Hinweis zu Affiliate-Links: Alle Produkte werden von der Redaktion unabhängig ausgewählt. Im Falle eines Kaufs des Produkts nach Klick auf den Link erhalten wir ggf. eine Provision.

Die wahre Geschichte der Frauen, die die Raumfahrt veränderten

von Amelia Heathman
Zum Kinostart von „Hidden Figures“ sprach WIRED mit dem Chefhistoriker der NASA über Katherine G. Johnson, Dorothy Vaughn und Mary Jackson – jene Mathematikerinnen, die die Raumfahrtbehörde in den 1960er Jahren für immer veränderten.

Es ist das Jahr 1961 und die Rassentrennung ist in den Vereinigten Staaten noch immer weit verbreitet. USA und UdSSR befinden sich in einem anhaltenden Kalten Krieg, der Wettlauf ins All wird auf öffentlicher Bühne ausgetragen. Beide Weltmächte versuchen, einander mit heftigsten Mitteln zu übertrumpfen, während ihre Bürger in ständiger Angst leben. Währenddessen ändern drei unscheinbare Frauen von ihrem Büro in Virginia aus den Lauf der Geschichte.

Hidden Figures erzählt die Geschichte der drei afroamerikanischen Mathematikerinnen Katherine G. Johnson, Dorothy Vaughn und Mary Jackson. Während des Kalten Krieges, als die USA und die Sowjetunion versuchten, den ersten Menschen ins Weltall zu befördern, arbeitete das Trio im Langley Research Center der NASA in Hampton. Dort halfen sie etwa mit, den inzwischen verstorbenen Astronauten John Glenn in den Orbit und wieder sicher zur Erde zurück zu bringen.

Der Film, der schon Preise der Screen Actor's Guild, der African-American Film Critics Association und der Casting Society of America gewonnen hat und auf Oscars und British Academy Film Awards hoffen darf, ist am 2. Februar in den deutschen Kinos angelaufen. Das Script basiert auf dem gleichnamigen Sachbuch von Margot Lee Shetterly. Hidden Figures zeigt, was passiert, wenn Menschen angesichts von Sexismus und Rassismus gegen Wände laufen, diese aber trotz aller Widerstände einreißen.

Dann kamen die Anfragen. Mitarbeiter aus allen Abteilungen der NASA wollten sich beteiligen und sichergehen, dass der Film so realistisch wie möglich wird

Bill Barry, Chefhistoriker der NASA

„Diese Geschichte war nicht sehr bekannt – auch nicht in der historischen Community bei der NASA“, sagt Bill Barry, Chefhistoriker der Raumfahrtbehörde. „Mir war bewusst, dass es afroamerikanische Frauen bei der NASA gab, die im Rechenzentrum gearbeitet haben. Aber mir war nicht klar, dass es zu jenem Zeitpunkt eine komplett segregierte Abteilung gab.“

Um sich so genau wie möglich an die historischen Tatsachen zu halten, arbeitete die Filmcrew mit einem Team der NASA zusammen, dem auch Barry angehörte. „Sie haben mir das Drehbuch geschickt, ich habe meine Anmerkungen zurückgeschickt und dann viel Zeit am Telefon mit Ted (Melfi, der Regisseur, Anm. d. Red.) verbracht und hin und her überlegt. Dann kamen die Anfragen: Mitarbeiter aus allen Abteilungen der NASA wollten sich beteiligen und sichergehen, dass der Film so realistisch wie möglich wird.“

Jede Szene wurde penibel überarbeitet, um die Essenz der 1960er bei der NASA und in Amerika einzufangen. Jedes Detail wurde bedacht: Straßenlaternen, Bäume und sogar die Größe der Parklücken vor dem Langley Center. Noch heute ist Langley eines der zehn wichtigsten Forschungszentren in den USA. Aus finanziellen und Sicherheitsgründen wurde allerdings in Atlanta gedreht. „Sie haben großartige Arbeit dabei geleistet, das Langley Center nachzubilden“, sagt Barry.

icon_cookie

Um diese Inhalte zu sehen, akzeptieren Sie bitte unsere Cookies.

