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Hey, Eltern! Spielt doch auch einmal Fortnite

von Johnny Haeusler
Auch auf der aktuellen Gamescom ist das Spiel eines der heißen Themen: Fortnite stellt viele bisherige Video Games in den Schatten, was den Mitmachdrang auch junger Spielerinnen angeht. Unser Kolumnist Johnny Haeusler stellt dabei eine neue Digitalsorge bei Eltern fest und versucht hier, ihnen diese zu nehmen.

„Ich finde das so furchtbar, die spielen jetzt alle dieses neue Spiel, das ist die totale Sucht, und schon wieder ballern die sich die ganze Zeit nur ab!“

Bei uns im Bekanntenkreis sind meine Frau und ich diejenigen, bei denen sich Eltern Beruhigung oder Rat abholen, wenn digitale Lebens- und Spielwelten die Kinder vermeintlich zu sehr in Beschlag nehmen. Vor sechs Jahren haben wir daher den allgemeinen Ratgeber Netzgemüse – Aufzucht und Pflege der Generation Internet geschrieben, der inzwischen natürlich wegen vieler neuer Entwicklungen ein Update vertragen könnte. Doch die grundsätzlichen elterlichen Sorgen sind noch immer die gleichen, wenn ihre Kinder am Monitor oder Smartphone kleben.

Ich selbst habe leicht Tippen, denn unsere Söhne sind jetzt 16 und 19 Jahre alt, wir haben das Gröbste überstanden (allerdings denke ich das seit vielen Jahren, kann mich also irren). Der Ältere ist in der Ausbildung und hat eine Freundin, somit also eher selten Zeit für lange Game-Sessions, der Jüngere daddelt so oft, wie er Sport macht und sich mit seinen Freunden trifft, insofern sorge ich mich bei beiden nicht um Vereinsamung oder zu wenig Bewegung.

Eigentlich ging es mir aber fast immer so, dass ich mich nicht gesorgt habe. Als die Kinder noch ganz klein waren, also im einstelligen Alter, saßen sie sowieso nicht allein am Rechner und hatten auch kein eigenes Smartphone, später konnte man nach und nach „die Zügel lockern“. Natürlich gab es dann trotzdem auch bei uns Streit um „Monitorzeiten“, aber da muss man durch als Eltern, das ist unser Job. Auch, eben manchmal schlicht „Nein“ zu sagen, wenn wir das für nötig halten, und nicht alles endlos zu diskutieren.

Dennoch war es mir neben den nötigen Beschränkungen in einem gewissen Alter immer am wichtigsten, zu wissen, „was“ die Jungs am Rechner machten. Das beeinflusste schließlich auch, wie lange sie das taten und ob ich das in Ordnung fand oder eben nicht. Und ich kann den Spaß und die Faszination vieler digitaler Spielmöglichkeiten einfach gut nachvollziehen.

So geht es mir auch mit den neuen Eltern-Aufregern im Games-Bereich, derzeit dürfte das vor allem Fortnite (oder genauer: Fortnite Battle Royale) sein.

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Das Spiel mit dem Sturm

Fortnite ist – mal wieder – ein völlig eigenes Phänomen. Das Grundprinzip stammt aus der Film- und Buchreihe Hunger Games ebenso wie dem japanischen Kultfilm Battle Royale. Im Game (eine Runde dauert im Schnitt etwa 30 Minuten, es kann etwas schneller gehen, aber auch länger dauern) springen bis zu 100 Spielerinnen, die dann tatsächlich alle irgendwo auf der Welt vor ihrem Computer, der Konsole oder am Smartphone sitzen, aus einem Fluggerät auf eine fiktionale Insel ab. Dort geht es dann ums Überleben, denn nur eine mitspielende Person (oder, je nach Spielmodus, ein Team) kann gewinnen.

Verschiedene Materialien zum Bau von Verteidigung und Schutz müssen gefunden und clever und schnell eingesetzt werden, diverse Waffen natürlich auch, und dann geht das Gebaue, Gerenne und Geballere los. Da die Insel durch einen Sturm immer kleiner wird, erhöht sich nach und nach die Wahrscheinlichkeit, auf andere Mitspielende zu treffen (falls man noch am Leben ist), bis es am Ende eben den oder die Gewinner oder Gewinnerinnen gibt. Dann geht’s bei Bedarf an in die nächste Runde.

Und: Das Ganze macht wahnsinnigen Spaß. Das liegt einerseits daran, dass Fortnite wie die meisten erfolgreichen Spiele ein sehr leicht verständliches Grundprinzip verfolgt, aber durch zahlreiche Feinheiten, besondere Herausforderungen und lernbare „Skills“ erst richtig interessant wird. „Learning by Playing“ heißt der Zauberbegriff, den man sich auch in Schulen in der praktischen Umsetzung wünscht: Alle können sofort mitmachen, aber erst Übung macht die Meisterin. Wie im echten Leben.

