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Im Jahr 2029 beherrscht Jeff Bezos das All – und eine Weltraum-Müllabfuhr beseitigt alte Satelliten

von Alexander Stirn
Eine Kolonie auf dem Mars? Eine europäische Raumstation? Eher nicht. Für Fans von NASA, Esa und Elon Musk fällt unsere Prognose etwas ernüchternd aus. Immerhin: Star Trek wird sich auch in zehn Jahren noch wie Science-Fiction anfühlen. Der WIRED2029-Beitrag zum Thema Raumfahrt.

Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2029, und die Abenteuer des ganz, ganz neuen Raumschiffs Enterprise flimmern noch immer nur über die Empfangsgeräte. Doch auch wenn Flüge in die Tiefen des Alls ein Traum geblieben sind, hat sich in der Raumfahrt während der vergangenen zehn Jahren enorm viel getan – insbesondere im erdnahen Raum. Es gibt private Touristenflüge, es wird nach wie vor geforscht, und auch die Umweltbewegung kann mittlerweile erste Erfolge im Weltraum feiern.

Die schlechte Nachricht: Der alte Scherz aus der Kernfusionsforschung, wonach die Inbetriebnahme des ersten echten Fusionsreaktors stets 40 Jahre in der Zukunft liegt, lässt sich mittlerweile nahtlos auf die planetare Raumfahrt übertragen: Die erste Landung von Menschen auf dem Mars – auch sie ist stets 20 Jahre entfernt. Irgendwann Ende der 2040er Jahren soll es nun so weit sein, sofern die US-Weltraumbehörde Nasa ausreichend Geld zusammenbekommt – und sofern sich die Politik endlich hinter solch eine Mission stellt. Doch da die amerikanische Raumfahrtstrategie wie eh und je alle vier oder acht Jahre ­– mit jedem neuen US-Präsidenten – umgekrempelt wird, steht es nach wie vor schlecht um langfristige Visionen.

Nicht einmal der Versuch des früheren Präsidenten Donald Trump, China zum großen Feind im Weltraum hochzustilisieren und somit – ähnlich der sowjetischen Gefahr zu Apollo-Zeiten – einen Wettlauf zum Mars zu initiieren, hat gefruchtet. Die Politiker im US-Kongress sind einfach nicht darauf angesprungen. Und auch China, neben den USA längst die einzig verbliebene Großmacht im All, hält stoisch an seinem Plan fest, irgendwann zwischen 2040 und 2060 den ersten Chinesen oder die erste Chinesin zum Mars zu bringen.

Nicht SpaceX, sondern Blue Origin macht das Rennen

Zerschlagen haben sich auch die Hoffnungen, ein Privatunternehmen namens SpaceX könne den staatlichen Raumfahrern Beine machen oder sogar selbst den ersten Menschen auf dem Mars absetzen. Zwar konnte die kalifornische Firma zu Beginn unzählige Erfolge feiern. Doch nach dem tragischen Verlauf des Jungfernflugs der neuen Mond- und Marsrakete, Big Falcon Rocket genannt, bei dem im Jahr 2023 ein japanischer Milliardär mit seinen Künstlerfreunden einmal um den Mond geschickt werden sollte, kam das Unternehmen nie mehr so recht auf die Beine. Die Eskapaden seines exzentrischen Chefs Elon Musk, eines US-Milliardärs mit südafrikanischen Wurzeln, taten ihr übriges.

Die private Raumfahrt wird stattdessen von einem anderen Milliardär dominiert: Jeff Bezos, Gründer des weltumspannenden Konzerns Amazon, der seine Anfänge einst als Online-Kaufhaus genommen hatte. Mit Ruhe, Geduld, einem klaren Plan und viel, viel Geld hat Bezos eine Raumfahrtfirma namens BlueOrigin aufgebaut und drei zuverlässige Raketen entwickelt. Das Trio deckt sowohl suborbitale Flüge ab, bei denen Flugbegeisterte auf einem Spaß-Trip an die Grenze des Weltalls und zurück gebracht werden, als auch Missionen in Erdnähe und Flüge zum Mond. Insbesondere die mittlere der drei wiederverwendbaren Raketen, New Glenn, ist nach ihrem Erstflug im Jahr 2021 zum Arbeitspferd der Raumfahrt geworden. Fast täglich bringt sie Satelliten ins All oder versorgt die zahlreichen Raumstationen, die mittlerweile um die Erde kreisen.

