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Für Elektroautos und die Energiewende: Die schwierige Suche nach der Batterie der Zukunft

von Dominik Bardow
Warum leeren sich Akkus und Batterien eigentlich immer viel zu schnell? Genau dieser Frage gehen Wissenschaftler bei ihrer schwierigen Suche nach der Batterie der Zukunft nach. Um ins Innere der Energiespeicher zu schauen, nutzen sie auch die europäische Neutronenquelle in Grenoble, über die WIRED in einer Serie berichtet. Noch hat die Forschung keinen Durchbruch erzielt.

Der Akku ist alle. Handy, Kamera und Laptop sind aus, das Elektroauto springt nicht an. Ein Albtraum für die meisten Menschen. Für Helmut Ehrenberg wird es genau dann interessant, wenn die Batterie leer ist. Der Materialwissenschaftler pendelt mit seinem Elektroauto jeden Tag 220 Kilometer. Von seinem Wohnort Darmstadt zu seinem Arbeitsplatz, dem Karlsruher Institut für Technologie, kurz KIT. „Auch mit dem Ziel, die Batterie zu ermüden“, sagt Ehrenberg, „denn wir wollen ja untersuchen: Was passiert in einer ermüdeten Batterie?“

Wer an Akkus und Batterien denkt, der fragt sich meist: Warum halten die Dinger eigentlich nie so lange, wie man es gerne hätte? Die gleiche Frage stellen sich auch Forscher wie Helmut Ehrenberg. Nur mit wissenschaftlichen Methoden. „Wir schauen sozusagen in die Batterie rein, was beim Laden und Entladen genau passiert“, erklärt er seine Arbeit.

Nun sollte man meinen, dass Hersteller von Energiespeichern genau wissen, wie ihre Produkte funktionieren. Immerhin bastelte der Italiener Alessandro Volta schon im Jahr 1800 die erste Batterie. „Bis heute ist noch nicht jeder Prozessschritt verstanden“, gibt Ehrenberg zu. „Da ist noch viel Spielraum, um Batteriezellen zu verbessern.“ Verstehen und Verbessern ist das Ziel seiner Forschung. Wer wissen will, wie die Batterie der Zukunft aussieht, ist bei ihm an der richtigen Adresse. Denn das Thema Energiespeicherung wird immer wichtiger. Die Energiewende, weg von Atomstrom, Braunkohle und Verbrennungsmotoren, hin zu Elektroautos, Wind- und Solarenergie, ist ohne bessere Batterien nicht denkbar.

Neutronenstrahlen durchdringen das Batteriegehäuse

Doch leistungsfähigere Akkus herzustellen, ist nicht so einfach, wie es scheint. „Man kann nicht einfach die Einzelteile optimieren und damit die Batterie verbessern, dann wäre der Job sehr einfach“, sagt Ehrenberg. Stattdessen, erklärt er, müsse man das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten im realen Betrieb betrachten. Nur kann man eben nicht mit bloßem Auge in ein Metallgehäuse hineinschauen. „Und wenn ich die Batterie aufmache, habe ich das System darin verändert“, sagt Ehrenberg.

Also untersucht er die Zellen im Labor mit Röntgenstrahlen. Und reist zu Neutronenquellen, wie dem Forschungsreaktor ILL im französischen Grenoble. Seine Batterieforschung ist eines der Projekte, die WIRED in einer Serie über das ILL vorstellt. Die Neutronenstrahlen dort „durchdringen so ein Batteriegehäuse mühelos“, sagt Ehrenberg. Man kann sich das vorstellen wie ein Super-Mikroskop. „Wir erhalten einen sehr detaillierten Fingerabdruck davon, was im Inneren passiert.“ Dadurch können die Karlsruher Forscher Strategien entwickeln, wie sich die Zellen verbessern lassen und Prototypen für bessere Akkus bauen.

Denn während die Technik bei Computerchips sprunghafte Fortschritte macht, geht es bei Batterien nur langsam voran. Seit 1991 hat sich die Energiemenge, die ein normaler Lithium-Ionen-Akku aufnehmen kann, nur etwas mehr als verdoppelt. „Mit der bisherigen Technologie kommen wir auch bald an Grenzen, das lässt sich nicht beliebig steigern“, sagt Ehrenberg. Deswegen forscht er an neuen Materialien.

