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Der BMW Vision iNext ist ein elektrisches Avantgarde-SUV ohne Knöpfe oder Tasten

von Michael Förtsch
Nach langer Geheimnistuerei hat BMW jetzt seinen mysteriösen Konzeptwagen Vision iNext enthüllt. Der soll einen Ausblick darauf geben, wie sich der Autobauer die Zukunft der Elektrofahrzeuge vorstellt. Die ist offenbar groß, breit und setzt auf Touch- und Sprachsteuerung.

Einige Minuten ging es mit einem Bus quer über den weitläufigen Flughafen München. Dann kam er vor einer mit BMW i3 umstellten Boeing 777F der Lufthansa-Cargo-Flotte zum stehen, die über den letzten Monat hinweg umgerüstet worden war. Nämlich zu einem interaktiven Showroom für das, von dem BMW glaubt, dass es die Zukunft der E-Mobilität darstellt: den BMW Vision iNEXT. Mit delphischen Silhouettenbildern und bedeutungsschwangeren Teaser-Videos hatte der bayerische Autofabrikant das Konzeptfahrzeug angekündigt. Nun war BMW bereit, den Wagen in Gänze zu zeigen, zu erklären und einige Fakten zu verraten – zunächst in München und folgend, daher der umgerüstete Frachtflieger, in New York, San Francisco und Peking.

Wie schon vorab klar geworden war, handelt es sich beim BMW Vision iNext um ein SUV, das BMW aber nicht so genannt sehen möchte. Wohl wegen dem Ruf als platzraubende und umweltbelastende Stahlburgen, der den urbanen Geländewagen anlastet. Der iNEXT sei dagegen, wie BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich sagt, ein „SAV, ein ein Sports Activity Vehicle“, wie schon der X5 betitelt worden war. Der stand offenkundig auch für die Dimensionen des Wagens Pate. Denn breit und lang ist der iNext. Ganz anders hingegen jedoch die Form: Die zeigt keine geschwungenen Wellen, sondern glatte Flächen und klare Kanten, die das wuchtige Fahrzeug wie ein Coupés wirken lassen. An der Front leuchtetet eine überdimensionierte BMW-Niere, die eine Carbonplatte umfasst, deren Muster einen Kühlergrill andeutet, den der Wagen nicht braucht. Stattdessen sollen sich dahinter – wie auch hinter weiteren Teilen der opulenten Karosserie – verschiedenste Sensoren verstecken.

Lounge Feeling

Überdimensioniert ist auch die Fensterfläche. Die Frontscheibe geht dafür nahtlos in ein Panoramadach über. Auch eine klassische B-Säule existiert beim iNext nicht. Nur zwei an das Notch des iPhone X erinnernde Einstufungen – die es schon beim i Vision Dynamics gab – deuten sie an. Der Innenraum dahinter gleicht eher einer eleganten Lounge statt einem klassischen PKW-Interieur, das über gegenläufig öffnende Selbstmördertüren bestiegen wird. Natürlich nicht über das Ziehen an einem Türgriff, sondern Sensoren, die Schlüssel und Hand erkennen. Auch wenn der iNext höchst autonom fahren soll, gibt ein Lenkrad und eine Pedalerie, die ausgefahren werden, wenn der Fahrer die Kontrolle übernehmen will oder muss. Level-3-Autonomie wird für Autobahnen und Fernstraßen versprochen aber „technisch sind wir in der Lage, Level 4 anzubieten“, sagt Klaus Fröhlich. Denn eigentlich soll der Wagen den Passagieren soviel Arbeit wie möglich abnehmen.

Die beiden Sitze im Fond könnten daher ebenso in einem hippen Club stehen. Gleichsam wie eine durchgehende Sitzbank im Heck, die auf den ersten Blick aber an eine abgewetzte Couch denken lässt. Dazu kommen viel Holz und Stoff, die den Wagen, wie Designer Adrian van Hooydonk sagt, „zum fahrenden Lieblingsort machen“ würden. Instrumente oder Knöpfe? Die gibt es im iNext nicht. Stattdessen sind auf dem Armaturenbrett zwei gegeneinander verschobene Touchscreens aufgesteckt, die einerseits die Instrumententafel ersetzen. Andererseits sollen darauf irgendwann jede Menge Services laufen: Netflix, Spotify oder Twitch könnten dazu gehören.

