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Google Pixel 3 und iPhone XS: Wo bleiben die neuen Wow-Effekte und was hat KI damit zu tun?

von Johnny Haeusler
Unser Kolumnist Johnny Haeusler hat sich das neue Pixel-3-Smartphone von Google angeschaut und es hat ihm ganz gut gefallen. Auch das iPhone mag er. Aber so richtig beeindrucken können ihn die neuen High-End-Geräte nicht mehr. Das nächste große Ding wird aus seiner Sicht mit Künstlicher Intelligenz zusammenhängen.

Traditionell und logischerweise gehört das Weihnachtsgeschäft zur umsatzstärksten Zeit für Technologieunternehmen, und so bringt uns das Endes des Jahres tolle und auch nicht so tolle Keynotes, also Produktankündigungen der Hersteller. Erneut haben auch 2018 die neuen Versionen der iOS- und Android-Flaggschiffe für viel Aufmerksamkeit bei Technologienerds gesorgt, allen voran die neuen und ungewöhnlich kompliziert benannten iPhones („XS“, „XS Max“ und „XR“) und die Watches der vierten Generation von Apple, sowie die dritte Version des Google Pixel – „Pixel 3“ und „Pixel 3 XL“.

Ich selbst bin eher im Apple-Universum verhaftet, nutze Android aber parallel und hatte immer meine Einwände in Sachen Haptik und Bedienbarkeit bei den meisten der auf dem Google-Betriebssystem basierenden Geräte. Das Pixel 2 hatte das jedoch bereits etwas geändert, das Pixel 3 überzeugt nun vollends.

In Sachen Haptik steht der Handschmeichler (mir liegt das kleinere der zwei neuen Geräte vor) in absolut nichts einem iPhone nach. Ein Pixel 3 fühlt sich mindestens so gut und hochwertig an wie ein iPhone XS, beide Smartphones haben in etwa die gleiche Größe und liegen auch ohne Schutzhüllen gut in der Hand. Am wichtigsten bei der Google-Hardware ist aber die installierte, „saubere“ Android-Version. Während andere Hardware-Hersteller, deren Geräte auf Android setzen, zusätzliche Designs und eigene Software vorinstallieren und dabei für mehr Verwirrung, weitere anzulegende Nutzerinnenkonten und für nötige Anpassungen sorgen, setzt Google auf ein „nacktes“ und vor allem immer aktuelles Android-System. Zudem sorgt sicher die enge Verknüpfung von Hardware und Software für ein flüssiges und schnelles Handling, ich kenne kaum ein Android-Phone, das sich ähnlich „snappy“ bedienen lässt wie das Pixel 3.

Und während sich YouTube-Videos und lange Artikel mit Vergleichen der Kameras und Fotoqualität der aktuellsten Apple- und Google-Phones beschäftigen und dabei den ein oder anderen Gewinner küren wollen, bleibt mir an dieser Stelle nur ein Achselzucken. Denn es gilt: Für sein Geld erhält man in jedem Fall unglaubliche Qualität, und der Rest ist Geschmacksache. In meinen Augen liefert das Pixel 3 etwas mehr Kontrast, manche behaupten auch, es läge bei dunklerer Umgebung vorn, während ich die Gesamtbalance und die Farben des iPhone XS bevorzuge. Doch all das werden andere Nutzerinnen völlig anders bewerten und am Ende machen wir alle einfach qualitativ ziemlich hochwertige Fotos mit einer Glasscheibe.

Die Spitze der aktuell möglichen Entwicklung scheint erreicht

Wer vor der Wahl eines neuen Smartphones steht, hat im Herbst 2018 also nicht nur mit den Geräten von Google und Apple die Auswahl zwischen absoluter Top-Hardware, die in vielen Fällen technologisch wahrscheinlich den Schreibtisch-Rechnern überlegen sind, an denen wir täglich sitzen. Die Entscheidung ist letztendlich eine emotionale und eine für oder gegen das eine oder andere Ökosystem. Wer wirklich noch qualitative Unterschiede sucht, betreibt Haarspalterei.

Hinzu kommt: Alle genannten Geräte sind im Grunde „nur“ leicht verbesserte Versionen ihrer Vorgänger aus dem letzten Jahr, wer also sparen will oder muss, ist auch mit der jeweils älteren Generation hervorragend bedient und kommt günstiger an sehr gute Hardware. Und damit kommen wir auch endlich zum Kern dieses Artikel und der Frage, wo das alles noch hinführen soll. Und kann. Denn die Spitze der aktuell möglichen Entwicklung scheint erreicht. Wir verwalten unsere sozialen und geschäftlichen Kontakte und Termine, verfassen und beantworten Emails, finden den kürzesten Weg zum nächsten Restaurant oder Arzt, lesen jedes Buch und hören jeden Song der Welt und machen Fotos mit einem Kleincomputer in unserer Hand, der leichter und flacher ist als ein Taschenbuch.

Aber: Wie viel besser können Kameras mit einer Linse von zwei Millimeter Durchmesser noch werden? Wie schlau können Algorithmen sein, die in beiden erwähnten Geräten zwar ordentlich im Hintergrund ackern, bei der Fotografie letzten Endes aber auch immer nur mit dem vorhandenen Licht arbeiten können? Wie viel schneller als „ohne Verzögerung“ können Smartphone-Screens auf unsere Eingaben reagieren? Und was nützen wenige Millisekunden schnellere WLAN-Chips, wenn wir sowieso auf die Server warten müssen, bevor sich eine Website öffnet?