Cookies verwalten

Wenn wir im Film zum ersten Mal auf Johnson, Vaughan und Jackson treffen, sind sie als sogenannte Rechner bei der NASA angestellt. Rechner führten damals komplexe mathematische Berechnungen aus, um die Arbeit der männlichen Ingenieure und Wissenschaftler zu unterstützen. Während der 60er arbeiteten sie am Projekt Mercury – dem ersten Programm zur bemannten Raumfahrt, das einen Mann in den Erdorbit schicken und wieder zurück bringen sollte.

„Im Zweiten Weltkrieg sagte Präsident Roosevelt, dass es wichtig sei, mehr afroamerikanische Frauen für die Kriegsanstrengungen arbeiten zu lassen“, erklärt Barry. „Also hat die Führung in Langley trotz kultureller Vorurteile diese Frauen als Rechnerinnen und Mathematikerinnen angestellt. Sie haben die Erwartungen übertroffen und die Situation änderte sich.“

Die Menschen hielten die NASA für merkwürdig und exzentrisch. Also konnte sie auch „merkwürdige“ Dinge tun, etwa afroamerikanische Frauen für halbprofessionelle Aufgaben einstellen

Bill Barry, Chefhistoriker der NASA

In der Tat war die NASA einer der wenigen Arbeitgeber jener Zeit, die bereit waren, afroamerikanische Frauen einzustellen. Der Grund? Die Raumfahrtbehörde war „ein Himmel für Nerds“, wie Barry es ausdrückt. „Menschen aus dem ganzen Land kamen zusammen, weil sie sich für Luft- und Raumfahrt interessierten. Viele von ihnen kamen nicht aus dem Süden. Also war die Atmosphäre im Langley Center ganz anders als sonst in der Gegend“, erzählt der Historiker. „Die Menschen in Hampton hielten die NASA-Mitarbeiter für merkwürdig und exzentrisch. Also konnten sie auch „merkwürdige“ Dinge tun, etwa afroamerikanische Frauen für halbprofessionelle Aufgaben einstellen. So etwas wäre in anderen Unternehmen in Virginia nie passiert.“

Die Barrieren durch Rassismus werden im Laufe des Films Stück für Stück abgetragen, als die Frauen anfangen, mehr als nur Rechnerinnen zu sein. In einer der Schlüsselszenen zerstört Johnsons Vorgesetzter Al Harrison (Kevin Costner) das Schild mit der Aufschrift „Toilette für Farbige“. Ein Symbol für den Kampf gegen Vorurteilen gegenüber schwarzen Menschen bei der NASA – und leider keine ganz wahrheitsgetreue Darstellung der Behörde zu dieser Zeit. „Im Film ist das ein großartiger Moment. Allerdings fällt er unter künstlerische Freiheit“, sagt Barry. „Der Film nimmt sich eine Reihe von Ereignissen, die in den 1950er Jahren passiert sind und verschiebt sie in die 60er, um die Geschichte wirkungsvoller zu erzählen.“

Auch wenn Schwarze in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts tatsächlich getrennte Toiletten und Essenssäle benutzen mussten, wurde die Segregation bei der NASA in den späten 1950er Jahren fast vollständig abgeschafft. Als Teil der US-Regierung arbeitete die NASA schon früh an der Aufhebung der Rassentrennung. Allerdings eher still und heimlich, um gegenüber der Bundestaatsregierung von Virginia kein allzu großes Aufsehen zu erregen. „1961 bis 62, also zur Zeit, als der der Film spielt, waren die physischen Merkmale der Rassentrennung in Langley schon abgeschafft“, sagt Barry. Trotzdem wurden die Frauen immer noch mit einer Menge Rassismus und Diskriminierung konfrontiert, gegen die sie noch Jahrzehnte ankämpften.

