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Carrera-Bahnen gibt es jetzt mit App — wir haben sie getestet

von Dominik Schönleben
Die neue Carrera Race App soll die etwas antiquiert wirkende Kinder-Rennbahn wieder smart und modern machen. Aber wird Carrera dadurch wirklich wieder konkurrenzfähig mit Newcomern Anki Overdrive? WIRED-Redakteur Dominik Schönleben hat die neue Bahn mit App getestet.

Die aus Fürth stammende Carrera-Bahn ist seit den 60ern Teil der deutschen Bürgerlichkeit. Sie erweckt das Bild von Eltern, die nach der weihnachtlichen Bescherung zusammen mit ihrem Kind die steckbaren Plastikschienen aufbauen, damit sie gemeinsam Rennen um den geschmückten Baum fahren können.

Doch seit dem Weihnachtsgeschäft 2015 hat Carrera einen neuen Konkurrenten in Deutschland: Anki Overdrive. Statt in Rinnen geführten Modellautos fahren dort vom Smartphone gesteuerte Wagen vollautomatisch über eine spezialbeschichtete Pappbahn. Da muss auch Carrera nachlegen, um nicht an Boden zu verlieren. Das deutsche Traditionsunternehmen bringt also eine App auf den Markt: die Carrera Race App. Doch reicht das, um sich gegen Konkurrenten wie Anki Overdrive zu behaupten? (Hier geht's zur großen WIRED-Geschichte zu Anki Overdrive)

Eigentlich unterscheidet sich die neue Produklinie Carrera Digital trotz App kaum von ihren Vorgängern. Die Bahn besteht wie noch zu Zeiten meiner Kindheit aus Plastikbahnen, die zusammengesteckt und mit roten Noppen stabilisiert werden müssen. Hier besteht weiterhin ein Problem, dass die Carrera-Bahn schon seit Jahrzehnten verfolgt: Es dauert viel zu lange, die Bahn aufzubauen — und richtig stabil wird sie nie.

Immer wieder lösen sich Streckenteile, wenn man andere befestigt oder nur leicht gegen die Bahn stößt. Das weiß wohl auch der Hersteller: In der Anleitung wird mir geraten, spezielle Halterungen zu kaufen, mit denen ich die Bahn auf einer Holzplatte festschrauben kann. Die Magnetverbindungen von Anki Overdrive sind im Vergleich dazu eine Wohltat.

Mehr als eineinhalb Stunden verbringe ich mit der Montage der Carrera-Bahn — die Leitplanken anzustecken spare ich mir letztendlich aus Zeitgründen. Wirklich neu ist bei Carrera Digital eigentlich nur ein Bluetooth-Adapter, den man an die Zielgerade steckt. Durch ihn verbindet sich die Bahn mit dem Smartphone und der Carrera Racing App (für Android und iOS).

Der Trailer verspricht ein neues Spielerlebnis und „rasante Fahrmanöver“. Doch die eigentliche App bleibt weit dahinter zurück.

Statt mit dem Smartphone wie bei Anki werden die Autos weiterhin mit den klassischen Handreglern gesteuert. Carrera weist darauf hin, dass vielmehr der generationsübergreifende Gedanke bei dem Unternehmen im Fokus stehe. Damit Großvater und Enkel eben weiterhin zusammen ohne Technikbarriere spielen können. Die App übernimmt nur die Verwaltung von Rennen und Wettbewerben. Spieler können Profile anlegen, bevor sie gegeneinander antreten.

Abgesehen davon, dass die App grafisch nicht so ansprechend aussieht, wie die Animationen des Trailers es nahe legen, sind ihre Funktionen die größte Enttäuschung: Statt echter Fahrerprofile, mit denen Spieler sich auf einer Bahn einloggen können, kann man auf der App nur ein Foto und einen Namen lokal hinterlegen. Ähnlich verhält es sich auch mit den Autos. Die werden weder automatisch von der App erkannt, noch gibt es eine Datenbank, aus der man sein Auto wählen kann. Sondern: Jedes Auto muss abfotografiert und selbst in der App als Fahrzeug angelegt werden — was natürlich im Endergebnis entsprechend amateurhaft aussieht.

