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Wie Flixbus den schienenlosen Fernverkehr dominieren will – ohne Busse

von Marlene Ronstedt
Uber hat keine Taxis, Airbnb keine Hotels und Flixbus keine Busse. Durch smarte Akquise seiner Konkurrenten und eine Streckenplanung per KI dominiert das Fernbus-Startup aus München den deutschen Markt. Ist die Bahn ihrem neuen Herausforderer gewachsen?

 „Wir haben nur einen Bus und keinen einzigen Busfahrer”, sagt Flixbus Mitbegründer und Chief Information Officer (CIO) Daniel Krauss. Der besagte Bus steht im Firmengarten und wird von dort auch nicht wegfahren. Das Unternehmen hat ihn aus rechtlichen Gründen: Wer keinen Bus besitzt, darf in Deutschland auch kein Fernbus-Unternehmen betreiben. Möglich ist das theoretisch schon, zumindest wenn ein Unternehmen so arbeitet wie Flixbus.

Nach eigenen Angaben bietet das 2011 gegründete Startup täglich 200.000 Verbindungen an. Die Busse fahren kreuz und quer durch Europa und sind ein bekannter Anblick auf der Autobahn. Doch jeder einzelne von ihnen wird von einem Subunternehmen gefahren. Es ist also kein klassisches Franchise-Verhältnis, sagt Krauss. Er und sein Investor, der auch Skype und Tesla im Portfolio hat, sehen Flixbus als Tech-Plattform, die Fernbusunternehmen einen Service anbietet. Um die Instandhaltung der Fahrzeuge oder um Arbeitsverträge mit Busfahrern will das Unternehmen sich nicht mehr kümmern. Der eigentliche Geschäftskern wird ähnlich wie bei Uber und Airbnb ausgelagert.

Verantwortlich dafür, dass Firmen mit solchen Geschäftsmodellen erfolgreich sein können, sind immer genauer werdende Tracking-Methoden. Daten werden bei Flixbus zum Geschäftsmodell: 170 Programmierer stellen die größte Mitarbeitergruppe. Die zweitgrößte ist das Marketing-Team, gefolgt von den Planern für Busrouten. Das Unternehmen sammelt massenweise Daten über seine Kunden, welche dann für eine intelligente Streckennetz-Planung genutzt werden – für Bus On-Demand.  

Flixbus macht das, was Uber macht

Fabian Dudenhöffer, Verkehrsexperte

Um dieses Bus-auf-Nachfrage-Prinzip anzubieten, füttert Flixbus seine Daten an Künstliche Intelligenzen, die dann Entscheidungen treffen. Wenn also mehrere Kunden auf Flixbus.de nach einer bestimmten Strecke suchen, diese aber noch nicht existiert, berechnet eine Künstliche Intelligenz, wie die Verbindung vielleicht demnächst ins Netz integriert werden könnte. Krauss sagt zu WIRED, dass die Planung neuer Strecken und die Auswahl von Umsteigebahnhöfen schon nahezu komplett autonom abläuft. Er selbst bezeichnet deshalb Flixbus als Langstrecken-Uber. Die Streckenplanung müsse von einer Künstlichen Intelligenz übernommen werden, weil die Kombinationsmöglichkeiten viel zu komplex geworden sind. Aber noch gibt es ein Problem.

Krauss nerven die gesetzlichen Vorgaben. Jede Strecke muss angemeldet werden, und bis die zuständigen Behörden eine neue Strecke genehmigen, können schon mal drei Wochen verstreichen. Er will aber mit Flixbus nicht denselben Fehler machen wie Uber es in Deutschland getan hat. Der Dienst bekam keine Betriebserlaubnis, weil er geltendes Recht einfach ignoriert hatte. Krauss ist also lieber vorsichtig. Sollte der Markt aber freier werden, so wie in Frankreich, könnten neue Verbindungen, Stops und Abfahrtszeiten voll automatisiert auf die Nachfrage angepasst werden. Die Technik dazu sei bei Flixbus bereits vorhanden.

Die beiden Verkehrsexperten Fabian Dudenhöffer und Martin Randelhoff bestätigen die Parallelen zwischen den beiden Fahrt-Anbietern. „Flixbus macht das, was Uber macht”, sagt Dudenhöffer: „Das ist genau die Richtung, in die es in Zukunft geht.” Randelhoff sieht als verbindendes Element beider Firmen, dass sie datengetriebene Servicedienstleister sind, die zwischen Fahrzeug und Kunde vermitteln. Das Kernbusiness seien längst die Daten geworden.