Von Haus aus ist Ehrenberg Physiker, mittlerweile beschäftigt er sich mit chemischen Prozessen in Batterien. Die Möglichkeiten, die Energiespeicherung zu verbessern, sind dabei vielfältig. „Das ist eine richtige Hexenküche“, sagt er. „Da ist auch viel Voodoo dabei.“

Elektroautos: Batterien bieten mehr Energieeffizienz als Wasserstoff

Das beste Beispiel sind Elektroautos. Die müssten nicht zwingend einen Batteriekasten von über 300 Kilogramm Gewicht mitschleppen. „Da wäre es auch denkbar, einen synthetischen Kraftstoff zu verwenden“, sagt der Forscher. „Das klingt charmant, man bliebe nahe an den Gewohnheiten: Ich tanke eine Flüssigkeit, das könnte sogar ein synthetisches Benzin sein.“ Andere chemische Energieträger wie Wasserstoff würden sich jedoch besser eignen. Doch wenn der Wasserstoff im Auto wieder in Strom zurückverwandelt wird, bleiben nur noch 25 Prozent der Energie über. Perspektivisch könne man die Zahl vielleicht verdoppeln, schätzt Ehrenberg. „Aber Batterien sind da eine ganz andere Liga bei der Energieeffizienz.“

Bei Akkus besteht aber immer noch das Problem der Reichweite. Ehrenbergs eigenes Elektroauto schafft es 100 Kilometer ohne Aufladen, neuere Modelle fahren 300 Kilometer weit. „Die Angaben der Hersteller sind aber unsinnig oder zumindest mit Vorsicht zu genießen“, sagt Ehrenberg. Wie weit das Auto wirklich fährt, hängt auch von der Geschwindigkeit und der Temperatur ab: Je schneller man fährt und je kälter es ist, desto schneller leert sich die Batterie. Obwohl Ehrenberg auf Elektroautos schwört und jeden Tag über 200 Kilometer fährt, hat selbst er einen Generator im Wagen. Der ist mit Benzin gefüllt und kann eine Stromreserve nachliefern. „Das bringt mir noch einmal 100 Kilometer“, sagt er, „und gibt mir die Sicherheit, es in jedem Fall noch nach Hause zu schaffen.“

Es wird nie die eine Batterie geben.

Helmut Ehrenberg

Neben der Reichweite hindern die Ladezeiten Elektroautos noch am großen Durchbruch. An heimischen Steckdosen brauchen die Wagen bis zu zwölf Stunden zum Aufladen, Schnellladestationen sind noch selten. So bleibt beim Autofahrer die Sorge, liegenzubleiben. Auch deshalb wird fieberhaft an besseren Batterien geforscht. Die Industrie greift dabei gerne auf das Know-how von Ehrenbergs Forscherteam zurück. Der 52-Jährige brennt für Batterien, redet schnell und leidenschaftlich über das Thema, als hätte er einen inneren Duracel-Hasen, der ihn ständig antreibt.

An jede Batterie bestünden andere Anforderungen, erklärt er: „Es wird nie die eine Batterie geben.“ Für Mobiltelefone oder Laptops müssen die Akkus leicht sein, in Photovoltaikanlagen oder Solarparks möglichst langlebig. Dabei spielen Batterien gerade für die Energiewende eine entscheidende Rolle. „Wir könnten komplett auf Kernenergie und Braunkohle verzichten und auf erneuerbare Energien umstellen“, ist Ehrenberg überzeugt.

Kein Energiespeicher reicht für sechs Wochen

Aber dabei gibt es zwei Herausforderungen: Wie bekommt man Strom von Windparks an der Nordsee zu Verbrauchern nach Bayern, wenn die keine Trassen wollen? Und wie lässt sich die Energie zwischenspeichern? „Die Sonne scheint nicht immer, der Wind weht nicht immer“, sagt Ehrenberg süffisant. Laut Wetterstatistiken ist in Deutschland jederzeit eine sogenannte Dunkelflaute von vier bis sechs Wochen möglich. Dafür muss nicht einmal ein Vulkan ausbrechen, dafür reichen einfache Wolken. „Sechs Wochen lang können wir nicht die Energie für ganz Deutschland in Batterien speichern“, sagt Ehrenberg. „Das ist völlig ausgeschlossen, auch perspektivisch, das sind zu große Mengen.“

Also bräuchte man Gasometer, gefüllt mit chemischen Energieträgern wie Wasserstoff. Die könnten dann einspringen, wenn Solar- und Windenergie ausbleiben. Das ist zwar, wie beim synthetischen Benzin beschrieben, nicht besonders effizient. Aber sauberer als Atom- und Kohlekraftwerke, die sich ohnehin nicht beliebig an- und abschalten lassen.

