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Der Trivago-Gründer spricht über die Probleme der Digitalisierung

von GQ
Deutsche Unternehmen werden es bei der Digitalisierung sehr schwer haben, sagt Trivago-Gründer Rolf Schrömgens. Im WIRED-Interview erzählt er, wie es war, auf dem gleichen Börsenparkett zu stehen wie einst Mark Zuckerberg, und blickt kritisch auf die Startup-Szene in Deutschland.

Fernab vom Berlin-Hype der deutschen Startup-Szene hat Rolf Schrömgens von Düsseldorf aus seine Hotelplattform aufgebaut: Inzwischen gehört Trivago zu den wenigen Startups aus Deutschland, die es an die Börse geschafft haben. Am 16. Dezember 2016 eröffnete Schrömgens in New York den Parketthandel. Im WIRED-Interview (auch als Podcast verfügbar) erzählt Schrömgens, wie er einmal die Gaststätte seiner Familie führte und Mitte der Nullerjahre ein Wikipedia für Reisen etablieren wollte – aus dem schließlich Trivago wurde.

WIRED: Was geht einem eigentlich durch den Kopf, wenn man eines Morgens in New York auf dem Börsenparkett steht und die Aktien der eigenen Firma dort zum ersten Mal gehandelt werden?
Rolf Schrömgens: Das war super unwirklich. Mir war vorher nicht klar, dass die Roadshow zum Börsengang wirklich direkt vor dem Termin stattfindet. Früher habe ich immer gedacht, dass man sich über einen relativ langen Zeitraum hinweg vorbereitet. Aber tatsächlich sind es die zwei Wochen vorher, in denen das Pricing stattfindet. Da hat man zehn Meetings am Tag, wird von A nach B geschleust…

WIRED: …und jedes Mal gegrillt.
Schrömgens: Genau, jedes Mal unter Hochdruck. Der Tag des Börsengangs ist dann die logische Fortsetzung beziehungsweise der Höhepunkt, weil du ja an dem Tag unglaublich viele Presse-Interviews hast. Morgens Fernsehen, abends eher Print. Du rennst nur. Ich hab's wirklich nicht realisiert, was da um mich herum passiert ist. Nur einmal kurz: Man wartet, dann kommt jemand von der Nasdaq, erzählt ein paar Worte, dann gibt es ein Video – und du realisierst plötzlich, dass du an dem gleichen Ort stehst, an dem schon Mark Zuckerberg stand. Aber das ging am Ende alles so schnell vorbei, und dann war schon Weihnachten.

Für viele Geldgeber lohnt es sich nicht, in Europa die entsprechende Kompetenz aufzubauen

WIRED: Hast du es jetzt realisiert?
Schrömgens: Weiß ich nicht. In den Tagen nach dem Börsengang habe ich natürlich jeden Tag einmal auf unseren Aktienkurs geschaut. Aber zuletzt nicht mehr. So kurzfristig kann man das sowieso nicht beeinflussen. Wenn ich einmal im Monat drauf schaue, sollte das in Ordnung sein.

WIRED: Ihr habt euch bewusst entschieden, in New York und nicht in Deutschland an die Börse zu gehen. In einem Interview has du gesagt, in den USA gebe es mehr Verständnis für Unternehmen wie Trivago. Was meinst du damit?
Schrömgens: Die Investoren und Fonds in den USA verwalten unglaublich viel Geld. Die brauchen Unternehmen mit einer gewissen Größenordnung, bevor sie überhaupt investieren. In Europa gibt es gar nicht so viele Unternehmen, die in Frage kommen. Darum lohnt es sich für viele Geldgeber auch nicht, in Europa die entsprechende Kompetenz aufzubauen.

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WIRED: Ist das ein Henne-Ei-Problem? Weil es nicht genug Unternehmen mit der richtigen Größe gibt, gibt es auch nicht genug Investoren – und umgekehrt.
Schrömgens: Ich glaube nicht, dass es ein Henne-Ei-Problem ist oder sich nie lösen lässt. Im Moment ist es noch so. Obwohl wir an der Nasdaq sind, können wir, glaube ich, auch dem Marktplatz Europa oder Deutschland helfen. Das hat nicht so viel mit dem Ort des Börsenparketts zu tun. Wir bleiben weiterhin eine Firma, die in Deutschland ihre Steuern bezahlt und hier ihren Hauptsitz hat. Und wir kriegen in Deutschland Beachtung. Ich denke, wir tragen auch dazu bei, dass Deutschland langfristig als Standort interessant bleibt.