Viele dieser Außenposten sind aufblasbar, eine Technik, die der US-Hotelmagnat Robert Bigelow bereits Mitte der 2010er Jahre auf der damaligen Internationalen Raumstation ISS getestet hatte. Die leichten, flexiblen Module werden vor allem als Hotelräume für Weltraumtouristen mit dickem Bankkonto genutzt. Andere Raumstationen dienen als orbitale Fabriken. Vollautomatisch produzieren sie teure Materialien, die sich am Erdboden wegen der störenden Schwerkraft nicht in der benötigten Reinheit und Fehlerfreiheit herstellen lassen – darunter neuartige, hochreine Glasfasern und massive Kristalle aus dem Material Galliumnitrid, das für Leuchtdioden benötigt wird. Möglich geworden ist all das, weil Raketen inzwischen – wie Flugzeuge – komplett wiederverwendet werden können, so dass die Startkosten massiv gesunken sind.

Nur eine chinesische Forschungsstation ist noch übrig

Als einzig verbliebene staatliche Forschungseinrichtung zieht zudem die chinesische Raumstation CSS ihre Kreise. Seit ihrem Start im Jahr 2023 ist sie immer wieder ausgebaut und längst für internationale Partner geöffnet worden, die dort forschen und Erfahrungen im Weltraum sammeln wollen. Die Internationale Raumstation ISS, lange Jahre einziger Außenposten im All, musste 2025 hingegen im Pazifik versenkt werden. Alle Versuche, die riesige, alternde Station zu privatisieren, waren am mangelnden Interesse der Industrie gescheitert – und die Raumfahrtbehörden brauchten ihr Geld für ein anderes, ein neues Ziel: das Gateway, eine zumindest zeitweise bemannte Raumstation in einer Umlaufbahn um den Mond.

Nach viele Verzögerungen, nach technischen und finanziellen Problemen, ist der Aufbau dieses Gateways noch immer nicht abgeschlossen. Erst vor wenigen Monaten hat Blue Origins Schwerlastrakete New Armstrong zum Beispiel die in Europa entwickelte Luftschleuse geliefert, die eigentlich schon 2026 hätte montiert werden sollen. Mehr noch: Schon jetzt ist absehbar, dass das Gateway nicht die erhoffte Initialzündung sein wird für eine Besiedlung des Monds oder gar für ein „Monddorf“, wie vom früheren Chef der Europäischen Raumfahrtagentur Esa, Johann-Dietrich Wörner, einst erträumt. Die Mondabenteuer sind noch immer zu kostspielig, zu komplex und vor allem nicht lukrativ genug für private Investoren: Das Geld in der Raumfahrt, es wird heutzutage im niedrigen Erdorbit verdient.

Eine Müllabfuhr für den Erdorbit

Eine andere Idee aus den späten 2010er Jahren ist hingegen Realität geworden: die orbitale Müllabfuhr, einschließlich eines Einwegpfands für Satelliten. Das Problem des Weltraumschrotts ist in den vergangenen Jahren immer dringlicher geworden, insbesondere nachdem das Start-up OneWeb Mitte 2019 begonnen hatte, die ersten seiner zunächst 800 Kleinsatelliten in eine Erdumlaufbahn zu bringen, um den Globus mit orbitalem Internet zu versorgen. Später wurden daraus mehr als 2000 Satelliten. Andere Mega-Konstellationen mit ebenfalls vielen tausenden Raumfahrzeugen folgten – für Internetverbindungen, zur Erdbeobachtung, zum Verfolgen von Flugzeugen und Schiffen, zur Videoüberwachung.

Beim ersten Crash zweier solcher Satelliten zuckten noch alle mit den Schultern. Beim zweiten auch. Doch als die Trümmer weitere Satelliten beschädigten, als immer mehr Zusammenstöße registriert wurden, als die Wolke aus Schrott lawinenartig anwuchs, war schnelles Handeln gefragt. Heute muss jeder Betreiber vor dem Start nachweisen, dass er seine Satelliten sicher aus ihrer Umlaufbahn entfernen kann. Er braucht eine Versicherung für alle Eventualitäten. Und er muss eine Art Dosenpfand entrichten, für den Fall, dass sein Satellit doch zu unkontrollierbarem Schrott wird.

Das Geld fließt in einen globalen Weltraumfonds, der nicht nur Abschleppsatelliten betreibt, die Havaristen sicher entsorgen können. Der Fonds ist auch für die Müllabfuhr im Orbit zuständig ist: Mit Lasern, Netzen und Greifarmen reinigen Spezialsatelliten die besonders kritischen Umlaufbahnen. Schließlich soll, wenn die Menschheit schon nicht in die unendlichen Weiten des Weltalls aufbrechen will, zumindest der Raum vor der irdischen Haustür sauber und nutzbar bleiben.

Alle Artikel des WIRED2029-Specials, die vom 12. bis 19.12.2018 erscheinen werden, findet ihr hier.

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