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EU-Urheberrechtsreform und Upload-Filter: Baut doch euer eigenes Internet!

von Johnny Haeusler
Die nächste EU-Urheberrechtsreform steht vor der Tür. Unser Kolumnist mahnt daher in dieser Sonderkolumne die Wirtschaftslobbyisten: Baut doch euer eigenes Internet. Noch lieber wären ihm aber klarere Rechtsgrundlagen für Internet-Nutzerinnen.

Aufmerksame Leserinnen und Leser dieser Kolumne wissen, dass ich keine generelle Abneigung gegen eine angemessene Regulierung der Online-Welt hege. Meine Hoffnung auf selbstregulierende Systeme ist seit einigen Jahren mindestens geschwächt, und vor allem im Sinne der Solidarität mit dem Schutz von Schwächeren glaube ich, dass es an manchen Stellen klare Regeln und ihre Durchsetzung braucht.

Ich hätte daher also auch keine generellen Probleme mit sinnvollen Urheberrechtsreformen. Schließlich hat das Internet unseren Umgang mit Kulturgütern komplett verändert. Darauf muss an manchen Stellen auch die Gesetzgebung reagieren.

Ich habe aber massive Probleme mit der Tatsache, dass sich inländische und europäische Gesetzentwürfe und deren Umsetzung seit Jahren in erster Linie mit der Stärkung von Wirtschaftsinteressen beschäftigen. Ein gar nicht schönes Beispiel dafür ist die aktuell angestrebte EU-Urheberrechtsreform – über die am morgigen Mittwoch abgestimmt wird. Sollte der Vorschlag des Verhandlungsführers Axel Voss (CDU) eine Mehrheit finden, könnte er trotz der Einwände von öffentlichen Einrichtungen, Unternehmen, Start-ups, Journalisten, Bibliotheken, Presseverlagen und zivilgesellschaftlichen Organisationen innerhalb weniger Monate EU-Gesetz werden. Und damit das Internet zu Ungunsten der Nutzerinnen und Nutzer verändern.

Zusammengefasst sieht der Gesetzentwurf ein Leistungsschutzrecht vor, das in Deutschland und Spanien bereits existiert, durch eine verspätet veröffentlichte Studie der EU (!) aber für völlig wirkungslos erklärt wurde. Außerdem wird zwischen den Entwurfszeilen die Einführung von Upload-Filtern geplant. Plattformen sollen schon während des Uploads von Fotos, Videos, Sounds und anderen Inhalten prüfen, ob eventuelle Urheberrechtsverletzungen vorliegen könnten, und diese sofort löschen, also bevor sie überhaupt auf der Plattform veröffentlicht werden. Bisher müssen Plattformen Inhalte erst nach Kenntnisnahme von Rechtsverletzungen löschen.

Beide Punkte, das vorgesehene Leistungsschutzrecht und die Installation von Upload-Filtern, sind auf mehreren Ebenen problematisch. Unter anderem hier oder auch hier kann man etwas detaillierter darüber lesen oder es sich hier in einem Video näher erklären lassen. Und wer Unmut über die geplante Gesetzreform ausdrücken und die Parlamentarierinnen um ihre Gegenstimme bitten möchte, findet unter SaveYourInternet und SaveTheLink praktische Werkzeuge dafür.

Egal aber, wie die Abstimmung dieses Mal ausfällt: Der dauernde Kampf gegen diesen oder jenen netz- und freiheitsgefährdenden Unsinn, der von einigen Lobbyisten oft möglichst heimlich in die Parlamente getragen wird und möglichst rasch Gesetz werden soll, hört offenbar einfach nicht auf. Er fordert die Energie von Aktivistinnen seit vielen, vielen Jahren, und nicht wenige von ihnen und viele der möglichen und nötigen Unterstützerinnen dürften dieses Kampfes langsam müde sein. Netzsperren. Netzneutralität. Leistungsschutzrecht. Upload-Filter. Immer weiter arbeiten einige Wirtschaftsvertreterinnen daran, das Internet zu ihren Gunsten zu verändern und unter Umständen hinsichtlich seiner eigentlichen Funktionen sogar wissentlich zu zerstören.

Manchmal möchte ich nur noch, dass sich die ganzen Großkonzerne ein eigenes Internet bauen. Dort können Sie dann ihre eigenen Shopping Malls errichten, die sie mit Kommerztempeln und Restriktionen zuballern können, um dann dafür monatlich 150 Euro Eintritt zu verlangen. Wäre bestimmt sehr erfolgreich – und der Rest der Welt hätte seine Ruhe. Im Ernst: Baut doch euer eigenes Internet und seht zu, wie ihr klarkommt.

Sinnvoller wären natürlich Gesetzgeberinnen, die sich zunächst einmal mit den Rechten von Internet-Nutzerinnen statt mit denen der Wirtschaft befassen, um so einen rechtlichen Rahmen, eine zivilgesellschaftliche Basis für weitere Gesetzreformen zu kreieren. Es braucht leicht verständliche und verbindliche Grundlagen für den fairen Umgang mit den Kreationen Dritter und der Meme-Kultur; Rahmenvorgaben, die vergängliche Social-Media-Posts zulassen, ohne Amateure in juristische Verstrickungen zu treiben. Es braucht klare Regelungen, was Zitate und Links angeht, die der Realität des Netzes und nicht den Umsatzfantasien von Verlagsvorständen entsprechen. Es braucht rechtliche Sicherheit für Menschen, die ein privates Blog betreiben und es allein aus Unwissenheit und Überforderung mit endlosen juristischen Fachartikeln lieber sein lassen. Es braucht weitere Maßnahmen gegen Kanzleien, die sich von der Übernahme abmahnbarer Adresslisten ernähren.

Es braucht für die Nutzerinnen des Internet zuerst: Rechte. Dann können wir auch gerne über Pflichten sprechen.

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