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Dieser Wissenschaftler stellt Antibiotika-resistenten Keimen eine Falle

von Max Biederbeck
Antibiotika-resistente Keime bekämpfen, das ist fast unmöglich. Diese Methode greift aber nicht die Bakterien selbst an, sondern lässt sie ins Leere laufen.

Für Eduard Babiychuk entscheidet die Balance über Leben und Tod. „Bakterien sind überall“, sagt der Zellbiologe an der Universität Bern. Sie sitzen in unserem Körper, auf unserer Haut, in unseren Atemwegen. Solange aber die Balance stimme, sei das kein Problem, erklärt Babiychuk, denn dann halte das Immunsystem die Eindringlinge in Schach. Es gebe allerdings auch solche Keime, die mit Hilfe von Toxinen Löcher in unsere Zellen fressen, unsere natürliche Abwehr angreifen, uns krank machen. Anders ausgedrückt: den Normalzustand aus dem Gleichgewicht bringen. Gegen diese Angreifer heißt das Wundermittel seit etwa 90 Jahren Penizillin. Doch weil zu viele Menschen ihre alltäglichen Krankheiten mit Antibiotika bekämpfen, verlieren diese immer öfter ihre Wirkung. Die Bakterien passen sich an, werden unangreifbar. Dagegen hat Babiychuk eine Lösung gesucht.

Babiychuk und sein Team kämpfen mit Täuschung gegen die Keime.

Die WHO warnt beständig vor unverwundbaren Krankheitserregern wie der resistenten Tuberkulose. Diese sogenannten Krankenhaus-Keime tauchen regelmäßig in den Schlagzeilen auf. Sie sind kaum behandelbar und befallen auch weniger kranke Patienten, die bei ihrem Aufenthalt mit ihm in Kontakt kommen. Wissenschaftler forschen unter Hochdruck nach immer neuen Antibiotika-Cocktails, um die Keime zu bekämpfen. „Es herrscht ein biologischer Krieg in unserem Körper“, sagt Babiychuk. Aber im Krieg ist nicht nur der direkte Angriff entscheidend, sondern auch Taktik und Täuschung. Er und sein Forscherteam haben auf Grundlage dieser Philosophie eine neue Waffe für den Kampf gegen die Keime gefunden.

Sie haben das experimentelle Medikament „CAL02“ entwickelt. Es beinhaltet winzige künstliche Nanopartikel mit Liposomen, die auch in der Biomembran von Körperzellen zu finden sind. Eben jener Schicht, die von den Bakteriengiften durchlöchert wird. „Wir legen den Keimen einen Köder hin. Den greifen sie an, anstatt die eigentlichen Zellen zu attackieren“, erklärt Babiychuk.

Durch CAL02 steht das Immunsystem nicht mehr unter Beschuss und kann sich selbst wehren.

Normale Medikamente richten sich meist gegen die eindringenden Bakterien und versuchen, deren Zahl zu vermindern. CAL02 leitet ihre Angriffe stattdessen einfach auf ein neues Ziel um. Das Immunsystem steht nicht mehr unter Beschuss, bleibt stark und kann sich selbst um die Bedrohung, etwa durch wachsende Tuberkulosestämme kümmern. Ob diese Antibiotika-resistent sind oder nicht, spielt dann keine Rolle mehr.

„Eigentlich haben wir die Regenerationsfähigkeit von Zellmembranen erforscht", erklärt Babiychuk. Dadurch seien er und sein Team auf die Idee gekommen, die Keime schon abzufangen, bevor sie ihren Überfall starten können. 

In Anbetracht seiner Forschungsergebnisse muss er allerdings einwenden, dass es zwei unterschiedliche Arten an Bakterien gibt und seine Nanopartikel nur bei einer der beiden positive Ergebnisse erzielen. Denn bei Keimen, die keine Toxine nutzen, sondern sich zum Angriff selbst an die Zelle andocken, bringt bislang auch das beste Ablenkungsmanöver nichts. Hier haben Babiychuk und sein Team gerade erst mit der Grundlagenforschung angefangen. Die bisherigen Versuche im Labor liefern noch keinen endgültigen Beweis für die Verträglichkeit von CAL02 beim Menschen. Klinische Studien sind für das kommende Jahr angesetzt, ein Patent für das Mittel ist angemeldet.

„Wir suchen nach einer Alternative für Antibiotika“, sagt Babiychuk. Er kann sich aber auch eine ergänzende Behandlung vorstellen. Wird zum Beispiel eine Meningitis mit Antibiotika besiegt, schütten die Erreger ihre giftigen Toxine nach dem Tod trotzdem aus. Das kann für den Patienten sehr gefährlich werden. Babiychuk glaubt: „Mit unserem Ansatz könnten die Gifte, ähnlich einem Staubsauger, einfach weggesaugt werden.“ 

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