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Die Erforschung des bedingungslosen Grundeinkommens ist mühsam

von Nitasha Tiku (WIRED US)
Manche halten es für die Lösung vieler sozialer Probleme, andere für eine schwachsinnige Utopie: das bedingungslose Grundeinkommen. Leider gibt es bisher kaum abgeschlossene Studien, die mehr Klarheit in die Debatte bringen könnten. Das liegt auch daran, dass Pilotprojekte kompliziert sind – selbst für Silicon-Valley-Unternehmen.

Im Januar 2016 hat der Technologie-Inkubator Y Combinator angekündigt, eine Langzeitstudie zu finanzieren. In der soll es darum gehen, Menschen ein garantiertes monatliches Einkommen zu zahlen – besser gesagt: ein bedingungsloses Grundeinkommen. Das soll den Leuten die Angst vor der Automatisierung nehmen, die Arbeitsplätze zerstören könnte. Sam Altman, der Präsident des Y Combinators, klang damals in einem Blogbeitrag überzeugt. „Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass wir irgendwann in der Zukunft eine Version des Grundeinkommens auf nationaler Ebene sehen werden, wenn die Technologie weiterhin traditionelle Arbeitsplätze vernichtet und gleichzeitig im großen Stil neuer Wohlstand geschaffen wird. Es wäre also gut, jetzt einige der theoretischen Fragen zu beantworten.“

„Den Menschen genug Geld zum Leben zu geben ohne Bedingungen zu stellen“, sagte er, sei notwendig, um echte „Chancengleichheit“ zu erreichen, und könnte „echte Fortschritte bei der Beseitigung der Armut bringen“. Seine Hoffnung war, einer Gruppe von Amerikanern fünf Jahre lang ein solches Grundeinkommen zu verschaffen. Damals.

Erst jetzt, fast drei Jahre später, sagte YC Research, die gemeinnützige Abteilung des Inkubators, dass man die Studie nächstes Jahr beginnen will. Das Pilotprojekt in Oakland habe viel länger als erwartet gedauert. „Obwohl es für die Geldgeber frustrierend ist, war es aus Forschungssicht gut“, schrieb Elizabeth Rhodes, die Projektleiterin von YC Research, Mitte Juli in einer E-Mail an Oaklands Bürgermeisterin Libby Schaaf. Die E-Mail liegt WIRED vor.

2019 soll eine Studie mit 3.000 Teilnehmern starten

Im April unterzeichnete YC Research einen Vertrag mit dem Survey Research Center der University of Michigan: Man werde die Hochschule bei einer Studie unterstützen, die 3.000 Teilnehmern in zwei Bundesstaaten ein bedingungsloses Grundeinkommen ermöglichen soll. Voraussichtlich Anfang bis Mitte 2019 soll es losgehen, sagte Rhodes in einem Interview. Die genauen Standorte sollen erst im nächsten Monat festgelegt werden. Es werde aber jeweils um ganze Regionen gehen, nicht nur um einzelne Städte. Eintausend Menschen werden 1.000 Dollar pro Monat erhalten, eine Kontrollgruppe mit 2.000 Menschen 50 Dollar pro Monat. Einige Teilnehmer bekommen die Zahlungen drei Jahre lang, andere fünf Jahre.

Die Studie spiegelt das weltweit wachsende Interesse am Konzept eines universellen Grundeinkommens wider. Dessen Ansatz unterscheidet sich von den meisten bestehenden US-Sozialprogrammen, die auf dem konkreten Bedarf von Menschen basieren oder Arbeitsauflagen beinhalten.

Inmitten der wachsenden öffentlichen Angst vor Ungleichheit und dem Verlust von Arbeitsplätzen durch die Automatisierung beschäftigen sich Technokraten im Silicon Valley zunehmend mit dem garantierten Einkommen. Doch ihr Interesse – und ihr Geld für Forschungsprojekte – erntet nicht nur Anerkennung. Die Gesten sind auch als selbstsüchtig kritisiert worden – schließlich plädieren einige Tech-Milliardäre gegen höhere Steuern, die ebenfalls dafür eingesetzt werden könnten, grundlegende Dienstleistungen für Familien mit niedrigem Einkommen zu finanzieren.

