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Der ewige Kreislauf der Netzpolitik funktioniert nicht mehr

von Johnny Haeusler
Unser Kolumnist ist genervt und gelangweilt von den immer gleichen Mechanismen in Sachen Netzpolitik. Nach der Ankündigung eines Gesetzes gegen Hasskommentare durch Justizminister Maas wünscht Johnny Haeusler sich Expertenkreise statt Kreisbewegungen.

Es ist immer das Gleiche, mittlerweile fast langweilig: Erst tun sich Herausforderungen – Probleme gar – im Zusammenhang mit der digital vernetzten Gesellschaft auf (aktuelle Buzzwords: Hate Speech, Trolling, Fake News), die in Kolumnen, Artikeln und Talkshows diskutiert werden. Halten sich die Themen, schaltet sich irgendwann auch die Regierungspolitik ein. Manchmal, weil es ihre Aufgabe ist, manchmal, weil sie es als Chance für Profilierung oder Wahlkampf sieht. Und manchmal sicher auch, weil sie es für nötig und richtig hält.

Die darauf folgenden politischen Äußerungen oder Entwürfe werden dann von Seiten der netzpolitischen Fachleute fast naturgemäß verhöhnt oder gleich komplett auseinandergenommen (meistens beides, oft wenigstens teilweise zurecht). Woraufhin die Debatte in besonders populären beziehungsweise unpopulären Fällen erneut aufflammt und dabei auch gerne mal die ursprüngliche Fragestellung und erst recht gute Ansätze, die weiter verflogt werden könnten, vergessen werden.

Nicht selten mischen sich unter die Kommentare Verschwörungstheorien, und Menschen mit eigentlich konträren politischen Haltungen und Zielen merken gar nicht mehr, dass sie sich gerade gegenseitig zustimmen. Und auch die Unternehmen, längst Teil politischer Prozesse und Entscheidungen, mischen mit, mal direkt und öffentlich, mal indirekt durch Lobbyisten.

Eilig entworfene Gesetze helfen ebenso wenig wie das alleinige Nörgeln daran

Einige Monate später legen Regierungsvertreter neue Versionen ihrer ersten Ideen vor und die Netzmenschen erkennen weitere grobe Fehler. Die Regierungsvetreter haben jetzt aber echt die Nase voll und sowieso keine Zeit mehr, das Ganze soll doch endlich Gesetz werden! Dann kommt Karlsruhe und kippt alles. Und alles geht wieder von vorne los.

Seit Dienstag sind diese Kreisbewegungen wieder mal in voller Fahrt. Bundesjustizminister Heiko Maas stellte seinen „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken“ vor, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Netzpolitik.org hält wenig später mit gleich zwei Artikeln und vielen Konjunktiven dagegen. Und schon sind wir wieder mittendrin. 

Natürlich sind das eingespielte Mechanismen, die irgendwie auch Teil einer Diskurskultur und auch der Demokratie sind. Es ist der Job von Politik, Lösungsvorschläge zu unterbreiten, und es ist der Job von Journalismus, diese Vorschläge unter die kritische Lupe zu nehmen sowie auf Fallstricke und Fehler hinzuweisen. Ein Kreislauf, der sich im besten Fall langsam vorwärts spiralisiert, um irgendwann bei guten und nachhaltigen Lösungen zu landen.

Irgendwann. Im besten Fall. Wie lange das aber dauern kann, und wie selten ein Fall der beste ist, das haben wir in den vergangenen Jahren leider oft genug erleben müssen. Vielleicht funktioniert der ewige Kreislauf der Netzpolitik also einfach nicht mehr.

Und weil alles immer das Gleiche und mittlerweile fast langweilig ist, wünsche ich mir statt absurder Kreisbewegungen echte Kreise: Gesprächs-, Diskurs- und Entscheidungskreise. Aus Expert*innen und Öffentlichkeit. Lokal und International. Gerne unter politischer Federführung, aber immer mit dem Ziel, Lösungen zu finden und aus dem ewigen, lähmenden Zyklus auszubrechen.

Wenn es Regierungen an offensichtlicher Expertise fehlt, vor allem aber, wenn es um den möglichst sinnvollen Umgang mit globalen Herausforderungen geht, dann helfen eilig entworfene nationale Gesetze ebenso wenig wie das alleinige Nörgeln daran. Es hilft nur die Kombination aus Ursachenforschung, kombinierten Kräften und Methoden, um für Prävention (und im Fall von Straftaten für zeitnahe Ahndung) zu sorgen.

Weltweit – zum Beispiel in Kenia – stellen sich Expert*innen, Forscher*innen und andere kluge Menschen den kniffligen Fragen der Online-Gesellschaft, die ja zweifelsohne auf Beantwortung warten. Lösungsorientierte Akteure an einen Tisch zu bringen würde daher sicher auch hierzulande mehr bringen als der Ringelpietz, den wir uns nun zum x-ten Male anschauen dürfen.

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