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Endlich kein Empfang: Eine App zeigt den Weg zu Offline-Plätzen

von Pearl Abbey-Obaro
Es gibt sie doch noch: Orte, an denen man für den Rest der Welt unerreichbar ist. Die neue App White Spots hilft dabei, diese weißen Flecken auf der Karte ausfindig zu machen.

Endlich mal offline sein – ein bekannter Wunsch in Zeiten der Digitalisierung. Rund um die Uhr kann und muss man erreichbar sein, scheinbar gibt es kein Entkommen. Der Wunsch nach einer digitalen Diät ist zwar nichts Neues, die App White Spots bietet aber erstmals wortwörtlich einen Ausweg. Wenn einem das digitale Rauschen einfach zu laut wird, kann man sich die Route zum nächsten signalfreien Ort anzeigen lassen und dorthin verschwinden.

Ein Ort ohne Netz? Was kaum mehr vorstellbar ist, könnte näher liegen als man denkt. Die App wurde auf der Grundlage von Richard Vijgens Software Architecture of Radio entwickelt. Der Informationsdesigner hat vergangenes Jahr ein Programm herausgebracht, das alle Funksignale in der Umgebung in einer 360°-Grafik sichtbar macht. In White Spots sind aufbauend auf diesen Daten auch die Orte eingezeichnet, die frei von jeglichen Funksignalen sind. Nützlicherweise wird eine Wegbeschreibung zum gewünschten Ort gleich mitgeliefert.

Gleich zu Beginn wird der narrative Charakter der App klar. Wer White Spots auf seinem Smartphone öffnet, wird zuerst über die vielen digitalen Signale belehrt, von denen er gerade umgeben ist, und kann sich diese direkt anzeigen lassen. Es öffnet sich eine Grafik, die alle umliegenden Netzwerke samt Entfernung und Name des Anbieters veranschaulicht. Diese Netzwerke sind als weiße Bäume in einem dunklen digitalen Wald gestaltet. Während es im Hintergrund brummt und knistert, fühlt man sich wie in einem fremden unheimlichen Universum gefangen. Nach wenigen Sekunden dann der rettende Schriftzug: Get me out!

Die App wechselt nun in eine Kartenansicht, die die digitale Kluft in der Welt in schwarzweiß zeichnet. Schwarz gefärbte Gebiete stehen für ausreichend verbundene Orte. Weiße für jene, an denen es keinerlei Funksignal gibt. Diese Offline-Flecken sind angereichert mit Geschichten über den Digital Divide, die zum Nachdenken anregen: Geschichten von Menschen, die die digitale Abgeschiedenheit freiwillig gewählt haben auf der einen Seite und anderen Menschen, die bisher schlicht keinen Zugang zum Internet, ja oft nicht einmal zu Elektrizität hatten. Beide Seiten erzählen, wie es ihnen damit geht und was sie gerne verändern würden. Spätestens hier wird man als Nutzer mit der Frage konfrontiert, ob Konnetikivität ein Segen oder ein Fluch ist.

Falls man danach immer noch raus will aus dem Netz, braucht es nur eine Berührung. Im unteren linken Feld des Bildschirms wird permanent die Entfernung zum nächsten White Spot angezeigt. Mit einem Klick kann man sich die Route zu diesem Ort anzeigen lassen oder alternative Stellen auswählen. Bevor man sich auf die Reise begibt, warnt die App vor den Gefahren des unerforschten Hinterlandes. Man solle etwa nicht vergessen, dass das Smartphone dort möglicherweise nicht funktionieren wird und ohne seine Hilfe zurückgefunden werden muss. Mit der Einwilligung verlässt man schlussendlich die dystopisch gestaltete App.

In White-Spots-Sicht auf die vernetzte Welt kann man nicht nur mit dem Smartphone eintauchen, sondern auch per VR-Brille (dazu reicht auch schon die Google VR-Brille aus Pappe, die man für wenige Euro kaufen kann). Die Virtual-Reality-Erfahrung wird von einer schaurigen Männerstimme moderiert, die dazu auffordert, sich des digitalen Käfigs bewusst zu werden, in dem man mehr oder weniger freiwillig lebt. Das ist nach kurzer Zeit relativ beängstigend.

Die Töne, der Kommentator und die apokalyptische Stimmung drücken aufs Gemüt. Wenn einem das irgendwann zu viel wird, kann man einen in der Ferne liegenden White Spot anvisieren. Erleichtert verlässt man so den dunklen Netzwerkwald und bekommt die Story eines Offline-Protagnisten als VR-Erfahrung erzählt.

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White Spots macht nachdenklich. Die Hypervernetzheit der heutigen Welt wirkt in der App erdrückend. Dieser Eindruck relativiert sich jedoch, wenn man den Geschichten der Offline-Protagonisten lauscht. Im Anbetracht ihrer Probleme wirkt die massenmediale Informationsflut, von der wir uns manchmal überfordert fühlen, eher wie ein Luxusproblem.

White Spots ist seit dem 1. Juli für iOs und Android verfügbar. 

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