
Derzeit zeigt Steven Spielberg mit Ready Player One eine atemberaubende Virtual-Reality-Fantasie. Vieles wirkt dabei fast schon zu futuristisch. Neue Technologien könnten dieses Spektakel jedoch durchaus Wirklichkeit werden lassen.
Die virtuelle Realität (VR) hatte einen holprigen Start: Bereits 1968 erfand der Harvard-Wissenschaftler Ivan E. Sutherland – der Erfinder des Grafikprogramms Sketchpad – das wohl erste Virtual-Reality-Headset. Ein wuchtiger Stirnreif baumelte schwer von einem Deckengerüst und trug daher den Namen The Sword of Damocles. Über zwei halbtransparente Kathodenstrahlbildschirme wurden simple Drahtgitterräume in das Sichtfeld projiziert, die sich mit dem Neigen und Drehen des Kopfes erforschen ließen.
Mehr als zehn Jahre darauf konstruierte Eric Howlett das VR-System Leep, dessen Headset bis heute als Blaupause für VR-Brillen fungiert. Leep und ähnliche VR-Experimente der 90er Jahre machten zwar kurz Eindruck, waren aber auch schnell wieder vergessen. Wer erinnert sich schon noch an Sega VR oder Sonys Glasstron ? Wegen solcher Pionierarbeit fanden digitale Scheinwelten über viele Jahre vor allem in der Science-Fiction einen festen Platz. Es prägte sich schnell eine Vorstellung, was Virtual Reality sein und leisten können soll.
Mit Oculus Rift, HTC Vive und PS VR kam die virtuelle Realität nun tatsächlich in die Hände von Gamern und Gamerinnen. Die VR-Brillen sind nutzerfreundlich, erschwinglich und Games wie Super Hot VR, Farpoint, The Climb und Elite: Dangerous sind deutlich mehr als nur Tech-Demos. Ebenso laden auch Google Daydream, Gear VR und Oculus Go zum experimentieren ein.
Besondere Aufmerksamkeit bekam die Technologie schließlich durch die Romanverfilmung Ready Player One, bei der eine VR-Welt im Zentrum steht. Der Film zeichnet die fiktive OASIS als bunte und grenzenlose Wunderwelt, in der jeder sein darf, wer er oder sie mag und über sich hinauswachsen kann. Die Virtual Reality wird zum vielfach futuristischen Sehnsuchtsort. Doch die Science-Fiction-Vision aus Ready Player One ist schon viel näher als es vielleicht scheint. Und diese Technologien sind dafür verantwortlich:
Virtual Retinal Displays
Bisher bleibt das Gefühl der Immersion bei VR-Spielen begrenzt. Vor allem da die Augen unter der Brille auf einen flachen Bildschirm blicken – egal, wie hoch die Auflösung auch sein mag. Genau dieses Problem sollen Virtual Retinal Displays angehen. Dabei werden die Bilder direkt auf die Netzhaut der Augen gezeichnet. Das Konzept geht auf den japanischen Entwickler Kazuo Yoshinaka zurück, der es bereits 1986 erdacht und entwickelt hatte. Die Vorteile? Schwere Linsen und Bildschirme wären hinfällig. Ebenso würden Auflösungen weit jenseits der Grenzen aktueller HD-Monitore möglich.
Aber vor allem wird mit Virtual Retinal Displays ein viel natürlicheres Sehgefühl möglich. Bei Augmented-Reality-Anwendungen wäre es möglich, virtuelle Gegenstände und Figuren tatsächlich nahtlos mit realen Umgebungen verschmelzen zu lassen.
Wie realistisch sind Virtual Retinal Displays? Die Technologie für sie befindet sich zwar noch am Anfang, aber sie existiert und ist nur eine Science-Fiction-Vision. Beim kurzlebigen Smart-Glasses-Projekt Vaunt nutzte Intel sogenannte VCSEL-Laserdioden, um Nutzern einen künstlichen Bildschirm einzublenden. Das Mixed-Reality-Start-up Magic Leap projiziert hingegen durch ein Linsengitter ein digitales Lichtfeld in die Augen der Nutzer. Das Unternehmen Avegant verspricht mit einem Headset und Spiegel-LED-Projektionstechnik ein Seherlebnis wie im Kino. In mehreren Jahren könnten derartige Retina-Projektoren die Bildschirme in aktuellen VR-Brillen ablösen.