Wir haben dann die Postbus-Domain für zehn Euro gekauft

Daniel Krauss, Flixbus Mitgründer und CIO

Flixbus sammelt seine eigenen Daten mit einer Software von der Firma Webtrekk. Ein strategischer Schritt, um nicht komplett von Google, Amazon, Facebook oder anderen US-Unternehmen abhängig zu sein. Der Unterschied zu Googles Analyse-Tools ist, dass Daten, die mit Webtrekk gesammelt werden, allein Flixbus gehören. „Tausende Seiten speichern jeweils ein bisschen was, wohingegen im Fall von Google ein Unternehmen alles speichert“, sagt Webtrekk-CEO Christian Sauer.

Um sich gegen die Konkurrenz zu behaupten, müssen Firmen ihre eigenen Daten-Ressourcen aufbauen. Flixbus hat damit offenbar Erfolg. Seit der Öffnung des Fernbusmarkts 2013 – bis zu diesem Zeitpunkt besaß die Bahn ein staatliches Monopol – hat sich das Startup einen 90 prozentigen Marktanteil in Deutschland gesichert. Zuletzt übernahm Flixbus die Unternehmen Meinfernbus, Postbus, das britische Megabus und das österreichische Hellö. Aber nicht komplett, sondern nur deren Markennamen. Denn diese Firmen besitzen ihre eigenen Busse und die wollte Flixbus nicht. Stattdessen buchte der Bus-Monopolist sie als Dienstleister und ließ sie ihre Flotten grün anstreichen.

Krauss sagt, es sei von der Konkurrenz zu kurz gedacht gewesen, in den Flottenausbau statt in Daten zu investieren. Nach der Öffnung des Fernbusmarkts hätte die Post sich von ihm beraten lassen. Er hatte empfohlen, das Unternehmen mit einer starken Internet-Plattform auszustatten. Die Post hingegen war davon überzeugt, sie brauche Kaffemaschinen im Bus und eine Bushostesse, außerdem sollten Tickets primär in der Postfiliale verkauft werden. „Auf dem Rückweg nach München haben wir dann die Postbus-Domain für zehn Euro gekauft,” sagt Krauss. So musste die Post für ihren Website-Launch die Domain von Flixbus zurückkaufen. Mit dem Lösegeld schmiss Krauss dann eine Office-Party.

Die einem Unternehmen zur Verfügung stehenden Daten entscheiden immer öfter darüber, ob eine Firma erfolgreich bleibt oder von der Konkurrenz geschluckt wird. Vergangene Woche etwa berichtete die New York Times, dass BMW ein Datenzentrum baut, zehnmal größer als das vorherige. VW tüftelt an einem Quantencomputer, Rewe und Edeka suchen nach Programmierern, aus Angst vor Amazon wollen sie einen eigenen datengetriebenen Online-Shop bauen.

Auch die Bahn, die größte Konkurrenz zu Flixbus, arbeitet sehr datenfokussiert. Matthias Lange, zuständig bei Bahn.de für das digitale Marketing, sagt, dass große Datenmengen wichtig für das Geschäft sind: „Wir bringen das Tante-Emma-Prinzip, bei dem man den Kunden gut kennt, ins E-Commerce für die Massen hinein.” Konkret sieht das so aus: Jedesmal, wenn ein Kunde die Website der Deutschen Bahn oder die des Konkurrenten Flixbus besucht, analysieren Tracker deren Verhalten. Die gesammelten Daten sind viel wert. Sie ermöglichen es in Echtzeit, Entscheidungen zu treffen. Zum Beispiel darüber, welche Werbebanner dem Kunden gezeigt werden, wie Marketing-Budgets verteilt werden sollen oder wem ein Sonderangebot per e-Mail geschickt wird.   

Die Bahn muss ein bis zwei Jahre in die Zukunft planen

Martin Randelhoff, Verkehrsexperte

Auch die Bahn würde gern die so gewonnen Daten nutzen, um ihr Streckennetz flexibler und intelligenter zu planen. Das wird so jedoch nicht möglich sein, sagt Verkehrsexperte Randelhoff. Zugverbindungen werden mit einem Vorlauf von ein bis zwei Jahren vergeben. Nicht nur die Bahn kann sich dann auf eine Strecke bewerben, sondern auch ihre Konkurrenten. Dadurch müssen Zuganbieter immer in die Zukunft planen, also bereits jetzt schon bedenken, wie das Netz von 2018 oder 2019 aussehen soll. Laut Randeloff könne deshalb nicht zeitnah mit neuen Stops, Strecken oder Abfahrtszeiten auf eine höhere Nachfrage reagiert werden.

Flixbus muss sich nicht auf Autobahnstrecken bewerben, die dann vielleicht doch von einem Konkurrenten weggeschnappt werden. Das Unternehmen kann variieren und expandieren mit allen Alternativen. „Es ist uns egal, ob das ein Bus, ein Flugzeug oder ein Zug ist”, sagt Flixbus Mitgründer Krauss. Kommt also die Flixbahn? „Wir wären der Unterhaltung nicht abgeneigt.”

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von WIRED Editorial