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Health-Special: Künstlich intelligente Gesundheitshelfer überwachen uns

von Bernd Skischally
Gesundheitshelfer erlauben uns, den Körper immer zu beobachten. Denn wenn etwas wehtut, kann es schon zu spät sein. 

Das Ende kommt plötzlich, ganz ohne Warnung: Herz­infarkt – da kann man nichts machen. So denken viele über Herz-Kreislauf­-Erkran­kungen, die mit Abstand häufigste Todesursache in Deutschland. Dabei gibt es sehr wohl Vorzeichen, meis­tens in Form winziger Veränderungen an dem sensiblen Organ. Allerdings: Wer sie erkennen will, muss sich regelmäßig von einem Herzspezialisten untersuchen lassen – das ist teuer und kompliziert. Bislang jedenfalls.

Kilian Koepsell hat sich vorgenommen, das zu ändern. Schon bald, glaubt er, könnte jeder von uns das Herz selbst überwachen – dank künstlicher Intelligenz und erschwinglicher Messgeräte. Zusammen mit seinem Team entwickelt der in Deutschland geborene Informatiker, der an der Uni Berkeley in Kalifornien forscht, lernfähige Bilderkennungs-Software. „In jüngster Zeit haben sich die Algorithmen rasant verbessert“, erzählt Koepsell. Selbst feine Muster könne die Software neuerdings unterscheiden.

Bei Symptomen ist es oft schon zu spät, gerade bei Herzdefekten. Hätten wir mehr Bilddaten, könnte man viele Leben retten.“

Kilian Koepsell

Das macht es möglich, Veränderungen an Organen automatisch zu erkennen. Kombiniert mit mobilen Ultraschallgeräten, wie sie beispielsweise das französische Startup Oscadi entwickelt, ließe sich die Vorsorge vom Arztzimmer in die eigene Wohnung verlegen, argumentiert Koepsell – mit der Aussicht, Erkrankungen wesentlich früher zu erkennen. „Behandelt wird heute meistens erst, wenn man irgendwelche Symptome hat“, sagt er. „Gerade bei Herzdefekten ist es da aber oft schon zu spät. Hätten wir mehr Bilddaten, die sich einfach auswerten lassen, könnte man viele Leben retten.“

Koepsells Idee liegt im Trend. Während er mit seinem Startup Bay Labs daran arbeitet, eine medizinische Zulassung für die KI-gestütz­te Vorsorge zu bekommen, entwickelt sich das digitale Vermessen und Auswerten von Körpersignalen zum Massenphänomen: Weltweit nutzt laut Marktforscher GfK bereits jeder Dritte einen Fitnesstracker oder eine Gesundheits-App.

Das freut nicht zuletzt die Krankenkassen: „Digitale Assistenzsysteme bieten die Möglichkeit, die Hürde zu mehr Bewegung zu überwinden“, hofft etwa die AOK Nord­ost und berichtet, in einer Umfrage hätten 55 Prozent der befragten Versicherten „explizites Inter­esse“ an Geräten zur Sportunterstützung gezeigt. Über das tatsächliche Nutzungsverhalten dürfen gesetzliche Krankenversicherungen keine Auskunft verlangen. Einige private Versicherer dagegen belohnen Nutzer von Fitnesstrackern bereits mit günstigeren Tarifen, wenn sie einen gesünderen Lebensstil nachweisen.

Allerdings zeigt sich trotz anfänglicher Begeisterung immer wieder, dass viele Tracker nach kurzer Zeit unbeachtet in der Ecke landen – der innere Faulpelz war stärker. Zudem ist auf Mess­ergeb­nis­se, die Consu­mer-Geräte liefern, oft kein Verlass. Als die Stiftung Wa­ren­test unlängst Kopfhörer untersuchte, die im Ohr sitzen und beim Joggen auch den Pulsschlag erfassen sollen, fielen alle Kandidaten durch: zu ungenau.

„Es gibt mittlerweile so viele Geräte und Apps, dass ein qualifiziertes Siegel für medizinisch verlässliche Angebote notwendig wäre“, sagt Christian Hofmann vom Fraun­hofer Institut. Unter seiner Leitung entwickelte ein Forscherteam in Erlangen eine Weste zum kontinuierlichen Monitoring der Herz- und Atemfunktionen. Das Projekt bildete die Grundlage für das neue Fit­ness-Shirt der Firma Ambiotex.

Mit 170 Euro kostet das Hemd zwar deutlich mehr als viele herkömmliche Fitness­tracker, verspricht aber auch weit präzisere Resultate, weil die Sensoren in das Gewebe eingearbeitet sind und direkt auf der Haut liegen.

„Die Grenze zwischen Freizeitnutzen und Wert für die Gesundheit verläuft an der Stelle, an der man Daten für eine ärztliche Diagnose verwenden will“, sagt Hofmann. Viele Lifestyle-­Produkte mögen bisher an diesem Test scheitern, doch eine wachsende Zahl an digitalen Gesundheitshelfern schafft es mittlerweile, den Körper so präzise zu beobachten, wie es früher nur mit teuren Spezialgeräten in der Arztpraxis möglich war.

Plötzlich können Diabetes-­Patienten auf ein System wie das MiniMed 670G vertrauen, das sie bei Bedarf automatisch mit Insulin versorgt. Stressgeplagte behalten mit dem Em­pa­tica-­Armband ihr Nervensystem im Blick. Und zur Prüfung des Herzschlags genügt bereits Preventicus Heart­beats, eine Handy-App.

Die Software aus Jena verwendet Kamera und Blitzlicht, um Nutzern durch die Fingerkuppe hindurch auf den Puls zu fühlen – so genau, dass die App eine CE-Zer­tifizierung für Medizinprodukte bekam. Schließlich geht es um mehr als Schritte­zählen: Herzrhythmusstörungen können Vorboten eines Schlaganfalls sein.

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