Haptische Anzüge
„Kannst du das fühlen?“, fragt Art3mis in Ready Player One während sie mit Wade Watts tanzt und ihm über den Körper streicht. Ja, das kann er. Er trägt nämlich einen teuren haptischen Anzug, der die virtuelle Welt der OASIS erst wirklich erlebenswert macht. Durch diesen kann er Berührungen anderer Spieler wahrnehmen, den kalten Griff seiner Waffe erfühlen aber auch Verletzungen und Treffer spüren – und mehr. Ebenso scannt der Anzug seine Bewegungen und überträgt sie detailgetreu in die digitalen Umgebung. Virtual-Reality-Sex wäre damit ebenso möglich wie digitale Fitness-Kurse. Auch das klingt wie Science-Fiction, ist aber bereits in ersten Ansätzen Realität. Unter anderem dank Virtual-Reality-Handschuhen wie ManusVR und VRGluv. Durch sie können VR-Games auch einzelne Finger der Spieler erfassen. Und mit Vibrationsmotoren können sie rudimentär Oberflächenstrukturen und die Härte von Gegenständen simulieren.
Der noch in Entwicklung befindliche HaptX-Handschuh soll mit einem von Hohlräumen durchsetzten Gewerbe arbeiten, das mit Luft und Flüssigkeiten gefüllt wird. Dadurch soll er feinste Oberflächenstrukturen spürbar machen. Ein Erleben wie im Spielberg-Film verspricht der Ganzkörperanzug Telsasuit. Integrierte Sensoren erfassen den gesamten Körper. In das Material sind dazu über 120 Elektroden eingelassen, die elektrotaktile Impulse abgeben, die sowohl einen Windhauch, warmen Regen als auch einen Treffer aus einem Gewehr spürbar machen sollen. Diese Technik wird bislang primär in Bewegungs- und Nerventherapien eingesetzt – aber das kann sich schnell ändern. Spezielle Polster im Anzug sollen gleichermaßen warme und kühle Umgebungen imitieren. Prototypen wurden beispielsweise auf der CES 2018 gezeigt. Marktreif sein der Teslasuit 2019 sein.
Virtual-Reality-Metaversen
Was die Vision von Ready Player One so eindrucksvoll macht, ist die Virtual-Reality-Welt OASIS. Sie ist in der dystopischen Welt des Films der einzige Ort an dem Milliarden von Menschen noch Erfüllung und Erfolgserlebnisse finden. Hier zählen weder Herkunft, Hautfarbe oder Geschlecht. Die OASIS gestaltet sich nicht nur als einfaches Videospiel, sondern als durchgängiges Mehrspieler-Online-Metaversum, das unzählige Welten, Spieler, soziale Aktivitäten und Spielerfahrungen vereint – und dabei auch noch die Ökonomie der Realwelt beeinflusst. Gleich mehrere Entwickler arbeiten an derartigen Traumwelten.
In AltspaceVR können Spieler via Google Daydream, Oculus Rift, HTC Vive und Gear VR gemeinsam abhängen, in virtuellen Clubs tanzen, in Bars chatten, Vorträgen und Lesungen lauschen oder ein Appartement einrichten. Einen Schritt weiter geht noch VRChat für HTC Vive und Oculus Rift. Die App erlaubt es seinen Spielern, selbst gestaltete Avatare hochzuladen, Umgebungen und Spielinhalte zu kreieren. Mit seinen bereits hunderten Welten und wild gemischten Figuren erinnert VRChat tatsächlich im Ansatz an den anarchischen Popkultur-Mischmasch der OASIS.
Auch Second-Life-Macher Linden Lab will mit Sansar eine Art OASIS-Vorläufer schaffen. Seit 2014 ist das derzeit im Beta-Status nutzbare Virtual-Reality-Projekt in Arbeit. Sansar ist aus Dutzenden und teils äußerst weitläufigen Umgebungen zusammengesetzt, die – zumindest derzeit – von bis zu 35 Nutzern gleichzeitig erkundet werden können. Darunter: Nachtclubs, Sandstrände, fliegende Inseln, ein Star-Wars-Museum und auch die Werkstatt von A3ech aus Ready Player One. Noch ambitionierter soll Decentraland ausfallen: Die virtuelle Welt soll den Nutzern selbst gehören. Sie kaufen digitale Landstriche, die sie nach eigenem Gutdünken nutzen können. Dabei soll eine eigene Ökonomie rund um virtuelle Fahrzeuge, Gebäude, Kleidungsstücke und andere virtuelle Gegenstände entstehen – abgewickelt über eine eigene Kryptowährung und registriert in einer Blockchain. Hunderte Nutzer haben sich bereits zusammengetan, um eine Blade-Runner-Stadt zu bauen. Bereits in diesem Jahr soll Decentraland mit einem Mehrspieler-Prototyp starten.