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Kalifornisches Gras soll der Champagner des Marihuanas werden

von Matt Simon
Cannabis wird zum Milliardengeschäft, seit immer mehr Staaten und Regionen den Anbau und den Konsum legalisieren. Das bereitet einigen der Gras-Pioniere im Norden Kaliforniens Sorgen. Damit sie nicht von industriellen Herstellern überrollt werden, wollen sie eine geschützte Bezeichnung für Cannabis aus ihrer Region.

Wer einen Champagner kauft, erwartet eine ganz andere Qualität als bei einem normalen Sekt – vor allem, was die Perlen angeht. Um diesen Erwartungen gerecht zu werden, ist der Name sogar geschützt. Ein Schaumwein darf nur dann Champagner genannt werden, wenn er in einer bestimmten Region Frankreichs nach ganz bestimmten Regeln angebaut und produziert wurde. Sogar die Verpackung ist streng reglementiert. Doch für diesen Aufwand werden die Hersteller durchaus belohnt. Sie können deutlich höhere Preise verlangen.

Dasselbe könnte bald auch für Marihuana aus Nordkalifornien gelten. Die Legalisierung von Cannabis im wirtschaftlich stärksten US-Bundesstaat hat für Konsumenten vieles erleichtert. Viel weniger Menschen landen wegen Drogenbesitzes im Gefängnis. Außerdem wird die Herstellung plötzlich überwacht und es gibt Sicherheitstests. Für Züchter, die Gras anbauen, hat die Legalisierung aber auch neue Probleme geschaffen. Sie sehen sich plötzlich mit einer Vielzahl von Vorschriften konfrontiert, die Umwelt und Verbraucher schützen sollen, für Erzeuger aber eine Belastung darstellen.

„Wir haben mindestens 100.000 Dollar nur für Berater und wahrscheinlich 20.000 Dollar für Gebühren ausgegeben, und wir haben trotzdem noch nicht alle Auflagen erfüllt“, sagt Swami Chaitanya, Besitzer eines Anbaubetriebes in Mendocino. Er hatte Rücklagen auf der Bank und außerdem Investoren – doch das können längst nicht alle der etwa 10.000 Züchter in der Gegend von sich behaupten. Chaitanya erwartet, dass es weniger als 5 Prozent schaffen werden.

Das Smaragd-Dreieck ist Kaliforniens Cannabis-Zentrum

Swami Chaitanya arbeitet mit dem Mendocino Appellations Project, kurz MAP, zusammen. Das will für kalifornisches Cannabis das erreichen, was die Champagner-Bezeichnung für französischen Sekt getan hat. „Die Grundidee ist, diese Art des Schutzes von geistigem Eigentum für die Farmer in Mendocino County und Humboldt sowie im Rest des Smaragd-Dreiecks zu erwirken“, sagt Chaitanya. Der Name bezeichnet eine Region im Norden Kaliforniens. Die Züchter dort haben einzigartige Anbaumethoden und Cannabissorten entwickelt, die in den verschiedenen Mikroklimazonen dort gedeihen. Für manche Sorten ist die Küstennähe wichtig. Andere brauchen einen Hügel auf dem Landesinneren. Einige brauchen mehr, andere weniger Sonne.

Im Jahr 2017 verabschiedete der kalifornische Senat einen Gesetzentwurf, der das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft des Staates aufforderte, bis 2021 „ein Verfahren zu entwickeln, mit dem lizenzierte Züchter Bezeichnungen für Mindeststandards, Methoden und verschiedene Cannabis-Sorten festlegen können, die in einem bestimmten geografischen Gebiet angebaut werden“. Das Ziel des MAP ist es, festgelegte Ursprungsbezeichnungen zu etablieren. Für diese sollen Bezirksgrenzen ignoriert werden. Stattdessen sollten die Erzeugergemeinschaften darin abgebildet werden, die sich im Laufe der Jahre um bestimmte Sorten gebildet haben. „Es sind vor allem die Umweltgrenzen und die kulturellen Grenzen, die einen Herkunftsbezirk definieren“, sagt Genine Coleman, Geschäftsführerin von MAP.

Macht eine Ursprungsbezeichnung bei Cannabis überhaupt Sinn?

Die große Frage ist jedoch, ob es bei Cannabis ohne weiteres möglich ist, eine bestimmte Ursprungsbezeichnung zu definieren. Würden zwei genetisch identische Pflanzen in zwei verschiedenen Klimazonen wirklich unterschiedlich wachsen? Basierend auf bisherigen Beobachtungen aus der Praxis lautet die Antwort: ja. Doch wissenschaftliche Daten dazu werden gerade erst gesammelt.

Outdoor-Züchter werden nicht begeistert sein, dass der beste Ort um nach Antworten zu suchen innen ist. Der Indoor-Anbau bietet eine kontrollierte Umgebung, um den Phänotyp oder die physikalischen Eigenschaften von Cannabis zu beeinflussen. Dasselbe gilt für den Chemotyp oder die chemische Balance von Cannabinoiden wie THC und CBD.

