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iNext-Premiere: Warum das nächste Elektroauto von BMW ein autonomes SUV mit „veganem Luxus“ wird

von Dominik Bardow
Nachdem Audi und Mercedes die Premieren ihrer Elektroautos schon groß gefeiert haben, betritt nun BMW die Bühne. In Los Angeles stellt der Münchner Autobauer nun ganz offiziell den iNext vor. WIRED-Autor Dominik Bardow ist in L.A. mit dabei – und konnte schon einmal die Fragen klären, warum der iNext so groß geworden ist und warum er erst 2021 auf den Markt kommen soll.

Nachdem die DJane in einem Lagerhaus in Los Angeles die Musik aufgedreht hatte, nachdem das Visionsauto iNext fahrerlos ins Scheinwerferlicht gerollt kam, nachdem die BMW-Vorstände die Vorzüge ihres neuen Technologie-Flaggschiffs gepriesen hatten und die Journalisten den futuristischen Wagen begutachten (aber nicht anfassen) durften, nach alldem wusste Chefentwickler Klaus Fröhlich gar nicht mehr so Recht, was eigentlich neu an dieser Präsentation war. „Wir stellen das Auto jetzt auf der Messe aus“, sagte der BMW-Vorstand zur Weltpremiere des iNext im Rahmen der L.A. Autoshow. „Aber die groben Informationen waren im Prinzip schon vorher bekannt.“

Die groben Informationen sind: Der batteriebetriebene, selbstfahrende iNext soll das „nächste große Ding“ des Münchner Autobauers werden. Er wird zwar bereits jetzt stolz hergezeigt, aber erst ab 2021 in Serie gehen. In einer Art Welttournee hatte BMW sein Zukunftsauto schon im September mit einem Flieger nach München, New York, San Francisco und Peking gebracht und dort Medien, Politikern und Industrievertretern vorgestellt. Gestern Nachmittag kalifornischer Zeit wurde der iNext nun der Welt präsentiert – zumindest dem Fachpublikum auf einer der größten Automobilmessen des Planeten in Los Angeles. Tags zuvor konnten sich Medienvertreter, darunter WIRED, in Workshops bereits die Vorzüge der wagengewordenen Designstudie erklären lassen.

Und die können sich ja wirklich sehen lassen: Der BMW Vision iNext soll komplett elektrisch fahren – und das über 600 Kilometer weit mit einer Batterieladung. Äußerlich ähnelt das Luxusmodell mit knapp fünf Metern Länge, zwei Metern Breite und gewaltigen 24-Zoll-Rädern eher einem Geländewagen als dem kompakten Elektroflitzer i3. Das Innere ist eine Art Wohnzimmer auf Rädern, in dem der Fahrer das Steuer komplett dem Autopiloten überlassen kann. Lenkrad und Pedale ziehen sich dann zurück. Statt Knöpfen und Schaltern gibt es nur Touchscreens, statt Außenspiegeln Kameras.

Audi und Mercedes waren mit ihren Elektro-SUVs schneller

Dennoch wirkt BMW ein wenig verspätetet: Die deutschen Konkurrenten von Audi und Mercedes bringen ihre Elektroautos e-tron und EQC schon früher auf den Markt. Der Luxus-Elektro-Marktführer Tesla wirkt enteilt. Dabei hatte BMW mit dem i3 einst als erster klassischer Autobauer einen Elektrowagen vorgelegt.

Dem Eindruck, den Anschluss verloren zu haben, widerspricht BMW-Entwicklungschef Fröhlich dann auch vehement. In einem Interview mit der „Autogazette“ nannte er die Elektromodelle der deutschen Konkurrenz „Piloten“, die BMW bei Elektromobilität nicht mehr nötig habe. „Wir bauen schon die fünfte Generation, deswegen gehen wir davon aus, dass wir Kosten- und Funktionsführer sind“, sagt der Vorstand am Rande der Workshops in Los Angeles.

Warum braucht BMW dann so lange, bis seine fünfte Generation fertig ist? „Die Technologie bestimmt das“, sagt Fröhlich und meint damit Batterien, Hard- und Software für autonomes Fahren und das fehlende 5G-Internet in Deutschland. „Ein Auto rundherum zu bauen, das geht relativ flott, wir arbeiten ja schon länger daran.“

Bis 2021 will BMW fünf Elektromodelle, bis 2025 über zwölf batteriebetriebene Fahrzeuge auf den Markt bringen. Dennoch sollen 75 Prozent der verkauften Modelle weiter mit Verbrennungsmotor arbeiten, sogar mehr, wenn man Hybridwagen dazuzählt. „Sie brauchen verschiedene Antriebe für verschiedene Weltregionen“, sagt Fröhlich. In China werde hauptsächlich auf Batteriefahrzeuge gesetzt, in Amerika auf in eine Mischung aus Hybrid- und Elektroautos. Und in Europa? „Wird es die wenigste Elektromobilität geben, weil die Kunden zwar viel darüber reden, aber nichts kaufen“, sagt Fröhlich.