Mary Jackson, gespielt von Janelle Monae, wurde die erste afroamerikanische Ingenieurin bei der NASA. Doch sie fühlte sich in den 1970er Jahren gezwungen, die Behörde zu verlassen, weil Frauen nicht die Aufstiegschancen bekamen, die ihnen zustanden. „Sie gab ihren Job als Ingenieurin auf, um sich in Langley für Gleichberechtigung einzusetzen. Sie nutzte ihre mathematischen Fähigkeiten um zu zeigen, dass Frauen statistisch gesehen tatsächlich weniger Chancen auf Beförderung hatten als Männer“, erzählt Barry. „Sie hat es tatsächlich geschafft, durch ihre Forschung das Beförderungssystem in Langley und der ganzen NASA zu verändern.“ Jackson verstarb 2005.

Sie hat es geschafft, durch ihre Forschung das Beförderungssystem bei der NASA zu verändern

Bill Barry, Chefhistoriker der NASA

Dorothy Vaughan, gespielt von Octavia Spencer, entwickelte sich von der Rechnerin zur Programmiererin, als IBM-Computer Einzug in die NASA hielten. Sie wurde die erste afroamerikanische Supervisorin in der Behörde und arbeitete dort bis in die 1970er Jahre. Sie verstarb im Jahr 2008.

Katherine G. Johnson, gespielt von Taraji B. Henson, arbeitete bei NASA bis in die 1980er Jahre als Analytikerin. Sie war als Wissenschaftlerin an den Apollo-Missionen 11 und 13 beteiligt. 2015 verlieh ihr Präsident Obama die Presidential Medal of Freedom. Ein Jahr später wurde ihr die Katherine G. Johnson Computational Research Facility in Langley gewidmet. Bill Barry traf Johnson, die heute 98 Jahre alt ist, bei der Premiere von Hidden Figures in Hampton. „Sie ist ein echtes Original. Sie hat, wie meine Mutter gesagt hätte, noch alle Tassen im Schrank – sie ist immer noch sehr scharfsinnig“, erzählt er.

Weil der Film zeigt, welchen positiven Beitrag die drei Frauen und andere geleistet haben, war die NASA gern bereit, die Produktion zu unterstützen. „Wir sehen es als Teil unserer Botschaft, dass wir eine Organisation sind, die talentierten Menschen eine Chance gibt – egal wie sie aussehen.“

Wir sind noch weit von einer 50-prozentigen Repräsentation entfernt. Die Verteilung spiegelt nicht die Fähigkeiten der Menschen wieder

Bill Barry, Chefhistoriker der NASA

Doch trotz der Bemühungen, für eine Belegschaft zu sorgen, die so vielfältig ist wie die US-Bevölkerung, hat die NASA Probleme, genug Frauen und Menschen verschiedener Hautfarbe einzustellen. „Wir sind noch weit von einer 50-prozentigen Repräsentation von Frauen entfernt. Und das hat nichts mit den Fähigkeiten zu tun. Dasselbe gilt für afroamerikanische Menschen und eine große Zahl an Minderheiten. Die Verteilung spiegelt nicht die Fähigkeiten dieser Menschen wieder.“

Hidden Figures war in den USA ein voller Erfolg. Am Startwochenende überholte er in den USA Rogue One: A Star Wars Story und erhielt drei Oscar-Nominierungen: für den besten Film, das beste adaptierte Drehbuch und die beste Nebendarstellerin für Octavia Spencer.

Genau der richtige Film also, um jeden zu ermutigen, an sich zu glauben. „Wir hoffen, dass durch den Erfolg des Films mehr Menschen Mathematik und Naturwissenschaften studieren werden“, sagt Bill Barry. „Er bestätigt, dass Frauen im Besonderen, aber auch Menschen jeglicher Herkunft und jeden Geschlechtes, basierend auf ihren Fähigkeiten von der NASA beachtet werden. Und wir brauchen alle möglichen Menschen, die uns in Zukunft helfen, zum Mars zu gelangen.“

WIRED.uk

Dieser Artikel erschien zuerst bei WIRED.uk
Das Original lest ihr hier.

GQ Empfiehlt
Wohnen auf einem Saturnmond? Natürlich!

Wohnen auf einem Saturnmond? Natürlich!

von Anna Schughart