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Happy Birthday, Google! Ich bin gespannt auf deine Nachfolger!

von Johnny Haeusler
Unser Kolumnist Johnny Haeusler gratuliert Google zum 20. Geburtstag. Er blickt dabei mit einer Mischung aus Faszination und Grusel auf die Produkte des Internet-Giganten – und bleibt gespannt auf die Nachfolger.

Google feiert seinen 20. Geburtstag und ich gratuliere herzlich! Weltbeherrschung innerhalb von zwei Jahrzehnten – das muss man erstmal hinbekommen. Ich zumindest habe das nicht geschafft.

Sarkasmus beiseite: Ich schätze, mir geht es mit Google ähnlich wie sehr vielen anderen Menschen, die im Netz aktiv sind. Auf der einen Seite sind da – neben der Suchmaschine, die die Online-Welt verändert hat – viele wirklich großartige Dienste und Werkzeuge: von Gmail über den Google-Kalender, von der unschlagbar günstigen G Suite für Unternehmen bis zu Google Docs fürs kollaborative Arbeiten. Und da ist andererseits das Geschäftsmodell, das auf dem Verkauf von Werbung basiert – und dem die Sammlung und die Verknüpfung von Daten zugrunde liegen, die wir uns… nun ja, vor rund zwei Jahrzehnten eben nicht hätten ausmalen können.

Hinzu kommt der mobile Bereich des Internet, in dem nicht nur die oben erwähnten Google-Dienste zum Einsatz kommen, sondern gleich ein ganzes Betriebssystem. Android eben, das mobile OS, das ein Wunder vollbracht hat. Denn nicht nur viele „Normalverbraucherinnen“, sondern auch die meisten Nerds, die ich kenne, nutzen und bevorzugen Android, obwohl Google ansonsten in ihren Kreisen oft als „böse“ angesehen wird. Doch selbst die einzige wirkliche Konkurrenz auf dem Smartphone-Markt, Apples iOS nebst iPhones und iPads, kommt nicht annähernd auf die weltweite Verbreitung heran, welche die günstigeren Android-Geräte erreicht haben.

Natürlich ist Google nicht alternativlos.

Man kann das alles gleichermaßen faszinierend wie gruselig finden. Wer einmal gesehen hat, wie viel Spaß die Großeltern mit einem frisch gekauften Android-Phone (ihrem ersten Kontakt mit dem Internet) und dem dazugehörigen Google-Account haben, bei dem sie so ahnungs- wie sorglos von Sprachsteuerung bis konstanter Erhebung ihrer Standortdaten quasi alle Möglichkeiten ausschöpfen, entscheidet sich vielleicht eher fürs Gruseln. Gleichermaßen ergeht es Eltern, die ihren Nachwuchs quasi an das zu Google gehörende und zum Defakto-Standard gewordene Videoportal YouTube nebst zweifelhafter Empfehlungsmechanismen geklebt sehen. Wer allerdings einmal selbst irgendwo in der Welt unterwegs war und dabei auf die Vorteile und Qualität von Google Maps oder anderer Diensten angewiesen war, kann sich der Faszination Google einfach nicht erwehren.

Natürlich ist Google nicht alternativlos. Wir können uns mit DuckDuckGo im Netz umsehen, statt mit Google. Wir können statt Gmail Anbieter wie Mailbox, Protonmail oder Posteo nutzen (und dabei sogar verschlüsselt kommunizieren). Für Karten gibt es die OpenStreetMap, und der bisher noch gar nicht erwähnte Chrome von Google ist nicht der einzige Browser der Welt.

Die sinnvolle Verknüpfung von Funktionen ist auch eine „Falle“

Doch abgesehen von den (meist geringen) Kosten, die bei anderen Anbietern anfallen können, sind es die gute bis sehr gute Integration aller Dienste sowie die durchaus sinnvollen Funktionsverknüpfungen, welche die Nutzung von Google-Produkten so einfach und bequem und damit für den Alltag sinnvoll machen. Und die gleichzeitig natürlich auch die „Falle“ sind. Wer einmal versucht hat, die bei Google gehosteten Unternehmensstrukturen von Mail über Kalender bis zur Dokumentenverwaltung wieder zurück zu anderen Anbietern oder Werkzeugen zu bekommen, weiß, wovon ich spreche.