Die Fortschritte in der LED- und Klimatechnik ermöglichen es den Landwirten, zwei genetisch identische Pflanzen im gleichen Raum unterschiedlichen Bedingungen auszusetzen, frei von den Launen von Mutter Natur. „Kleine Veränderungen in Temperatur, relativer Luftfeuchtigkeit und Nährstoffverfügbarkeit werden den Chemotyp stark beeinflussen, den größten Einfluss hat aber das Licht“, sagt Jeremy Plumb von Prūf Cultivar, einer Firma in Oregon, die sich auf die Entwicklung neuer Anbaumethoden konzentriert. „Licht wird einen gigantischen Einfluss haben.“

Unterschiedliche Regionen sorgen wahrscheinlich für unterschiedliches Cannabis

Jeremy Plumb kann eine helle, trockene und heiße Umgebung schaffen, um Afghanistan nachzuahmen, oder eine feuchtere Umgebung, um ein äquatoriales Klima zu kreieren. Dies, so Plumb, habe dramatische Auswirkungen auf das Wachstum des Cannabis und die enthaltenen Cannabinoiden. Das zeige sich auch im Freien. „Wenn man vier verschiedenen Erzeugern ein genetisches Duplikat gibt, gehen sie in ihre verschiedenen Umgebungen“, sagt Plumb. „Wenn Sie später die Pflanzen begutachten, nachdem sie sich angepasst und vermehrt haben, werden Sie eine große Bandbreite an Morphologie sehen. Natürlich wird sich das am Ende in der Chemie widerspiegeln.“

Private Züchter wie Prūf Cultivar sind führend in der Forschung, weil es für Akademiker schwierig war, eine nach dem US-Betäubungsmittelgesetz verbotene Substanz zu untersuchen. Aber das ändert sich jetzt. An der Portland State University, zum Beispiel, haben Forscher eine Pilotstudie zur Frage begonnen, ob der Boden selbst die Art und Weise verändert, wie eine Cannabis-Pflanze wächst, wie es bei den Trauben für den Champagner der Fall ist.

Sie begannen damit, Cannabis-Klone zu nehmen und sie an Farmen im Süden Oregons zu verteilen. Sie versuchten dabei unter einheitlichen Wetterbedingungen zu arbeiten, indem sie darauf achteten, dass die Farmen alle ein gemeinsames Klima aber unterschiedliche Böden hatten. Die Züchter schickten am Ende auch die Laborpflanze selbst zurück, die vor Ort nicht speziell kultiviert wurde. Das könnte schließlich eine weitere Variable sein, die möglicherweise die chemische Zusammensetzung der Pflanze verändert.

„Es ist die gleiche Situation wie beim Wein, wo man Klima und Boden hat – und es trotzdem noch darauf ankommt, wie die Winzer den Wein tatsächlich herstellen“, sagt John Bershaw, Geologe an der Portland State University. Die Boden- und Cannabisproben von jedem Betrieb könnten zeigen, wie die Beschaffenheit der Erde die Ausbildung von Cannabinoiden und Terpenen (die Öle, die Gras nach Gras riechen lassen) beeinflussen könnte.

Ist der Boden in Nordkalifornien der entscheidende Faktor?

Abhängig davon, was die Daten zeigen, könnte der Boden eine der Besonderheiten von Nordkalifornien sein, so dass das hier angebaute Cannabis anders ist als alles andere auf der Erde. Schließlich beeinflusst der Boden die Ernte. „Aber selbst wenn das nicht der Fall wäre, würde das Bezeichnungssystem immer noch eine Rolle spielen, um die lokale Landwirtschaft und die Verbraucher zu schützen“, sagt Ryan Stoa, Autor des kommenden Buches Craft Weed: Family Farming and the Future of the Marijuana Industry. Er meint: Selbst wenn der Einfluss der Bodenbeschaffenheit nicht so groß wäre wie bei Weintrauben, könnte eine Ursprungsbezeichnung immer noch Sinn ergeben.

Die kalifornischen Bauern haben zurzeit noch mit Regularien und Bürokratie zu kämpfen, aber ihre Probleme könnten noch schlimmer werden, wenn großer Cannabis-Hersteller mit riesigen Indoor-Plantagen in den Markt drängen. Damit können sie riesige Mengen an langweiligem Cannabis produzieren und die Preise senken, was etliche Verbraucher freuen dürfte. „Ich denke, ein Großteil der Verbraucher macht sich keine großen Gedanken“, sagt Stoa. „Sie wollen das billigste und stärkste Marihuana, das es gibt.“ Aber andere könnten mehr für das zertifizierte, aus Nordkalifornien stammende Cannabis zahlen. „Man sieht bereits, dass ein Markt für Kenner entsteht“, fügt Stoa hinzu.

Am Ende könnte es so kommen, dass Big Cannabis im Gras-Markt die Rolle von Industriebieren wie Budweiser oder Coors übernimmt, während das Gütesiegel Nordkalifornien für Marihuana aus Handarbeit steht.

WIRED.com

Dieser Artikel erschien zuerst bei WIRED.com
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