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China: Wer im Zug raucht, wird mit negativen Social Credits bedroht

von Michael Förtsch
In China wird derzeit ein System getestet, das Bürgern einen Wohlverhaltens- und Sozialwert zuweist. Ein Video eines Journalisten zeigt nun, wie Passagiere in einem Schnellzug mit einem Punkteabzug bedroht werden. Ein schlechter Score kann in China schwerwiegende Folgen haben.

Vor rund fünf Jahren hatte die chinesische Staatsregierung beschlossen, das so genannte Social Credit System einzuführen. Dabei handelt es sich um einen auf den einzelnen Bürger bezogenen Wertungsapparat. Basierend auf Einträgen in Strafakten, Kundenprofilen bei Unternehmen, Kreditkartenabrechnungen, Steuerbescheiden aber wohl auch Social-Media-Kanälen und Bankregistern – was alles einfließt, ist weitestgehend geheim – wird durch Formeln und Algorithmen ein ganz persönlicher Wohlverhaltenswert berechnet. Nicht unähnlich dem, was Auskunfteien wie die Schufa für die Kreditwürdigkeit von Personen tun oder die Netflix-Serie Black Mirror in ihre Folge Nosedive zeigt.

Nun hat hat der Journalist und Autor James O'Malley auf Twitter einen kurzen Clip aus einem chinesischen Schnellzug veröffentlicht, der zeigt, wie das Social Credit System aktiv als Druckmittel eingesetzt wird: In einer Durchsage werden die Passagiere auf einer Bahnstrecke zwischen Peking und Schanghai gewarnt, dass, wer ohne Ticket fährt, sich auffällig verhält oder in öffentlichen Räumen raucht, bestraft würde. Und zwar mit einem Eintrag im „individuellen Kredit-Information-System.“ Wer das vermeiden will, der solle sich an die Regeln halten und gut benehmen.

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Im Jahre 2020 gilt der Social Credit für alle

Noch befindet sich das Social Credit System in einem Testlauf auf mehr oder minder freiwilliger Basis. Aber bereits im Jahre 2020 soll jeder Bürger verpflichtend eingebunden werden. Einen negativen Niederschlag auf die persönliche – und zumindest bisher nicht selbst einsehbare – Wertung sollen vor allem Straftaten haben. Aber auch Vergehen wie das Überqueren einer Straße, ohne auf Grün zu warten werden vermerkt – ebenso wie anderes auffälliges oder nicht gesellschaftskonformes Verhalten. Zur Erfassung dienen dabei natürlich die Internet- und in Städten nahezu flächendeckende Kameraüberwachung und Gesichtserkennung. Selbst zu viele Krankentage, eine Kündigung oder sogar „Unehrlichkeit“ sollen einfließen. Positiv werden hingegen gemeinnützige Arbeit, akademische Leistungen und das pünktliche Bezahlen von Rechnungen vermerkt. Die Folgen eines schlechten Wertes? Die können durchaus einschneidend sein.

Im Jahre 2016 durfte ein Anwalt namens Li Xiaolin plötzlich kein Flugticket mehr kaufen. Er war dadurch aufgefallen, dass er bei einer vom Gericht angeordneten Entschuldigung nicht aufrichtig genug gewesen war – und dadurch gegen eine rechtliche Auflage verstoßen hat. Ebenso kann ein negativer Wert oder Eintrag ein Reiseverbot mit Schnellzügen, ein Buchungsverbot bei Hotels, Ausschluss aus Privatschulen und Universitäten oder sogar die Drosselung des eigenen Internetanschlusses bedeuten. Auch bestimmte Berufe und vor allem Beamtenstellen sind dann gesperrt. Wer hingegen einen guten Credit hat, der wird bei Behörden bevorzugt behandelt, kann mit einem Rabatt auf Stromrechnungen hoffen, schneller einen guten Job oder eine gute Wohnung zu finden.

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Auch Privatunternehmen bewerten ihre Kunden

Neben dem offiziellen Social Credit System der chinesischen Regierung existieren in China mittlerweile auch mehrere private Systeme wie Zhima Credit, das zum Technologiegiganten Alibaba gehört – der pikanterweise als Technologiepartner des Regierungsprojektes auftritt und natürlich seine Daten mit dem Staatsapparat teilt. Bei Alibaba fließen nicht nur Bank- und Bestelldaten aus dem eigenen Online-Shop und Daten von Partner-Unternehmen wie dem Bike-Sharing-Dienst Ofo ein, sondern auch gänzlich persönliche Informationen.

Wer beispielsweise zu viel in sozialen Netzwerken unterwegs ist, zu oft Videospiele spielt, der wird vom Zhima-Credit-System als faul oder unkonzentriert abgestraft – etwas, das Alibaba mittlerweile jedoch bestreitet. Punktabzüge sind auch möglich, wenn man den falschen Leuten folgt oder mit negativ bewerteten Menschen befreundet scheint. Grund für die freiwillige Teilnahme an solchen kommerziellen Systemen? Alibaba, Tencent und andere Unternehmen locken mit günstigen Darlehn, Gutscheincodes, kostenlosem Cloud-Speicher oder kostenfreien Express-Zustellungen.

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