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Der Schlüssel zu einem langen Leben liegt (fast) nicht in unseren Genen

von Megan Molteni (WIRED US)
Eure Oma wurde 110 und ihr hofft, dass ihr deshalb genauso alt werdet? Könnte klappen. Aber vermutlich nicht, weil eure Oma euch gute Gene vererbt hat. Denn Wissenschaftler vom Google-Mutterkonzern Alphabet haben nun herausgefunden, dass die DNA deutlich weniger Einfluss auf unsere Lebenserwartung hat als bisher angenommen.

Im Jahr 2013 kündigte Google-Mitbegründer Larry Page die Gründung einer neuen Abteilung innerhalb des Google-Mutterkonzerns Alphabet an. Ihr Ziel: die Menschheit von der lästigen Sterblichkeit befreien. Seitdem versucht das mit Milliarden ausgestattete Labor, das als Calico – kurz für California Life Company – bekannt ist, die Biologie des Alterns gründlich auseinanderzunehmen, um eines Tages den Tod zu besiegen. Das supergeheime Forschungsprojekt hat bisher zwar nur wenige Details darüber veröffentlicht, was es tatsächlich in seinem Labor im Silicon Valley treibt, aber es gibt Hinweise. Zu den ersten Mitarbeitern des Unternehmens gehörte die renommierte Genetikerin Cynthia Kenyon, eine Forscherin der University of California in San Francisco (UCSF), die vor 20 Jahren die Lebensdauer eines Fadenwurms im Labor verdoppelte, indem sie einen einzigen Buchstaben in seiner DNA umdrehte.

Kurz nachdem sie zu Calico gekommen war, rekrutierte Kenyon einen weiteren UCSF-Forscher, den Bioinformatik Graham Ruby. Er wollte sich zunächst aber nicht mit der Wurmgenetik beschäftigen oder die langlebigen Nacktmull-Ratten studieren, die die Firma in Koloniestärke hielt. Er wollte lieber eine viel größere Frage stellen: Wie groß ist die Rolle, die Gene wirklich dabei spielen, wie lange jemand lebt? Andere Wissenschaftler hatten bereits versucht, diese Frage zu beantworten. Doch das führte zu widersprüchlichen Ergebnissen. Um die Sache zu klären, müsste man also viel, viel mehr Daten bekommen. Also wandte sich Calico an den Besitzer der größten Datenbank von Familien-Stammbäumen der Welt, das Konsumgenetik- und Genealogieunternehmen Ancestry.

Lässt sich eine lange Lebenserwartung vererben?

Im Jahr 2015 gründeten die beiden Unternehmen eine Partnerschaft, um gemeinsam zu untersuchen, ob Lebenserwartung von Mensch zu Mensch vererbt wird. Graham Ruby konnte dafür die riesigen Datenbestände von Ancestry durchsieben. Bei der Analyse der Stammbäume von mehr als 400 Millionen Menschen, die in Europa und Amerika lebten und bis ins Jahr 1800 zurückgingen, fand er etwas Überraschendes heraus: Langlebigkeit liegt zwar tendenziell in der Familie. Doch die DNA hat weit weniger Einfluss darauf, wie lange man lebt, als bisher angenommen. Die Ergebnisse seiner Untersuchung wurden kürzlich in der Zeitschrift Genetics veröffentlicht.

„Vererblich waren von der menschlichen Langlebigkeit innerhalb der [untersuchte] Kohorte wahrscheinlich nicht mehr als sieben Prozent“, sagt Ruby. Frühere Schätzungen darüber, wie sehr Gene die Schwankungen der Lebensdauer erklären, lagen zwischen etwa 15 und 30 Prozent. Was hat Ruby also herausgefunden, das in früheren Studien übersehen wurde?

Es stellte sich heraus, dass es bei jeder Generation viel wahrscheinlicher ist, dass Menschen Partner mit einer ähnlichen Lebensdauer auswählen, als es der Zufall voraussagen würde. Das Phänomen, das als assortative Paarung (also übereinstimmende Partnerwahl) bezeichnet wird, könnte auf genetischen oder soziokulturellen Merkmalen oder beidem basieren. Beispielsweise könnte man einen Partner wählen, der auch lockiges Haar hat, und wenn die Locken irgendwie mit einer langen Lebenserwartung in Verbindung gebracht werden, wären die Kinder eines solchen Paares überdurchschnittlich langlebig. Das Gleiche gilt für nicht-genetische Merkmale wie Reichtum, Bildung und Zugang zu guter Gesundheitsversorgung. Menschen neigen dazu, Partner in derselben Einkommensgruppe mit gleichem Bildungsgrad zu wählen, was beides mit einem längeren und gesünderen Leben verbunden ist.

Überraschende Gemeinsamkeiten mit den Schwiegereltern

Der erste Hinweis auf diese Erkenntnis, also darauf, dass auch etwas anderes am Werk sein könnte als Genetik, tauchte auf, als Ruby begann, sich in der 400-Millionen-Personen-Datenbank die verschwägerte Verwandtschaft anzuschauen – und nicht nur Eltern-Kind-Paare, Geschwister oder Cousins. Bei den Schwiegereltern wurde es seltsam. Die Logik legt nahe, dass man keine bedeutenden DNA-Bausteine mit dem Ehepartner seiner Geschwister teilen sollte – sagen wir, mit der Frau des Bruders oder dem Mann der Schwester. Aber laut Rubys Analyse war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Menschen, die so nah verwandt waren, eine ähnliche Lebenserwartung hatten wie Menschen, die blutsverwandt waren. „Ich könnte mich ohrfeigen, weil ich davon überrascht war“, sagt Ruby. „Auch wenn noch nie jemand die Wirkung einer assortativen Paarung so deutlich gezeigt hat, passt sie gut zu dem, wie menschliche Gesellschaften strukturiert sind.“

Es sieht also danach aus, dass der Mensch selbst mehr Kontrolle darüber hat, wie lange er lebt, und sich nicht nur auf seine Gene verlassen muss. Es sind all die anderen Dinge, die Familien teilen – Häuser und Viertel, Kultur und Küche, Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung –, die den deutlich größeren Unterschied bei der Lebenserwartung machen.

Nicht rauchen und nicht in den Krieg ziehen!

Möglicherweise ist das der Grund, warum Catherine Ball, die wissenschaftliche Leiterin von Ancestry, sagt, dass das Unternehmen derzeit nicht plant, bei seinen DNA-Analysen auch eine Einschätzung zur Lebenserwartung anzubieten. „Im Moment scheint eine gute Lebenserwartung eher eine Folge der Entscheidungen zu sein, die wir treffen“, sagt sie. Sie verweist auf Stellen in den Daten, an denen die Lebenserwartung von Männern während des Ersten Weltkriegs stark beeinträchtigt wurde, und dann in zwei Wellen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als Männer und dann Frauen anfingen zu rauchen. „Nicht rauchen und nicht in den Krieg ziehen. Das sind meine beiden Ratschläge“, sagt sie. Und sich vielleicht Zeit zum Trainieren nehmen.

WIRED.com

Dieser Artikel erschien zuerst bei WIRED.com
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