Wenn ich vor fünf Jahren auf die Startup-Szene in Deutschland geschaut habe, hat es mir schon manchmal ein bisschen geschaudert

WIRED: Wie ist dein Blick auf Startup-Deutschland?
Schrömgens: Es ist besser geworden. Wenn ich vor fünf Jahren auf die Start-up-Szene in Deutschland geschaut habe, die ja sehr stark Berlin dominiert war, dann hat es mir schon manchmal ein bisschen geschaudert.

WIRED: Warum?
Schrömgens: Ich fand, dass alles extrem PR-getrieben war. Es gab immer gute Themen, aber es gab eben auch viel drumherum. Viele haben erstmal darüber gesprochen, was sie machen wollen – und zu wenig gemacht. Das mag plakativ klingen, aber es war meine eigene Einschätzung. Das war wohl auch sehr stark davon getrieben, dass immer schnell aufgebaut werden musste und immer unglaublich viel Geld am Anfang investieren wurde.

WIRED: So wie bei Rocket Internet?
Schrömgens: Zum Beispiel. Aber es gab ja auch andere. Ich glaube, dass es heute mehr positive Beispiele von Unternehmen gibt, die versuchen langfristigen Wert aufzubauen. Selbst Rocket Internet versucht das, es ist nur wahnsinnig schwer, eine Kultur irgendwann umzustellen. Also aus einer Highspeed-Mentalität oder „Wir machen es schnell groß und achten nicht darauf, wen wir einstellen“-Mentalität zu einer Situation zu kommen, in der langfristig gedacht wird. Das war ein Paradigmenwechsel, den Rocket irgendwann vollzogen hat.

WIRED: Und wie siehst du die Digitalisierung der deutschen Industrie?
Schrömgens: Viele werden mich verfluchen deswegen. Aber ich glaube, dass es unglaublich schwer ist, bestehende Unternehmen, die eine gewisse Größenordnung erreicht haben, tatsächlich zu digitalisieren. Es geht für mich weniger um eine rein technische Digitalisierung als vielmehr um die Kultur, die dahintersteckt.

Es ist unglaublich schwer, bestehende Unternehmen, die eine gewisse Größenordnung erreicht haben, tatsächlich zu digitalisieren

WIRED: Was verstehst du unter digitaler Kultur?
Schrömgens: Es geht dabei um agile, schnelle und inhaltsorientierte Entscheidungsweisen statt Machtspiele. Es geht darum, Informationen nutzen, um zu lernen – nicht um sich zu rechtfertigen. Das kann man nur schwer in bestehende Kulturen einpflanzen. Es gibt heute viele Digitalberater, die zu den Mittelständlern und großen Konzernen marschieren – ich kann mir nicht vorstellen, dass das Erfolg haben wird.

WIRED: Warum nicht?
Schrömgens: Selbst wenn man digitale Tools wie AB-Testing auf eine bestehende Management-Struktur setzt, werden die Leute die Ergebnisse immer nur dazu nutzen, ihre eigenen Entscheidungen zu rechtfertigen oder ihre eigenen Fehler zu covern. Du kannst noch so agile Entscheidungssysteme auf ein bestehendes System draufsetzen, das wird trotzdem nicht dazu führen, dass sich das Unternehmen an sich verändert.

WIRED: Du glaubst also nicht an eine rosige Zukunft für Deutschlands Konzerne und Mittelständler?
Schrömgens: Es wird verdammt schwer. Ich wünsche es jedem einzelnen Unternehmen, dass es diesen Transformationsprozess schafft. Ich glaube aber, dass es ganz viel Disruption von außen geben wird. Ganz viele junge Unternehmen werden die Dinge komplett neu überdenken. Und wenn man diese jungen Firmen nicht hat, und nicht ganz viele davon hat, dann wird es für die Wirtschaft übel aussehen.

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