Bei der Präsentation zeigt der größere der beiden Screens einen dynamischen Routenplaner, der den Wagen stets so dirigieren soll, dass er sich dem Tagesablauf des Fahrers anpasst: Wenn der morgens noch einen Kaffee holen will, muss er das einfach nur antippen – oder, dank einem bereits zuvor angekündigten KI-Assistenten, sagen. Schon würde der Arbeitsweg um einen Abstecher zum Lieblingscafé erweitert. Ebenso soll er, wenn der Fahrer das will, auch stets für ihn interessante Orte und Veranstaltungen anzeigen. Denn der Wagen würde seinen Fahrer kennenlernen, Interessen und Vorlieben erkennen und in einem Profil speichern – das auch in andere BMWs hinübergetragen werden könne. Denn schließlich will BMW ab 2025 schon 20 elektrische Wagen auf dem Markt haben.

Andere Systeme im iNext lassen sich hingegen mit den Fingerspitzen bedienen, da nahezu jede mit der Hand erreichbare Oberfläche, mit Touch-Sensoren durchzogen ist. Sei es die mit perforiertem Holz verkleidete Mittelkonsole oder der Enlighted Cloudburst getaufte Stoffbezug der Couch im Heck. Wie eine BMW-Entwicklerin demonstriert, kann mit einem Finger ein angedeuteter Notenschlüssel auf den Stoff gezeichnet und dann mit den Fingern ein imaginärer Kreis klein oder groß gezogen werden, um die Lautstärke hoch- oder runterzuregeln. Dabei folgen den Fingern durch eingewogene LED-Leuchten kleine Lichtpunkte. Das ist schick, effektvoll und futuristisch aber vielleicht nicht unbedingt so effektiv, wie ein Knopf am Autoradio. Stolz ist BMW auch auf einen Mini-Beamer im Wagenhimmel über der Rückbank, der sowohl als Innenraumbeleuchtung als auch als Projektor dienen kann, um Filme, Texte oder auch Websites auf eine beliebige Oberfläche zu projizieren. Derzeit funktioniert das aber nur mit einem leeren Buch, das ein Sensor an QR-Code-artigen Markierungen auf den Seiten erkennt.

Der Wagen kommt 2021 – aber sicher nicht so

Wie BMW ansagt, wird der iNext 2021 auf den Markt kommen. Allerdings ist es schwer vorstellbar, dass das avantgardistische SUV so erscheint, wie es der bayerische Autohersteller nun präsentierte. Ähnlich wie auch schon der Mercedes EQC werden vom Concept Car bis zum Straßenauto wohl nicht wenige der futuristischen Form-, Stil- und Technologieelemente wegfallen. Auch die Form dürfte letztlich zahmer und gefälliger werden. Dazu bleibt BMW bei den Leistungsdaten des iNext momentan noch recht ungefähr und hält sich mit allzu genauen Werten und Angaben zur Elektrifizierung zurück. Lediglich, dass der iNext „enorme Power“ habe, wird gesagt. Was die Reichweite betrifft, soll der Wagen in der Standardausführung rund rund 500 bis 550 Kilometer stemmen. Wer mehr zahlt, würde einen Akku verbaut bekommen, der ganze 700 bis 750 Kilometer schafft.

Geliefert werden die Lithium-Ionen-Batterien übrigens vom chinesischen Unternehmen Contemporary Amperex Technology. Einen Vertrag über vier Milliarden Euro hat BMW mit dem Zuliefergiganten unterschrieben. Der hat erst im September offiziell angekündigt, bei Erfurt ein hochautomatisiertes Batteriewerk zu bauen, aus dem die iNext-Batterien kommen sollen.

Der iNext könnte ohne aufzufallen durch eine Szene von Minority Report – dem Film, nicht der Serie – rollen. Er ist deutlich radikaler und weitergedachter als der – zumindest optisch futuristische – Hybrid-Sportler i8, der BMW-Mini-Stromer i3, das für 2020 geplante SUV iX3 und sogar der spirituell verwandte Konzeptwagen i Vision Dynamics. Laut Klaus Fröhlich solle das Auto schließlich „unseren Führungsanspruch in diesen Technologien untermauern.“ Wobei es scheint, als wäre die Elektrifizierung für BMW weniger essentiell als die Digitalisierung und Möglichkeit, dem Fahrer das Steuer abzunehmen. Das ist etwas, das wiederum an der Konsequenz des Konzeptwagens zweifeln lässt. Sicher ist jedoch: Für BMW ist das Elektroauto der Zukunft weniger Fortbewegungsmittel, sondern mehr ein rollender Aufenthaltsort. Jetzt bleibt abzuwarten, ob sich diese Vision in Serie übersetzen lässt. Denn letztlich soll der iNext als „Zukunftsbaukasten“ für die noch kommenden BMW-Elektrofahrzeuge dienen.

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