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In diesem Labor tragen Spinnen Make-up und falsche Wimpern

von Matt Simon
Wie suchen sich Spinnenweibchen eigentlich ihre Männer aus? Um das herauszufinden führen Wissenschaftler allerlei Experimente durch, die zunächst ziemlich merkwürdig klingen. In Florida werden Spinnen dafür sogar geschminkt.

In einem Labor an der Universität von Florida verpassen Forscher männlichen Springspinnen ein neues Gesicht. Während sie einige Minuten lang mit Kohlendioxid bewusstlos gemacht werden, malen die Wissenschaftler die hellroten Gesichter der Habronattus pyrrithrix mit flüssigem Eyeliner schwarz an oder kleben falsche Wimpern auf die Köpfe von Maevia inclemens. Willkommen bei Extreme Makeover: Arachnid Edition.

Die Frage ist: warum? Die springende Spinne ist auffälliger als andere Arten und bekannt für ihre tanzartigen Paarungsrituale – mit vielen ausladenden Armbewegungen. Das Taylor Lab in Florida will die einzelnen Elemente des komplexen Flirtverhaltens untersuchen. Dafür wird auch das Aussehen der Männchen verändert.

Ein männlicher Habronattus pyrrithrix lebt mit dem nicht allzu beneidenswerten Wissen, dass er sowohl ein potentieller Partner als auch eine potentielle Mahlzeit ist. Weibliche Springspinnen sind unverbesserliche Kannibalen – wenn er etwas nicht richtig macht, könnte er in ihrem Magen landen. Er würde also gut daran tun, die richtigen Signale zu senden.

Wie reagieren weibliche Spinnen auf geschminkte Männchen?

Aber was könnten diese Signale sein? Das hängt davon ab: Habronattus-pyrrithrix-Männchen haben bezaubernde rote Gesichter, was zufällig eine Farbe ist, die giftige Beute signalisiert. Ein besonders rosiger Teint kann aber auch signalisieren, dass ein Männchen gesund ist. „Wenn wir ihnen eine wirklich gute Ernährung geben, werden ihre Gesichter heller“, sagt Lisa Taylor, eine Verhaltensökologin, die das Labor leitet. „Das alles deutet darauf hin, dass die Weibchen auf die Farbe achten sollten.“

Um herauszufinden, ob sie es bemerken, stellten die Forscher weiblichen Spinnen männliche Freier vor, die entweder mit ihrem bloßen Gesicht erschienen oder mit schwarzem, flüssigem Eyeliner übermalt waren. Es dauert zwar noch, bis alle Daten langsam reinkommen, aber Taylor stellt fest, dass weibliche Spinnen in der Tat weniger wahrscheinlich Männer mit roten Gesichtern angreifen als ihre Kollegen mit den schwarz bemalten Gesichtern.

Das deutet darauf hin, dass ein rotes Gesicht eine Art Doppelsignal ist. Gut ernährte Männchen sind röter, was ein Zeichen ihrer Fitness sein kann. Aber Rot wirkt auch abschreckend, indem es dem Weibchen eine Farbe ins Gedächtnis ruft, die normalerweise Giftigkeit signalisiert. „Der eine gibt mit seiner Gesundheit an und der andere ist bereit alles Mögliche zu tun, um nicht gefressen zu werden“, sagt Damian Elias, ein Verhaltensökologe an der Universität Berkeley, der ebenfalls Springspinnen studiert.

Das Taylor Lab arbeitet auch mit Maevia inclemens, einer Spinnenart, deren Männchen kleine Zotteln tragen. Je größer das Männchen wird, desto größer werden diese. „Das könnte es einem Männchen erlauben, deutlich zu zeigen, wie groß es ist“, sagt Taylor. „Es ist eine Art Signal, das für die Weibchen klar und leicht einzuschätzen ist.“

Falsche Wimpern könnten Spinnen größer erscheinen lassen

Auch diese Experimente sind noch im Gange, aber die Forscher haben falsche Wimpern auf die Köpfe der Männer geklebt. Nicht so viele wie bei einem menschlichen Auge – dann wären die Wimpern größer als die Spinne –, sondern einzelne synthetische Wimpern. Diese werden dann mit einer Präparierschere auf die richtige Größe geschnitten. „Wir wissen, dass größere Männchen größere Büschel haben, was die Idee untermauert, dass diese Büschel Informationen für Weibchen enthalten“, sagt Taylor. „Ob die Weibchen darauf achten, wissen wir noch nicht.“