Außerdem ist die Mischung aus Adrenalin-Ausstoß (es ist wirklich spannend, wenn man auf der Insel auf andere Spielerinnen trifft), nötiger Erfahrung und geringem Frustrationsgrad perfekt. Es ist ärgerlich, wenn man nicht gewinnt, aber auch nicht so schlimm, weil eben die allermeisten anderen auch nicht gewinnen. Es geht in erster Linie ums Spielen.

Vor allem aber ist Fortnite im Gegensatz zum mehr oder weniger offiziellen Vorbild PlayerUnknown’s Battlegrounds (kurz: PUBG, ausgesprochen „Pub-G“, also „Papp-Djie“) in einer Comic-Ästhetik gehalten. Das „Töten“ der gegnerischen Figur ist lange nicht so drastisch dargestellt wie in Ego-Shootern für erwachsene Spielerinnen, weshalb Fortnite auch ab 12 Jahren empfohlen werden kann. Zudem ist das Game mit albernen und für den Spielverlauf eigentlich völlig sinnlosen, aber äußerst unterhaltsamen Details angereichert. Eigene Tänze und Gesten beispielsweise, die man mit seiner Spielfigur zeigen kann, haben Kultstatus erreicht und werden mittlerweile von jubelnden Fußballspielern zelebriert.

Spielt doch einfach mit!

Ganz wichtig und maßgeblich für den massiven Erfolg des jungen Games, das mittlerweile 125 Millionen Spielerinnen weltweit angezogen hat: Ebenfalls im Gegensatz zu PUBG, das man für rund 15 Euro kaufen muss, ist Fortnite völlig kostenlos. Dass der Hersteller Epic Games trotzdem in wenigen Monaten eine Milliarde (!) und allein im Mai 2018 über 300 Millionen US-Dollar eingenommen hat, liegt an den im Spiel kaufbaren Gegenständen. Spezielle Materialien, Ausrüstungen, Waffen oder auch Tanzbewegungen lassen sich für wenige Cent oder Euro dazu kaufen - ohne dass diese einen echten Einfluss auf das Spiel haben. Es sind rein kosmetische und natürlich völlig virtuelle, also nur im digitalen Spiel existierende Gegenstände, für die es ebenfalls einen florierenden Tausch- und Handelsmarkt gibt, denn selbstredend werden auch Gegenstände von besonderem Wert oder mit limitierter Verfügbarkeit veröffentlicht.

Wer das merkwürdig findet, sollte mal einen Blick in den eigenen Kleiderschrank, das Bad oder die Küche werfen: Wie viel Geld geben wir aus für Dinge, die wir nicht wirklich brauchen, die allein der eigenen Individualisierung gelten? Dass unsere Kinder dies auch in digitalen Lebens- und Spielräumen tun, ist nur konsequent – zumal ich behaupten möchte, dass es in Wirklichkeit größtenteils die Erwachsenen sind, die in Spielen Geld ausgeben.

Das Prinzip Kapitalismus macht nun einmal (gerade) vor Videospielen nicht Halt. Selbst, wenn sie kostenlos spielbar sind. Und irgendwie müssen Entwicklung, Betreuung und technische Kosten schließlich auch finanziert werden, bei allem Spaß wollen Spieleentwickler auch Geld verdienen. Das ist aber auch in der Teddybär-Industrie so.

Ich habe trotzdem den Eindruck, dass die meisten jungen Spielerinnen ohne zusätzliche Kosten spielen und dabei eher geringem sozialem Druck unterliegen, das zu ändern. Und das ist für den dauerhaften Erfolg des Spiels auch wichtig. Das Netz ist schnell, und sobald sich Unmut bei den Spielerinnen breit macht, kann die Stimmung schnell umschwenken, neue Spiele sind schließlich nur einen Klick entfernt. Auch wenn sich die Fortnite-Konkurrenz PUBG sicher nicht um schwindende Umsätze sorgen muss, gibt es viele kritische Stimmen zu den In-Game-Kaufanreizen des Spiels – die Zukunft wird zeigen, ob dies tatsächlich Auswirkungen auf den Erfolg des Games hat.

Um auf die Sorgen der Eltern zurückzukommen: Bei Fortnite steht der Spaß im Vordergrund, das Game ist toll gemacht, schnell und herausfordernd und hat damit natürlich auch ein gewisses Suchtpotential, genauso wie jedes wirklich gute Spiel von Monopoly über Minecraft bis League of Legends. Dennoch bieten gerade diese Games gute Möglichkeiten, um gegebenenfalls Grenzen zu setzen (wenn „nur noch eine Runde“ mehr als 60 Minuten dauert, sollte man halt mal intervenieren, wenn nötig) und wie immer gilt: Spielen Sie doch einfach mal ein paar Runden mit. Um mitreden zu können, um den Spaß zu verstehen, um vor allem aber zu erkennen: Es ist nur ein Spiel.

Johnny Haeusler

Johnny Haeusler

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