Google bleibt ein geradezu für das moderne Leben sinnbildliches Dilemma. Wir wissen, dass etwas in der Produktionskette nicht stimmen kann, wenn ein T-Shirt fünf Euro kostet, und kaufen es unter Umständen dennoch, weil wir gleichzeitig zu selten wissen, ob die Produktionskette bei einem 50-Euro-Shirt besser oder nicht sogar die gleiche ist. Wir wissen, dass die Bahn die umweltfreundlichere Wahl ist, und wir fliegen dennoch von München nach Hamburg: Geht schneller, kostet weniger. Und wir wissen eben auch, dass Google unser digitales Leben aufzeichnet und uns mit mehr oder weniger passender Werbung auf allen Kanälen befeuert … aber meine Güte, das ist schon alles wirklich gut gemacht und kostet ja für Privatpersonen auch nichts.

Eine kleine Entschärfung dieses Dilemmas kann die aufmerksame Betreuung des eigenen Google-Accounts sein, das Abschalten bestimmter Funktionen, das regelmäßige Löschen bereits angefallener Daten. Viele Einstellungen zur Kontrolle der eigenen Daten, viele Überprüfungsmöglichkeiten bietet Google tatsächlich an, doch Spaß machen solche Routine-Tätigkeiten nicht, denn sie beinhalten sehr viele nötige Klicks, bei denen man sich auch gerne mal „verirrt“ und genervt aufgibt. Was sicher auch Methode hat.

Der Traum vom „europäischen Google“

Eine bessere Lösung wären mehr ähnlich gut integrierte und umgesetzte Dienste zur Auswahl, die vielleicht sogar mit anderen Geschäftsmodellen arbeiten, doch das dürfte ein kostspieliges Unterfangen sein – das alle drei Monate noch teurer und aufwändiger werden würde. Denn Google schläft nicht und entwickelt die Produkte und ihre Verstrickung miteinander selbstverständlich immer weiter. Dabei werden hin und wieder allerdings auch komplett neue Produkte entstehen, die auf dem Markt keinen Fuß fassen können und wieder eingestampft werden. „Google+“ sei als ein Beispiel genannt.

Und dann ist ja da auch noch der Traum vom „europäischen Google“ als Konkurrenz zur kalifornischen Dominanz, bei der sich aber auch nicht alle ganz einig sind. In der Theorie bleibt die Vorstellung natürlich prima: Ein auf europäischen Datenschutzgesetzen basierender, umfassender Dienst, der Privatsphäre garantiert, könnte toll sein – mögliche politische Daten-Begehrlichkeiten mal außenvor gelassen. Das technische Know-how sollte in Europa auch locker vorhanden sein. Die Finanzierung wäre vielleicht sogar mit einer Mischung aus öffentlichen und privaten Geldern zu stemmen.

Ein „europäisches Google“ dürfte Google nicht einfach kopieren, sondern müsste besser sein, drei Schritte weiter eben.

Doch so viele Nachahmer-Produkte es auch zwischendurch mal geschafft haben: Die Internet-Wirtschaft funktioniert sehr oft sehr anders. Nämlich durch die Lösung für ein Problem, dessen wir uns im Moment noch gar nicht bewusst sind. Ein „europäisches Google“ dürfte Google nicht einfach kopieren, sondern müsste besser sein, drei Schritte weiter eben. Und dass das in einem Zusammenschluss vieler europäischer Beteiligter klappen könnte … das bezweifle ich.

Dennoch bin ich sicher: Es werden Google-Nachfolger kommen, die vermutlich nicht die gleichen Dienste, sondern ganz andere anbieten, auf der Basis völlig neuer Geschäftsmodelle. Und wie das genau aussehen wird, wissen wir jetzt ebenso wenig, wie wir vor über 20 Jahren mit Google gerechnet haben.

Johnny Haeusler

Johnny Haeusler

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