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Bei dieser Kaffeesahne kann man das Döschen gleich mittrinken

von Cindy Michel
Beim Öffnen von Kaffesahne spritzt es meist überall hin, nur nicht in die Tasse und es fällt eine Menge Müll an. Suboptimal. Forscher der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) könnten nun beide Probleme mit nur einer Erfindung in den Griff bekommen.

Der angeblich kleckerfreie Kaffeepausen-Hack und die umwelfreundliche Alternative zur Kaffeesahne im Plastikdöschen der angehenden Verfahrenstechnikerin Martha Wellner erinnert an ein Amarettini. Halbrund, gerade mal so groß wie ein Ein-Eurostück und kekskrümelbeige. Aber er ist viel mehr als nur Beilage: Im Inneren der auflösbaren Kapsel befindet sich die Milch.

Im Grunde handelt es sich dabei um eine Art Zuckerwürfel, der mit Milch oder Kondensmilch gefüllt ist. „Durch ihre Zuckerkruste haben die Kapseln eine Verpackung, die sich in heißen Flüssigkeiten einfach auflöst“, sagt Martha Wellner, die das Verfahren im Rahmen ihrer Promotionsarbeit am ehemaligen Zentrum für Ingenieurwissenschaften der MLU bei Joachim Ulrich entwickelt. Erschienen ist die Studie der Forschergruppe in der Fachzeitschrift „Chemical Engineering & Technology“.

Die Herstellung der Kapseln ist schnell erklärt: Zunächst wird eine Lösung aus Milch und Zucker hergestellt und anschließend in eine Form gegeben. Während die Lösung abkühlt, wandert der überschüssige Zucker an den Rand der Flüssigkeit, um dort Kristalle zu bilden. Im Inneren bleibt eine Milch-Zucker-Lösung zurück. Die Kapseln können in verschiedenen Formen hergestellt und bei Raumtemperatur gelagert werden. Einmal verkapselt, soll sich die Milch für mindestens drei Wochen halten.

Was aber, wenn es Sommer wird? Ab wann schmelzen die Kapseln in der Hand und nicht mehr im Getränk und wie realistisch wäre eine Reduzierung des deutschlandweiten Plastikmülls durch diese Kapseln? Nicht nur darüber sprach WIRED mit Martha Wellner.  

WIRED: Wie trinken Sie Ihren Kaffee? 
Martha Wellner: Ich persönlich trinke meinen Kaffee mit Milch, manchmal auch mit etwas Zucker – das ist aber abhängig von meiner Tagesform und vom Kaffee. Ich habe also meine eigenen Erfahrungen mit den Nachteilen der konventionellen Portionspackungen aus Plastik schon gemacht.

WIRED: Dann kam Ihnen die Idee dazu in der Kaffeepause? 
Wellner: Nicht ganz. Auf die Idee kam der Leiter unserer Arbeitsgruppe Thermische Verfahrenstechnik Joachim Ulrich, der ärgert sich schon seit Jahren über die kleinen Milchdöschen. ​Vermutlich kennt jeder, der seinen Kaffee mit Milch trinkt diese Probleme mit den Döschen: Oft lassen sie sich schwer öffnen, die Verschlusslasche reißt ab und gerade dann, wenn man es eilig hat, muss man viel zu lange mit diesen Döschen hantieren, bis die Milch dann doch endlich im Kaffee landet. Oftmals spritzt einem die Kaffeesahne aber auch beim Öffnen entgegen und landet auf Shirt oder Hemd – ärgerlich, wenn man gerade unterwegs ist. Bei Meetings oder Konferenzen hat man spätestens nach dem zweiten Kaffee unzählige leere Milchdöschen auf der Untertasse rumliegen, die kleckern und tropfen. Neben einer riesigen Menge an Plastikmüll gibt es also einige Gründe mehr, um auf diese Döschen verzichten zu wollen.

WIRED: Erst durch die Kristallisation des Zuckers bilden sich die Kapseln. Was, wenn man aber keinen Zucker im Kaffee mag?  
Wellner: Wir arbeiten dran. Aktuell existieren zwei Varianten des Mini-Milch-Containers: eine gesüßte und eine leicht gesüßte. An einer ungesüßten Kapsel arbeiten wir noch. Denn dieses Verfahren ist grundsätzlich erst einmal mit fast jedem kristallinen Stoff möglich. Zucker bietet allerdings derzeit die für uns besten technologischen Voraussetzungen. Bei der Verwendung zuckerfreier Alternativen wird im Prinzip der Produktionsprozess an die jeweiligen Eigenschaften des Stoffes angepasst.