Ein Notenschlüssel auf der Rückbank startet die Musik

Deswegen ist ein Auto wie der iNext vor allem für den chinesischen Markt gedacht. Was in Europa als protzig oder überladen gelten könnte, trifft in Asien womöglich eher den Geschmack. Elektromobilität, die mit dem i3 eher klein und bescheiden daherkam, wird nun größer aufgefahren. „Der i3 war ein sehr nachhaltiges, urbanes Konzept“, sagt Fröhlich. Nicht so viel Reichweite, sehr leicht, geringer Energieverbrauch. „Eine Punktlandung für die Stadt. Der iNext wird eine Punktlandung für das autonome Fahren.“ Damit sich mehrere Personen frei im Innenraum bewegen können, brauche es eben einige Kubikmeter mehr Platz.

Deshalb habe BMW das Auto im Bereich von fünf Metern Länge, im SUV-Bereich angesiedelt – oder SAV, wie die Münchner es selbst nennen, Sports Activity Car. Womöglich, weil SUV ein schlechtes Image als Protzwagen haben. Doch auch mit dem iNext soll geprotzt werden, vor allem durch das Design. Das Innere des Wagens, dessen Einstiegspreis Experten auf über 70.000 Euro schätzen, sei von Boutique-Hotels inspiriert, erklärt BMW-Designchef Matthias Junghanns auf einem der Workshops. Während das Armaturenbrett in Holzoptik daherkommt, ist die Rückbank mit einem grünen Stoff überspannt. Ein Leselicht fungiert dabei auch als Projektor, der Filme abspielen kann. Wer mit dem Finger einen Notenschlüssel auf den Sitz malt, schaltet damit die Musik an. „Vegan Luxury“, nennt Junghanns das Design, veganer Luxus.

BMW wagt sich mit der Gestaltung des Show-Autos an Neuerungen, die klassische Autokäufer vielleicht verschrecken könnten: die rosafarbene Karosserie oder das Interieur, das irgendwie modern ist und dennoch auch an ein 70er-Jahre-Wohnzimmer erinnert. Aber trotz des futuristischen Äußeren hat der iNext einige klassische Erkennungsmerkmale von BMW, etwa den „Kühlergrill“ in Form einer Doppelniere. Wer mit der Hand darüber fährt, stellt fest, dass das Gitter völlig glatt und wohl nur aufgemalt ist. Da keine Kühlung benötigt wird, verbergen sich dahinter Sensoren.

Bringt autonomes Fahren noch „Freude am Fahren“?

Ob das Auto aber wirklich so aussehen wird, wenn es 2021 auf den Markt kommt? „Äußerlich, von den Proportionen sind wir verdammt nah am Endprodukt, das wird ein Statement sein“, sagt Entwicklungschef Fröhlich. „Im Interieur haben wir die Wohnzimmeratmosphäre etwas überhöht, da werden sicher noch Sicherheitsgurte und Crashstrukturen reinkommen.“ Ohnehin will sich BMW mit seinem kommenden Flaggschiff nicht in erster Linie über das Design oder den Elektromotor definieren, der sei ja irgendwann überall verbaut. „Der iNext ist unser Pilot für autonomes Fahren“, sagt Fröhlich.

Die Selbstfahrer-Technik soll eine Vorlage für alle Antriebsmodelle werden. Die dritte Stufe des unterstützten Fahrens, in dem der Wagen auf der Autobahn selbst übernimmt, muss zurzeit aber noch perfektioniert werden. Die vierte Stufe, Stadtverkehr, wird in Sachen Sicherheit eine noch größere Herausforderung. Zumal BMW klagt, dass im Gegensatz zu China oder den USA die Gesetze in Europa noch zu restriktiv seien bei selbstfahrenden Autos.

Aber lautet der BMW-Slogan nicht ohnehin „Freude am Fahren“? Ist das Motto des rollenden Wohnzimmers mit Autopiloten dann „Freude am Nicht-Fahren“? „Es gibt heute schon Situationen, wo Sie nur sehr begrenzt Freude am Fahren verspüren“, sagt Fröhlich, „wenn ich, statt vier Stunden im Stau zu stehen oder mich mit aggressiven Verkehrsteilnehmern auseinandersetzen zu müssen, etwas Anderes machen oder mich entspannen kann, dann ist das für mich Freude.“

Nächstes Jahr werden 100 Prototypen gebaut

Bis man diese Freude selbst erleben kann, wird es jedoch noch einige Zeit dauern. Probefahrten mit dem neuen Vision iNext sind noch nicht in Sicht. Im kommenden Jahr werden erstmal 100 Prototypen gebaut, die durch die Fahrzeugüberprüfung bei BMW müssen. Wobei sich alle Vorstände verpflichtet haben, bis Weihnachten Fahrten mit selbstfahrenden Autos zu unternehmen, um den Zwischenstand zu überprüfen, berichtet Fröhlich. „Wir lassen keine Beta-Versionen auf die Menschheit los“, sagt der Entwicklungschef. In anderen Worten: Es wird noch eine Weile dauern, bis der iNext als selbstfahrendes Elektrowohnzimmer über die Straßen rollt.

Hinweis: Der Besuch unseres Autors auf der Automesse in Los Angeles findet auf Einladung von BMW statt.

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