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E-Textilien können das Smart Home schlauer machen

von Anna Schughart
In einem smarten Zuhause sind alle Geräte miteinander vernetzt. Doch auch Sofas, Kissen und Gardinen können intelligent sein. Welche Rolle können sie im Smart Home spielen?

Menschen tragen schon seit tausenden von Jahren Kleidung. Quasi vom ersten bis zum letzten Atemzug sind wir in irgendeine Art von Textil gehüllt – von ein paar Ausnahmen mal abgesehen. Doch nur weil unsere Beziehung zu Textilien schon so lange hält, heißt das nicht, dass sie kein Update gebrauchen könnte. Im Gegenteil, unser inniges Verhältnis zu Gewebtem und Gestricktem könnte Textilien zu einem guten Medium für neue Technologien machen.

Zum Beispiel im smarten Zuhause. Bisher assoziiert man damit vor allem: Kühlschränke, die selbst Milch einkaufen, Lichter, die von alleine aus- und angehen oder Temperaturregler, die die Initiative ergreifen. Doch warum sollte das Sofa von der vernetzten Kommunikation zwischen Heizung und Jalousie ausgeschlossen sein? Forscher, Entwickler und Designer glauben: E-Textilien könnten das Smart Home noch schlauer machen. Die Hoffnung ist, dass durch die smarten Textilien die Technologie gerade bei älteren oder technophoben Menschen mehr Zustimmung findet.

Smart ist ein Stoff dann, wenn er Eigenschaften hat, die normale Textilien nicht haben und auf seine Umwelt reagieren kann. Dabei verwenden die E-Textilien Fasern, die in irgendeiner Art und Weise auf Strom reagieren, erklärt Katharina Bredies, die an der Universität der Künste Berlin zu E-Textilien forscht. Die Fasern nehmen dann zum Beispiel die Rolle von Kabeln ein. Komplexere Materialien können auch auf Umwelteinflüsse, Druck oder Zug reagieren und die Form, Farbe oder Temperatur ändern.

Bisher kommen die E-Textilien vor allem in Wearables zum Einsatz. Levi's und Google haben beispielsweise gemeinsam eine Jeansjacke entwickelt, die mit dem Smartphone verbunden ist. Am Ärmel können Fahrradfahrer zum Beispiel Anrufe verwalten, sich Nachrichten vorlesen lassen oder Musik abspielen. Auch beim Militär, bei der Sportbekleidung, in der Mode und in der Medizin wird es in Zukunft immer mehr intelligente Wearables geben: Fashion-Tech-Designer stellen leuchtende Kleidung her, Joggerinnen können einen spezielles T-Shirt statt einer Fitbit tragen und im Krankenhaus könnten die smarten Textilien wichtige Werte wie den Herzschlag oder Blutdruck messen.

Im Smart Home sind dagegen vor allem Parameter wie Luftqualität, Temperatur, Licht und Bewegung interessant. „Das sind Dinge, die man mit Elektrotextilien kombinieren oder zu einem gewissen Grad schon durch textile Materialien leisten kann“, sagt Bredies. Die smarten E-Textilien können die Rolle von Sensoren übernehmen und Daten sammeln.

Ideen gibt es viele: „Der große Klassiker ist das Sofakissen, das sich als Fernbedienung benutzen lässt“, sagt Bredies. Auch denkbar sind: Ein Teppich, der weiß, wer gerade in den Raum gekommen ist oder bemerkt, wenn jemand gestürzt ist und dann Hilfe ruft. Eine Couch, die registriert, ob zwei oder drei Menschen auf ihr sitzen – und vielleicht sogar ihre Form daran anpasst. Und wenn in das Gespräch der Dinge auch das Sofa integriert ist, kann mich der Fernseher darauf hinweisen, dass das Sofa ihm gesagt hat, dass ich schon wieder zu lange herumsitze. Oder die Esszimmerstühle teilen mit: Jetzt isst die Familie – und die Musik wird leiser.

Man könnte die Textilien auch als langsames Display nutzen, sagt Bredies. Wenn die Materialien sich erwärmen oder abkühlen, ändern sie ihre Farbe. Doch das dauert ein paar Sekunden und ist deshalb subtiler „und auf eine Weise vielleicht auch alltäglicher und angenehmer als ein Display, das ja immer auch etwas von einem Fernseher hat“, sagt Bredies.

Viele der Beispiele sind derzeit noch mehr Theorie als Praxis. „Die konkreten, relevanten Anwendungsfälle entscheiden sich im Gebrauch“, sagt Bredies. Erst wenn sie weit verbreitet seien, zeige sich, für was genau die Technologie überhaupt genutzt werde.

Doch smarte Textilien auch ins Smart Home zu integrieren, könnte Vorteile haben, sagt Bredies. Zum einen sind Textilien schon Alltag. Sie sind schon in unsere Wohn-, Schlafzimmer und Küchen integriert und deshalb gut geeignet für Smart-Home-Anwendungen. Mit Textilien kann man auch ganz anders umgehen. Eine Kissen-Fernbedienung lässt sich knautschen, knüllen, werfen. Dadurch ergeben sich neue Interaktionsmöglichkeiten mit Elektronik, sagt Bredies. Die Textilien sind außerdem nicht an einen Ort gebunden, ein Sofa lässt sich umstellen, ein Kissen umdekorieren. Und: Man kann die smarten Textilien besser an das eigene Schönheitsempfinden anpassen – vor allem, wenn man die vielen technischen Geräte nicht gerade ästhetisch findet.

Damit die Ideen aber Wirklichkeit werden, müssen verschiedene Professionen wie Programmierer, Designer, Elektrotechniker und Materialforscher zusammenkommen. Sie müssen auch offene Fragen – nicht nur rund um Smart Homes generell, sondern speziell für die smarten Textilien beantworten: Kann man die smarten Gardinen waschen? Wer ist für die Wartung und Entsorgung eines klugen Sofas zuständig? Wie wird es in das Smart Home eingebunden? Könnte der Stoff brennen?

Denn trotz der Offenheit gegenüber Textilien generell, gibt es bei ihren smarten Verwandten – gerade durch die Nähe – noch eine gewisse Fremdheit des Neuen, sagt Bredies. Doch sie glaubt: Mit den ersten überzeugenden Anwendungen kommt auch die Akzeptanz.

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