Ein Auto wird auch nicht automatisch über das Anlegen des Profils mit einem Fahrer oder einem bestimmten Handregler verknüpft. Das muss vor jedem Rennen manuell neu eingestellt werden. Die Carrera Race App ist quasi nichts als eine etwas komplexere Excel-Tabelle.

Wenn man ein Rennen startet, gibt die App das Startsignal und zählt die absolvierten Runden, die Zeit und den Spritverbrauch. Leider passiert das für alle Spieler auf einem einzigen Device, nicht für jeden auf seinem eigenen. In der Praxis hält also ein Spieler das Smartphone in der linken Hand, damit beide es sehen, während er in der rechten sein Auto mit dem Handregler steuert. Kein besonders gutes Handling.

Dabei ist die Erhebung der Fahrdaten gar nicht wirklich neu für Carrera. Bisher musste man, um sie anzeigen zu lassen, nur ein zusätzliches Gerät namens Carrera Cockpit kaufen, das am Rand der Bahn aufgestellt wurde. Wenn man etwa ein Tablet am Spielfeldrand aufstellt, spart man sich das jetzt — braucht aber dafür eben den neuen Bluetooth-Adapter.

Vergleicht man die Funktionalität von Carrera Digital mit dem Konkurrenten Anki Overdrive, wird schnell klar, wie oft die Carrera-Bahn bereits überrundet wurde. Die App hat kein Tutorial, das einem das System erklärt. Hat man es dann geschafft, die Bahn in Gang zu bringen und einen Cup zu starten, lässt einen die App in der Luft hängen. Sie macht keine Vorschläge für den Aufbau der Strecke oder für die Regeln des Rennens.

Es gehe Carrera um den „Motorsport für Zuhause“ sagt die Firma, weshalb es auch keine Spielsimulation über die App gebe und geben werde, in der sich Fahrzeuge gegenseitig abschießen. Die App sei letztlich „lediglich ein zusätzliches, optionales Feature für die Fahrer, um das Rennen noch digitaler und realer zu machen“.

Zwar können über die App — ähnlich wie bisher über die Kontrolleinheit — Spritmenge, Grundgeschwindigkeit und Bremsverhalten der Autos eingestellt werden. Doch ein darauf basierendes Spiel vermisst man. Der Spieler wird mit den Funktionen allein gelassen und muss sich selbst eigene Herausforderung stellen.

Trotz Smartphone-Features braucht man für die Carrera-Bahn immer noch einen Mitspieler. Intelligente Renngegner mit Autopilot oder Challenges wie bei Anki Overdrive vermisst man sofort. Die Carrera-Bahn ist, wenn man keinen Mitspieler hat, eine recht traurige Angelegenheit, bei der man im besten Fall versuchen kann, die eigene Bestzeit zu schlagen.

Auch Fans der Marke scheinen unzufrieden mit der Carrera Race App zu sein. Als Alternative empfehlen viele die App SmartRace, die es ebenfalls für Android und iOS gibt.

Was praktisch ist: Carrera Digital und die App sind prinzipiell kompatibel mit den meisten aktuelleren Carrera-Bahnen. Was man für die App-Nutzung braucht, ist eine der neuen, digitalen Kontrolleinheiten und den dazugehörigen Bluetooth-Adapter. Dann können auch alte Streckenteile weiterverwendet werden. Die App-Unterstützung gibt es für die zwei Carrera-Maßstäbe: 132 und 124. Nicht kompatibel ist es mit den 143er-Bahnen.

Preislich liegen die Starter-Sets, die man für die App benötigt weit über dem von Anki Overdrive. Für knapp 150 Euro kriegt man zwar eine Einsteiger-Box des kleinsten Maßstabes 143, was etwa der Größe von Anki Overdrive entspricht — doch hier gibt es keinen Anschluss für den Bluetooth-Adapter. Das von uns getestete Starter-Set im Maßstab 132 kostet hingegen um die 350 Euro. Dazu kommen dann noch knapp 35 Euro für das AppConnect-Set. Anki Overdrive kriegt man für etwa 180 Euro. In allen Fällen bekommt man meist zwei Autos und genug Bauteile für eine angemessen große Strecke. 

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