WIRED: Muss es denn immer Milch sein? Oder wäre es auch möglich, andere Flüssigkeiten in den Kapseln aufzubewahren? 
Wellner: Auf jeden Fall. Wir behaupten ja, dass sich mit diesem Verfahren fast jede Flüssigkeit einschließen lässt. So haben wir auch schon Kapseln mit Fruchtsaftkonzentrat hergestellt. Diese könnte man etwa in Mineralwasser geben, so wie man eben auch Sirup dem Wasser zufügt.

WIRED: Als ich das erste Mal von Ihrem Produkt las, musste ich an das britische Startup Ohoo denken und deren essbare Blasen zur Aufbewahrung von Wasser denken. Sind sich die beiden Produkte nicht sehr ähnlich? 
Wellner: Das ist eine gute Frage, denn ich habe zu Beginn meiner Forschungen tatsächlich einen ähnlichen Ansatz wie Ohoo verfolgt. Die Bildung der Hülle basiert bei den Briten auf einer Interaktion zwischen Alginat, ein Bestandteil von Meeresalgen, und Calcium. Allerdings wird hier keine feste Hülle ausgebildet, sondern sie weist eher eine „wabbelige“ Konsistenz auf. Hinzu kommt, dass die Blase sich nicht auflöst – sie muss manuell geöffnet werden, um die eingeschlossene Flüssigkeit freizugeben. Zwei Eigenschaften, die eben nicht dem Anforderungsprofil unseres Produkts entsprechen: Wir wollen eine feste Hülle, die sich im heißen Kaffee oder Tee selbstständig auflöst und so die flüssige Milch freisetzt.

WIRED: Laut Ihres Forschungsberichtes kann der Mini-Milch-Container bei Raumtemperatur gelagert werden. Was aber, wenn im Sommer das Thermometer steigt? Ab wann wird es klebrig am Unterteller? 
Wellner: Die Kapseln sollten natürlich nicht über längere Zeit der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt werden – dann wird es schnell klebrig. Generell sind sie so ausgelegt, dass die optimalen Eigenschaften bei 25 Grad Celsius entfaltet werden. Aber auch etwas höhere Temperaturen im Sommer lassen die Kapseln nicht direkt schmelzen.

WIRED: Ich möchte nicht, dass meine Zuckerkapsel mit Milch erst durch unzählige Hände geht, bevor sie letztendlich in meinem Kaffee schmilzt. Gibt es denn eine Verpackung für Ihre Erfindung? 
Wellner: Dass die Milchkapseln nicht ohne eine weitere Verpackung an den Konsumenten gebracht werden können, ist uns völlig klar. Wir haben dieses Problem auf jeden Fall im Hinterkopf und wollen dafür auch eine umweltfreundliche Lösung oder Lösungsansatz anbieten. Im Moment steht allerdings noch die Optimierung des eigentlichen Produktes im Mittelpunkt.

WIRED: Thema Optimierung. Wann kann man denn mit einer Marktreife des Produktes rechnen?
Wellner: Das ist momentan noch schwer zu sagen. Von der Idee über die notwendige Forschung bis hin zu einem produktionsfertigen Ergebnis ist es ein sehr langer Weg. Wir haben einen Prototypen entwickelt, aber weitere Schritte hinsichtlich Produkt- und Prozessoptimierung sind noch notwendig. Aktuell produzieren wir die Kapseln übrigens noch manuell im Labor. Natürlich müssen wir diese letztendlich in einen massentauglichen Produktionsprozess überführen. Nur so können sie kostengünstig im größeren Maßstab produziert werden.

WIRED: Würden Ihre auflösbaren Kapseln die bisherigen Plastikdöschen ersetzen, könnte so in der Summe wahrschenlich ein immenser Berg an Plastikmüll verhindert werden. Gibt es dafür offizielle Zahlen? 
Wellner: Offizielle Zahlen gibt es dazu leider nicht, deswegen habe ich selbst ein Rechenbeispiel aufgestellt: Pro Kondensmilchdöschen fällt etwa ein Gramm Plastikmüll an. 76 Prozent der Deutschen über 18 Jahre sind Kaffeetrinker, also etwa 42 Millionen Menschen. Wenn wir jetzt davon ausgehen, dass jeder dieser Kaffeetrinker nur zwei Portionsdöschen im Monat verwendet, produzieren sie so trotzdem 1000 Tonnen Plastikabfall. Würden unsere Kapseln die herkömmlichen Plastikdöschen ersetzen, könnte man diesen Abfallberg vermeiden.

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