Weltweit gibt es Testläufe

Ein kleineres Projekt in Stockton, Kalifornien, das zum Teil vom Facebook-Mitbegründer Chris Hughes finanziert wird, ist schon etwas weiter fortgeschritten als die nun vom Y Combinator geplante Studie. Letzte Woche gab Stockton einen Bericht heraus, der Pläne schildert, 100 Familien mit niedrigem Einkommen 18 Monate lang 500 Dollar pro Monat zu geben. Das Geld stammt aus einem Fonds des Economic Security Project mit 1,2 Millionen Dollar. Dabei handelt es sich um einen gemeinnützigen Verein, in dessen Vorstand Hughes und andere Spender aus dem Tech-Sektor sitzen. Im November werden Mitteilungen an 1.000 zufällig ausgewählte Haushalte in Wohngegenden verschickt, in denen das durchschnittliche Jahreseinkommen 46.000 US-Dollar oder weniger beträgt, um die Bewohner wissen zu lassen, dass sie sich qualifizieren können.

Das Forschungszentrum der University of Michigan sammelt außerdem Daten für ein großes Forschungsprojekt mit dem Namen „Baby's First Years“. Dafür werden 1.000 einkommensschwache Mütter aus Krankenhäusern in vier Städten rekrutiert, von denen die Hälfte bedingungslos 333 Dollar pro Monat erhält, während die Kontrollgruppe 20 Dollar pro Monat erhält. Andere aktuelle Projekte werden von den Regierungen in Finnland, den Niederlanden und Indien finanziert. Frühere Bemühungen in Brasilien wurden von privaten Spendern ermöglicht. Die größte aktuelle Studie in Kenia und Uganda wird von den gemeinnützigen Organisationen GiveWell und Google.org unterstützt.

Geld zu verschenken ist schwerer, als man denkt

Elizabeth Rhodes, Y Combinator

Doch zurück zu den Plänen des Y Combinators: YC Research schätzt, dass die Studie mit den 3000 Teilnehmern etwa 60 Millionen Dollar kosten wird. Drei Viertel davon wird in die monatlichen Zahlungen an die Teilnehmer fließen. Rhodes sagt, dass man mit Einzelpersonen, nationalen Stiftungen und lokalen wohltätigen Gruppen spricht und die Studie nicht beginnen wird, bis die Finanzierung gesichert ist.

Die bisherigen Fortschritte kamen eher schleppend. Im April 2017 beschrieb Altman ein Pilotprojekt für die Studie mit 100 Familien in Oakland, die monatlich 1.500 Dollar erhalten sollten. Aber in einem 32-seitigen Bericht, der im September 2017 veröffentlicht wurde, schrieb der Y Combinator: Weniger als 10 Personen haben am ersten Test teilgenommen. Rhodes sagte jetzt, man hoffe, bis Ende September dieses Jahres zumindest auf 30 bis 40 Teilnehmer zu kommen. Diese werden nach dem Zufallsprinzip verschiedenen Gruppen zugeordnet, um dann ihr Verhalten zu beobachten. Ziel des Pilotprojektes ist es, Abläufe zu verfeinern, und zu testen, wie man das Engagement der Kontrollgruppe aufrechterhalten kann, auch wenn deren Mitglieder nur 50 Dollar pro Monat erhalten.

Absprachen mit Behörden und Universitäten brauchen Zeit

Rhodes sagt, es nehme viel Zeit in Anspruch, mit den Sozialämtern und der Steuerbehörde zusammenzuarbeiten, damit keine Studienteilnehmer wegen des Grundeinkommens bestehende Vergünstigungen verlieren. „Es ist schwerer, Geld zu verschenken, als man denkt, aber wir sind sehr darauf bedacht, alle Herausforderungen zu meistern und alle möglichen Szenarien zu durchdenken, bevor wir anfangen.“ Auch die Absprachen mit den Universitäten, die die Studie überwachen sollen, war aufwendig.

Obwohl das Pilotprojekt nur schleppen anlief, sagte Y Combinator-Präsident Altman nun, dass er die Chancen des Grundeinkommens noch genauso groß einschätzt wie 2016. Es könnte aus seiner Sicht ein unglaubliches Potenzial freisetzen, wenn die Menschen sich nicht mehr ständig um ihre Grundbedürfnisse kümmern müssen. Auch wenn die Grundbedürfnisse erfüllt sind, wären die Menschen immer noch motiviert, zu arbeiten und produktiv zu sein. „Das menschliche Verlangen nach Status und anderen albernen Dingen ist grenzenlos“, glaubt Altman.

WIRED.com

Dieser Artikel erschien zuerst bei WIRED.com
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