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Los geht's für das erste Brennstoffzellen-Passagierflugzeug Hy4

von Kai Schächtele
Vom Flughafen Stuttgart ist Hy4 zu seinem offiziellen Erstflug gestartet, das erste emissionsfreie Passagierflugzeug, angetrieben von Brennstoffzellen und einer Batterie.WIRED hat die Testphase des Projekts in Slowenien begleitet: Der Fotograf Christoffer Rudquist durfte die Maschine und ihre Erfinder porträtieren.

Update 29.9.2016: Der Erstflug hat geklappt. Knapp zehn Minuten war das Hybridflugzeug Hy4 in der Luft, kreiste über dem Landesflughafen von Baden-Württemberg in Stuttgart. 

Sieht die Zukunft des Flugverkehrs aus wie siamesische Segel­flug-Zwillinge, die in der Mitte zusammengewachsen sind? Zwei Rümpfe links und rechts, jeweils mit zwei Sitzen hinter Plexiglas. In der Mitte ein Wall mit Propeller. Spannweite: 21,36 Meter. Das ist die Hy4, das erste Passagierflugzeug der Welt, das kein CO2 in die Atmosphäre bläst.

Wenn dauerhaft gelingt, woran mehrere Partner, darunter das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), seit eineinhalb Jahren arbeiten, wäre Elektromobilität nicht länger eine Sache der Straße, sie würde auch in den Himmel aufsteigen. Es wäre nach der gelungenen Welt­umrundung der Solar Impulse 2 im Sommer, die ausschließlich mit Sonnenenergie flog, die nächste Sensation in der Luftfahrtindustrie.

Die Hy4 kommt komplett ohne fossile Energien aus. Hauptenergiequelle des Hybridflugzeugs sind vier Brennstoffzellen, die Wasserstoff und Luftsauerstoff in Wasser und elektrische Energie umwandeln. Etwa 1,2 Kilogramm, aufbewahrt in einem kohlefaserverstärkten Hochdruck-Tank, reichen aus, um 100 Kilometer weit zu kommen. Mit dem vom DLR entwickelten Brennstoffzellen-System und einer Druckbetankung von 700 bar sollen später sogar 1500 Kilometer möglich sein. Um die Energie für Start und Steigflüge aufzubringen, hat die Maschine zusätzlich eine Lithium-Hochleistungsbatterie an Bord.

Ein emissionsfreies Flugzeug im Regelbetrieb: Es wäre ein erster Schritt für die Luftfahrtindustrie in die Post-Fossil-Ära. Wenn die Welt Ernst macht damit, im Laufe des Jahrhunderts das Öl im Boden zu lassen, müssen auch Flugzeugbauer nach Alternativen suchen. Was heute greifbar scheint, wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht ein paar Visionäre unermüdlich an ihrem Traum gearbeitet hätten.

Josef Kallo etwa, DLR-Koordinator Energiesystem-Integration und seit einem Jahr auch Leiter des Instituts für Energiewandlung und -speicherung an der Universität Ulm: In seinem ersten Leben hat er bei General Motors die Brennstoffzellen-Technologie für Autos vorangetrieben. Parallel arbeiteten Teams des DLR in Hamburg und Stuttgart daran, den Einsatz von Brennstoffzellen in der Luftfahrt zu erproben, an kleinen Maschinen wie an gro­ßen. 2009 stieg mit der Antares DLR-H2 der erste einsitzige Brennstoffzellen-Flieger der Welt in die Luft. Zuständig für den Antrieb war die Mannschaft aus Schwaben. Im Jahr 2011 wurde in Hamburg am DRL-eigenen Airbus A320 ATRA das Bugrad per Brennstoffzellen angetrieben. Damit ließ sich das Flugzeug am Boden vollständig emissionsfrei rangieren. Und für das Hilfstriebwerk des A320, das üblicherweise aus einer Gasturbine besteht, wird im Moment ein neues Brennstoffzellen-Konzept entwickelt.

Erst die slowenische Firma Pi­pistrel aber gab dem Flugzeug die Form, mit der sich auch Passagiere transportieren lassen. Vor fünf Jahren gewannen deren Konstrukteure die von der NASA ausgerichtete und von Google gesponserte 2011 Green Flight Challenge. Mit dem hübschen Namen Taurus G4 schickten sie ein batteriebetriebenes Flugzeug ins Rennen – mit zwei Rümpfen rechts und links und einem Wall in der Mitte.

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Seit dem Frühjahr verbrachte die Hy4-Mannschaft viel Zeit in deren Werkhallen, um die vielen Einzelteile zu einem Flugzeug werden zu lassen. „Das Schöne ist: Wir sind ein Team mit flachen Hierarchien“, sagt Kallo. „Ohne die Euphorie und den Einsatz jedes Einzelnen wären wir nicht so weit gekommen.“

Der 43-Jährige ist kein Typ, der sich gern in den Mittelpunkt stellt, im Gegenteil. Tine Tomažić, der technische Leiter von Pipistrel, sei mindestens so wichtig wie er, betont Kallo. Genauso wie Steffen Flade vom DLR, zuständig für Antriebs­sys­tementwicklung, oder Thomas Stephan, CEO von H2Fly, einer Ausgründung des DLR, die dafür sorgt, dass der Testbetrieb der Hy4 so dokumentiert ist, dass sich daraus auch Rückschlüsse für die Zukunft der Luftfahrt ziehen lassen.

So revolutionär das Konzept auch klingt, so wenig werden Menschen allerdings emissionsfrei von München nach New York fliegen können. Die begrenzte Reichweite und das geringe Platzangebot definieren das Einsatzgebiet der Hy4. „Mit der heutigen Technologie werden wir einen 40-Sitzer bauen können, der mit 450 bis 500 Kilometern pro Stunde etwa 1000 Kilometer weit kommt“, erklärt Kallo. „Mehr gibt die Wasserstoffspeichertechnologie nicht her.“ Er geht davon aus, dass die Hy4 als Air-Taxi Flughäfen miteinander verbindet und Großstädte mit entlegenen Regionen. Und auch darauf werden wir nach seiner Prognose noch 20 Jahre warten müssen.

An diesem Flugzeug mitzu­wirken, sei, wie Zeuge einer Geburt zu sein, sagt Kallo. Nach dem Jungfernflug soll eine zweieinhalb­jährige Testphase beginnen, in der sich zeigen wird, welche Probleme auftreten und welchen Wartungsbedarf das Flugzeug hat. Doch schon jetzt sei er erleichtert, sagt der Hobbypilot. „Ich weiß jetzt: Ich kann auch fliegen, wenn ich älter sein werde und es kein Kerosin mehr gibt.“ Kallo hat sich auch selbst seinen Traum vom Fliegen erfüllt.

Alle Fotos von der Hy4 und mehr über die Zukunft der Luftfahrt gibt es in der neuen Ausgabe von WIRED – ab 4. Oktober am Kiosk.

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