Wobei auch Batterien keineswegs immer sauber sind. Die meisten Akkus enthalten immer noch Kobalt. Ein Metall, bei dem man zwangsläufig an Kinderarbeit im Kongo denken muss. Der Abbau in Minen schadet auch der Umwelt. Kobalt ist meist nur ein Beifang bei der Gewinnung von Nickel und Kupfer. Böden und Grundwasser werden dabei verseucht. „Neben den ethischen und geopolitischen Problemen werden diese Ressourcen auch immer knapper und teurer“, sagt Ehrenberg. Deswegen werde der Kobalt-Gehalt in der Industrie zurückgefahren. Zudem wird experimentiert, Mangan oder Eisen als Übergangsmetalle zu verwenden.

Aber Prototypen dieser Batterie speichern noch nicht viel Energie auf kleinem Raum und sie sind zu schwer. „Deswegen werden wir bei Handys oder Laptops die nächsten zehn bis zwanzig Jahre immer noch Kobalt drin haben“, sagt Ehrenberg, „da wäre ich nicht so optimistisch, was die Zellchemie angeht.“ Zumindest in stationären Speichern, bei denen Gewicht nicht so wichtig ist, könnten seltener werdende Rohstoffe wie Lithium ersetzt werden.

Die Asiaten haben einen riesigen Informationsvorsprung.

Helmut Ehrenberg

Aber das entscheidet sich nicht in Deutschland, nicht einmal in Europa. Auf dem ganzen Kontinent gibt es keine Batteriehersteller. „Das ist fest in asiatischer Hand“, sagt Ehrenberg. „Die Asiaten haben einen riesigen Informationsvorsprung, sie haben viel früher auf dieses Pferd gesetzt.“ Sich komplett vom Markt dort abhängig zu machen, hält er für eine strategisch gefährliche Entscheidung.

Die Schuld gibt der Forscher auch den deutschen Autobauern. „Im Jahr 2000 wurde die komplette Batterieforschung in Deutschland eingestellt“, erinnert er sich. Nicht zuletzt aufgrund der Lobbyarbeit der Automobilindustrie. „Die hat der Bundesregierung geschrieben: Wir brauchen keine Batterien, wir haben Brennstoffzellen.“ Eine im Nachhinein verhängnisvolle Fehleinschätzung – aus der die Autobauer auch in Zeiten von Diesel-Fahrverboten offenbar nicht gelernt haben: Noch immer, berichtet der Forscher, würden ihn deutsche Ingenieure fragen, wann denn der Spuk mit der Elektromobilität vorbei sei. „Da hat noch nicht der Letzte verstanden, dass es kein Zurück mehr gibt.“

Akkus werden nie wohl nie lange genug halten

Der Materialwissenschaftler selbst denkt lieber an neue Fortschritte, etwa in der Luftfahrt. „Mit Batterien in die Luft zu gehen, ist die nächste Herausforderung, die kommt.“ Doch wer Angst hat, mit einem Elektroauto liegenzubleiben, muss von einem Flug in einem Elektroflugzeug erst Recht überzeugt werden.

Der Forscher ist sich, bei allen Fortschritten, im Klaren, dass aus Sicht der Kunden die Akkus nie lange genug halten werden. „Wenn wir bessere Batterien bauen, die länger halten, dann bauen die Hersteller einfach hellere Handydisplays oder schnellere Elektroautos, die mehr verbrauchen.“ Man könne jetzt schon problemlos Handys bauen, die eine Woche hielten. „Aber die meisten Kunden entscheiden sich für mehr Performance und laden lieber täglich auf.“

Dann entschuldigt sich Helmut Ehrenberg. Vor ihm liegt noch ein weiter Weg. 163.000 Kilometer hat er mit seinem Elektroauto zurückgelegt. Auf über 200.000 möchte er kommen. Er will ja herausfinden, was mit der Batterie passiert, wenn er sie verschleißt. Um sie dann sozusagen post mortem zu sezieren. Vermutlich ist Ehrenberg der einzige Mensch, der sich freut, wenn der Akku einmal alle ist.

Am 10. November erscheint der letzte Teil der WIRED-Serie zur Neutronenquelle in Grenoble. Darin wird es um die Suche nach dem Ursprung des Lebens gehen.

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