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Elektrorennwagen I.D. R: So schaffte Volkswagen den Rekord am Pikes Peak

von Wolfgang Kerler
Mit seinem Elektrorennwagen I.D. R Pikes Peak hat Volkswagen das berühmteste Bergrennen gewonnen – und sogar einen neuen Rekord aufgestellt. Der Erfolg ist für VW nach dem Diesel-Skandal auch strategisch wichtig. Doch wegen der kurzen Zeit für die Entwicklung des Fahrzeugs war der Sieg alles andere als selbstverständlich.

Sommer 2017. Volkswagen steckt tief im Diesel-Sumpf. Die EU-Kommission erhöht den Druck auf Hersteller, deren Autos die Schadstoff-Grenzwerte nicht einhalten. In den USA wird erstmals ein VW-Mitarbeiter wegen der Manipulationssoftware verurteilt: drei Jahre Gefängnis. Das Image des größten deutschen Autobauers ist ramponiert. Da entsteht in Wolfsburg eine Idee: VW soll im nächsten Jahr am „Pikes Peak International Hill Climb“ im US-Bundesstaat Colorado teilnehmen, dem legendärsten Bergrennen der Welt. Und das mit einem Elektroauto.

Neun Monate Zeit, viele Herausforderungen

Am 2. September 2017 kommt das „Go“ vom VW-Management. Das Rennen soll am 24. Juni 2018 stattfinden. Es bleiben also nur rund neun Monate für die Entwicklung eines komplett neuen Fahrzeugs, des ersten vollelektrischen Rennwagens von VW. „Wir haben wirklich komplett von vorne angefangen“, sagt Sven Smeets, Motorsportchef von Volkswagen. „Deswegen war das Projekt die wahrscheinlich größte Herausforderung in der Geschichte von Volkswagen Motorsport.“

Das Rennen am Pikes Peak hat es in sich: Auf der 19,99 Kilometer langen Strecke gibt es 156 Kurven. Der Start liegt auf 2.862 Höhenmetern, das Ziel 1.440 Meter höher. Und es gibt noch eine Schwierigkeit zu meistern: Sollte das Rennen abgebrochen werden, zum Beispiel wegen eines Hagelschauers oder eines liegengebliebenen Fahrzeugs, bleiben laut Reglement nur 20 Minuten bis zum zweiten Versuch. Das bedeutet: Die Batterien des Autos müssen in 20 Minuten wieder voll aufgeladen sein. Der bisherige Streckenrekord für Elektroautos liegt bei etwas über acht Minuten und 57 Sekunden – den will VW unbedingt unterbieten.

Die Batterie muss ihre Leistung schnell abgeben können

In den Labors in Wolfsburg, in denen sonst die Batterietechnik für die künftigen elektrischen VW-Serienfahrzeuge der I.D. Familie entwickelt werden, findet nun die Forschung für den Elektrorennwagen statt. Dessen Batterien müssen sich schnell laden lassen, ohne dabei zu überhitzen. Und sie brauchen eine besonders hohe Leistungsdichte. „Bei einem Rennfahrzeug ist nicht die maximale Reichweite gefragt, sondern eine möglichst hohe Leistungsabgabe“, sagt Marc-Christian Betram, der Leiter Elektrik und Elektronik bei Volkswagen Motorsport.

Am Ende entscheiden sich die Entwickler für eine Lithium-Ionen-Batterie, die in zwei Blöcke aufgeteilt wird. Einer wird neben, einer hinter dem Cockpit platziert. Sie treiben zwei Elektromotoren an, die an der Vorder- und der Hinterachse eingebaut sind. Zusammen bringen sie eine Leistung von 680 PS. Das Design des Fahrzeugs muss natürlich die Performance auf der Rennstrecke maximieren, aber es geht VW dabei auch ums Marketing. „Ein Supersportwagen wie der I.D. R Pikes Peak weckt Emotionen beim Zuschauer“, sagt Volkswagen-Designchef Klaus Bischoff. Das Elektrorennauto soll E-Mobilität also sexy machen – und die ramponierte Marke VW wieder etwas aufhübschen.