Es gibt jedoch einige Männchen in dieser Spinnenart, die keine solchen Büschel haben und stattdessen ihre schwarz-weiß gestreiften Beine schwenken, um die Aufmerksamkeit des Weibchens auf sich zu ziehen und vielleicht Toxizität zu signalisieren. Um die Reaktion des Weibchens auf schwarz und weiß zu testen, stattete das Labor Termiten mit kleinen gestreiften Umhängen aus. „Wir wissen, dass die Weibchen die gestreiften Termiten schneller beachten werden, daher scheint es, als ob das schwarz-weiße Streifenmuster die Aufmerksamkeit des Weibchens erregt“, sagt Taylor. „Man könnte auch meinen, wenn etwas die Aufmerksamkeit eines Weibchens erregt, würde es auch mehr Angriffe auslösen, aber dem ist nicht so.“ Bei schwarz-weiß gestreiften Männchen kann die Musterung also als aufmerksamkeitserregendes Mittel dienen, das gleichzeitig nicht zu viel Aufmerksamkeit erregt und damit z.B. Kannibalismus verhindert.

Täuschen die männlichen Spinnen nur Fitness vor?

Jetzt, da die Forscher ein besseres Gefühl dafür bekommen, was männliche Spinnen den Weibchen signalisieren, wollen sie wissen, ob diese Signale auch echt sind – ob ein rotes Gesicht oder ein großer Büschel tatsächlich Zeichen für genetische Fitness sind. Das ist aber leichter gefragt als beantwortet.

Damit eine Botschaft „ehrlich“ ist, muss das Weibchen auch wirklich starke Gene vom Mann bekommen – die kann es nicht vortäuschen. Aber um das herauszufinden, „muss man diese großen Mehrgenerationen-Experimente machen“, sagt Elias. „Bei vielen Tieren, wie z.B. Spinnen, ist es unglaublich schwierig, diese Menge an Tieren aufzuziehen, um das zu beweisen.“ Das liegt wohl am Kannibalismus.

Man könnte sich aber vorstellen, dass es einen starken Druck auf die Weibchen geben würde, echte von falschen Signalen zu unterscheiden. „Es liegt im Interesse eines Weibchens, solche Lügen zu erkennen“, sagt der Evolutionsbiologe Michael Kasumovic von der Universität von New South Wales, der auch Springspinnen studiert. Weibchen wollen wirklich gute Gene von ihren Partnern. Das könnte es für die unehrliche Strategie schwierig machen, im Laufe der Evolution zu überleben.

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Was nicht heißen soll, dass alles, was die männliche Springspinne tut, ehrlich sein muss. Immerhin führt das Männchen ein paar wirklich ausgefeilte Schwindeleien auf. Neben all den bunten visuellen Tänzen vibriert er auch, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. (Deswegen sollte man das Video auch bis zum Ende ansehen.) Das Weibchen ist extrem wählerisch, also steht der Mann unter großem Druck, ihre Zuneigung zu gewinnen. Und vielleicht stecken hinter einigen dieser Schwindeleien nicht wirklich gute Gene, sondern nur Show.

„Ich sehe das wie die Strategien in der Werbung“, sagt Taylor, „wo ein Teil der Informationen, die man sendet, ehrlich sein muss. Man muss kommunizieren, welches Produkt man verkauft. Bei bestimmten Dingen muss man einfach ehrlich sein. Aber wir wissen auch, dass Marketingprofis subtile Dinge einbauen können, um uns vielleicht etwas zu suggerieren oder uns zu überzeugen, etwas zu kaufen, was wir wahrscheinlich vorher nicht gekauft hätten.“ Vielleicht ist das angeboren. Vielleicht ist es aber auch Maybelline.

WIRED.com

Dieser Artikel erschien zuerst bei WIRED.com
Das Original lest ihr hier.

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