glaube, der Mann wurde tatsächlich „Aufseher“ genannt) und zurechtgewiesen. Hier wird nicht gequatscht. Hier wird gearbeitet.

In der folgenden Woche brachte ich ein kleines tragbares Radio mit, stellte es neben meinem Einsatzgebiet auf und lauschte dem sehr leisen Radio. So war ich durch die Nachrichten wenigstens dauerhaft informiert und konnte mich hin und wieder an einem guten Song oder einem spannenden Studiogespräch erfreuen. Ich hatte ja sonst nicht Intellektuelles zu tun, die Arbeit wurde nicht gestört…

Stumpf, unerträglich, menschenunwürdig

Damit war mein Ferienjob beendet. Nach drei Gesprächen wegen „Störung des regulären Betriebs“ mit dem Aufseher, der sein Büro für den besseren Überblick übrigens tatsächlich am Ende des langgezogenen Fabrikgebäudes auf einer Empore hatte, die man nur über eine steile Holzleiter erreichen konnte. Und ich hatte im zarten Alter von 16 Jahren erkannt, dass ich so nie wieder arbeiten wollte. Und dass niemand so arbeiten sollte. Ich empfand die Arbeit als stumpf, die gesamte Atmosphäre als unerträglich und menschenunwürdig. Die Arbeiterinnen erschienen mir lustlos, wortkarg, unmotiviert, resigniert. Unglücklich. Sie verrichteten ihren Job wie menschliche Maschinen. Und ich hoffte schon vor dreieinhalb Jahrzehnten, dass ihre Jobs bald von echten Maschinen übernommen werden würden, damit sie - die Arbeiterinnen – ein menschenwürdiges Leben leben könnten.

Womit wir beim Thema sind, nämlich der Angst um den Verlust der eigenen Arbeit durch die Digitalisierung, durch Robotik. Was hindert uns eigentlich daran, uns auf die Zeiten zu freuen, in denen Maschinen eben all jene Tätigkeiten ausführen, für die Menschen per se überqualifiziert sind und die sie auf Dauer verrohen und unglücklich werden lassen?

Es fehlt, wie so oft, das Konzept für die kommenden Zeiten, die sich massiv von denen der letzten Jahrzehnte unterscheiden werden. Es gibt nur wenige Menschen in politisch verantwortungsvollen Positionen, die sich und uns auf eine Welt mit weniger Arbeit vorbereiten.

„Menschen brauchen Aufgaben, Zugehörigkeit, ein soziales Umfeld.“

Johnny Haeusler

Menschen haben ja nicht wirklich Angst davor, nicht mehr acht Stunden täglich die immer gleiche Tätigkeit ausführen zu müssen. Sondern sie haben Sorge um ihr soziales Umfeld und ihren Lebensunterhalt. Es braucht also neue Formen des Zusammenlebens und auch neue Formen des Einkommens.

Dafür muss zunächst der Begriff „Arbeit“ durch „Aufgabe“ ersetzt werden. Menschen brauchen Aufgaben, Zugehörigkeit, ein soziales Umfeld. Das Gefühl, gebraucht zu werden. Das alles kann ein Arbeitsplatz bieten, tut er aber nicht zwingend. Stattdessen gilt Arbeit viel zu häufig als notwendiges Übel zur Finanzierung des „echten Lebens“. Dabei kann eine echte Aufgabe Teil genau dieses echten Lebens sein. Und es mag sein, dass es in naher Zukunft weniger Arbeit geben wird. Aber es wird nie einen Mangel an Aufgaben geben.

Und wenn Roboter die Fließbänder beherrschen, unsere Toiletten reinigen und die Straßen sauber machen, wenn Drohnen und autonome Fahrzeuge physische Güter und Menschen transportieren, dann verdienen sie schließlich auch das Geld für uns. Und das sollte uns eigentlich hoffnungsvoll in die Zukunft blicken und diese Entwicklung vorantreiben lassen, aber nicht ohne Konzepte für die nahe Zukunft sowohl mitzugestalten als auch von politischer Seite einzufordern.

Wir sollen Angst haben

Stattdessen aber haben wir Angst, und die ist bekanntermaßen ein schlechter Berater. Und stattdessen arbeiten wir für einen lächerlichen Mindestlohn, für den viele, die ihn als große Errungenschaft feiern, morgens nicht einmal aufstehen würden. Stattdessen schauen wir zu, wie die Arbeitsrechtskämpfe unserer Väter, Mütter und Großeltern mit Füßen getreten werden und – siehe Österreich – trotz massiver Proteste tatsächlich über 12-Stunden-Arbeitstage verhandelt wird.

Solange die Arbeitskraft von Menschen in bestimmten Bereichen noch billiger ist als die von Maschinen, sollen wir dankbar dafür sein, wenigstens die Klos putzen zu dürfen. Sobald aber die Maschinen effizienter, also kostensparender sind, werden diese Jobs für Menschen einfach nicht mehr existieren. Und davor sollen wir Angst haben.

Hätten wir aber keine Angst, würden wir sogar auf ein besseres Leben ohne Einbußen an Aufgaben, sozialer Zugehörigkeit und Einkommen bestehen und uns an der Findung von möglichen Wegen dorthin beteiligen, dann könnte richtig etwas ins Rollen kommen. Und Angst hätten dann nur noch diejenigen, die ohne menschliche Arbeitsmaschinen aufgeschmissen wären.

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