Drei Wochen vor dem Rennen: erste Testfahrt am Pikes Peak

Die Antriebseinheit, also die zwei Elektromotoren und die zwei Lithium-Ionen-Akkus, werden zuerst auf dem VW-Testgelände in Niedersachsen erprobt – in einem E-Golf als Versuchsträger. Um die Aerodynamik des Prototypen zu untersuchen, bekommt VW Unterstützung von Porsche. Dort hat man Le Mans-Erfahrung – und einen Windkanal.

Am 23. April 2018 ist es dann soweit: Auf der Strecke im französischen Alès dreht der – ebenfalls französische – Rennfahrer Romain Dumas die ersten Runden mit dem I.D. R Pikes Peak. Am 1. Juni darf VW das Auto dann in Colorado auf der Originalstrecke ausprobieren – allerdings nur für drei Stunden, da es eine öffentliche Straße ist. Auf den kurvigen Bergstraßen spielt der Wagen seine Stärken aus. „Beschleunigung und Kurvengeschwindigkeit sind wirklich beeindruckend“, sagt Dumas nach der Testfahrt. „Zum ersten Mal muss ich mir keine Sorgen um einen Leistungsverlust in großer Höhe machen.“ Anders als Verbrennungsmotoren, die wegen der geringen Sauerstoffkonzentration bei 3000 bis 4000 Höhenmetern rund ein Drittel ihrer Leistung verlieren, arbeiten die Elektromotoren kontinuierlich weiter. Und: „Dank des Elektroantriebs muss ich nicht schalten, sondern kann mich ganz auf die Linie konzentrieren“, sagt Dumas. Beim Bremsen wird außerdem bis zu 20 Prozent der elektrischen Energie, die für die Strecke gebraucht wird, zurückgewonnen.

Die Testfahrten laufen gut. Trotzdem bleibt ein Erfolg unsicher – schon wegen des Wetters. Im Juni kann es am Pikes Peak hageln, die Strecke kann glatt sein oder völlig im Nebel. Geht nur eine Kleinigkeit schief, ist ein neuer Rekord nicht zu schaffen.

Keine imageschädlichen Abgase – dafür sorgt ein Glycerin-Generator

Am 24. Juni, dem Tag des Rennens, werden die Batterien des I.D. R noch einmal aufgeladen – von einem Glycerin-Generator. In dem wird ein Zuckeralkohol verbrannt, der zum Beispiel als Abfallprodukt bei der Herstellung von Bio-Diesel entsteht. Dabei sollen nahezu keine schädlichen Abgase oder Rückstände entstehen, sagt VW. Selbst die Computer und die Kaffeemaschine in der Box versorgt der Generator mit Strom. Keine Abgaswolke soll den greifbaren VW-Erfolg überschatten.

Das Wetter ist gut. Nach dem Start geht also alles schnell. Sehr schnell. So schnell, dass Romain Dumas nicht nur den bisherigen Rekord für Elektroautos unterbietet. Mit einer Zeit von sieben Minuten und 57,148 Sekunden schafft er die knapp 20 Kilometer in so kurzer Zeit wie noch niemand vor ihm. Der elektrische I.D. R Pikes Peak deklassiert die Verbrenner. Der Rekord des neunmaligen Rallyeweltmeisters Sebastien Loeb von 2013 ist gebrochen. Volkswagen schreibt Rennsportgeschichte. Beim Public Viewing in Wolfsburg feiern 1000 Mitarbeiter.

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Ein bisschen I.D. R Pikes Peak soll auch in Serienfahrzeugen stecken

Der Rekord-Rennwagen wird in wenigen Tagen wieder an den Start gehen – beim Festival of Speed im englischen Goodwood. Und danach? Dann sollen Entwicklungen wie das Batteriekonzept oder die Schnellladetechnik aber auch Design-Elemente des Fahrzeugs in den elektrischen Serienmodellen der I.D.-Serie zum Einsatz kommen, die ab 2020 auf den Markt kommen. Nach dem Erfolg auf der Rennstrecke kann VW dann beweisen, dass es auch Elektromobilität für den Massenmarkt besser beherrscht als bisher.

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