Die Entwicklung smarter Geräte ist an einem Punkt angekommen, an dem uns ein neues iPhone oder Pixel einfach nicht mehr vom Hocker reißen kann. Die nächsten Aha- und Wow-Effekte und darüber hinaus auch die nächsten Technologien mit ähnlich lebensverändernden Effekten wie Smartphones werden daher in neuen Funktionen liegen, und diese werden auf komplett andere Hardware setzen.

Wird Sprachsteuerung das nächste große Ding?

Derzeit scheinen Verkaufszahlen darauf hinzuweisen, dass Voice-Control, also die Steuerung von Computern per Spracheingabe, das nächste große Ding ist. Alexa, der Google Assistant, Cortana und Siri streiten um die Vormacht, doch ich glaube, die Einsatzbereiche dieser Technologie, die ich als „Single Tech“, also „Technologie für Singles“ bezeichne, sind begrenzt. Familien oder andere Gemeinschaften auch im beruflichen Umfeld, die eigene und gemeinsame Geräte per Sprache steuern, erscheinen mir als nicht sonderlich fortschrittlich. Sprachsteuerung hat sinnvolle Einsatzgebiete, bspw. in Fahrzeugen, aber die Vorstellung, dass die Reisenden in der Bahn mit ihren Geräten sprechen, ist in meinen Augen und Ohren eine höchstens belustigende.

Auch die seit Jahren anhaltende Fokussierung der Hersteller auf VR- und AR-Anwendungen hat mich noch nicht überzeugt. AR-Spiele auf dem Smartphone sind technisch beeindruckend, Spaß machen sie aber noch nicht. Und auch „erwachsene“ VR-Games überzeugen eher auf der „Irre, was heutzutage alles möglich ist“-Ebene, weniger durch tatsächlich fesselnde Spiele, in denen man stundenlang versinken kann. Was aber nicht zuletzt an der noch immer recht schweren und umständlichen und vor allem isolierenden und bei manchen Menschen Schwindelgefühle auslösenden Hardware liegt. Sobald eine Art „Google Glass“ als kleines Add-on auf dem Markt ist, das man sich an jede x-beliebige Brille klemmen kann und einen nicht wie ein Volltrottel aussehen lässt, wird sich das ändern. Und in diesem Moment erhalten auch unsere Smartphones eine völlig neue Rolle, die Apple Watch und andere smarte Uhren weisen den Weg: Das Smartphone ist dann der leistungsfähige Computer in der Hosen- oder Handtasche, die Watch oder das AR-Brillen-Add-on wird zum „Companion“ davon, also zur reinen Ein- oder Ausgabe-Technologie.

Ob eine Gesellschaft, die sich nach einem Smartphone-Jahrzehnt erstmal noch mit den Auswirkungen dieser Technologie-Nutzung beschäftigt (die aktuellen Versionen der Marktführer iOS und Android behalten inzwischen verschiedene Möglichkeiten, die eigene Smartphone-Nutzung zu kontrollieren und auszuwerten) schon bereit ist für die nächsten Schritte, ist dabei fraglich, und mir scheint, als würden sich die Hersteller bewusst noch zurückhalten. Die Ideen sind vielleicht gut, doch die Welt noch nicht bereit. Dennoch: Kommen werden smarte Brillen und andere neue „persönliche“ Technologien, daran besteht kein Zweifel.

Assistenzsysteme, die für uns arbeiten

Und auch generelle Funktionserweiterungen, beinahe unabhängig von den genutzten Geräten, stehen vor der Tür. So möchte Android-Erfinder Andy Rubin bereits im kommenden Jahr eine neue Generation von smarten Assistenzgeräten vorstellen, die tatsächlich für uns arbeiten. Indem sie uns einfach gleich ersetzen und Emails und Sprachanrufe – z.B. für Hotelbuchungen – eigenständig durchführen – Künstliche Intelligenz soll dies möglich machen.

Und Amazons Alexa soll an unserer Stimm- und Tonlage nicht nur erkennen können, ob wir gelangweilt sind, sondern auch, wie es uns gerade gesundheitlich geht, um im Ernstfall zum Beispiel durch Anrufe bei Notdiensten nötige Schritte einleiten zu können. KI gilt also als Treiber tatsächlicher Innovation und wird es sicher auch sein. Die Zukunft bleibt somit spannend und stellt uns natürlich auch wieder vor neue Herausforderungen.

Als Smartphones in der aktuellen Form auf den Markt kamen, galt es zunächst, Computer mobil zu machen und Alltagsgegenstände wie Wecker, Kalender, Kameras, Büchereien, MP3-Player und Videoabspielgeräte inkl. Streamingfunktionen, die Rekorder überflüssig machten, zu fusionieren. Sehr wenig von dem, was ein Smartphone heutzutage kann, war uns vorher fremd, für beinahe alle Funktionen gab es ein Vorgänger-Äquivalent, oft auf dem Desktop-Rechner, manchmal aber auch in analoger Form. Ihre Verschmelzung und Digitalisierung auf kleinstem Raum war das Neue. Und die Tatsache, dass wir darin quasi rund um die Uhr versinken, das Überraschende und Herausfordernde.

Die nächste Generation von Geräten wird uns erstmals mit Funktionen konfrontieren, für die wir keine vorhergehenden Äquivalente kennen. Im Moment unterstützen uns digitale Helfer. Wenn sie uns in Zukunft ersetzen oder imitieren, wenn sie gar als virtuelle Abbilder von Teilen unserer Selbst miteinander kommunizieren, werden wir auch einer völlig neuen Debatte gegenüberstehen.

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