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China hat den ersten Quantensatelliten ins All geschossen – mit Hintergedanken

von Anna Schughart
Vergangene Woche hat die chinesische Raumfahrtbehörde zum ersten Mal einen Quantensatelliten in die Umlaufbahn der Erde gebracht. In Zukunft könnte ein ganzes Quantensatellitennetzwerk die Erde umspannen und so für abhörsichere Kommunikation sorgen. Schafft Europa den Anschluss an die Entwicklung?

Quantensatelliten könnten ein echter Albtraum für Hacker werden. Zumindest, wenn sie halten, was sie versprechen: Eine Technik, mit der Nachrichten nicht mehr zu knacken sind, weil allein der Versuch schon sofort erkannt wird. Was es dazu braucht? Quanten, einen Satellit in der Umlaufbahn der Erde und zwei Teleskope an zwei verschiedenen Orten der Welt.

Als Quanten bezeichnet man unter anderem die winzigen Teilchen, aus denen Materie besteht. Sie  haben seltsame Eigenschaften, so wie zu Beispiel die Fähigkeit, an zwei Orten gleichzeitig zu sein. Selbst Physiker haben Probleme, die Quanten und ihre Welt komplett zu verstehen, beziehungsweise sie in Einklang mit der Relativitätstheorie zu bringen. Der chinesische Quantensatellit „Mozi“ (benannt nach einem chinesischen Wissenschaftler und Philosophen) arbeitet mit Lichtquanten, also Photonen.

Wie genau funktioniert Mozi?
Dazu nutzen die chinesischen Wissenschaftler um Pan Jian-Wei eine weitere verrückte Eigenschaft der Quanten. Bildet man aus zwei Quanten ein Paar, dann haben sie ab sofort immer die gleichen Eigenschaften – selbst wenn man sie danach wieder trennt und in zwei unterschiedliche Ecken des Weltraums schickt. Misst man also zufällig den Zustand eines Quants, sollte sein Partner auch tausende von Kilometern entfernt zu diesem Zeitpunkt den exakt gleichen Zustand haben. Und ändert man den Zustand des einen Quants, dann ändert sich auch der Zustand des anderen.

Bisher wurde diese Eigenschaft nur auf der Erde und über relativ geringere Entfernungen getestet. Mozi soll nun zeigen, dass auch Quantenpaare, die vom Weltraum aus in zwei verschiedenen Richtungen zur Erde zurückgeschickt werden, ihre Verschränkung nicht verlieren. „In der Theorie gibt es daran keine Zweifel, trotzdem sind diese Experimente eine extreme Herausforderung“, sagt Thomas Scheidl vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IQOQI).

Das Institut ist zusammen mit der Universität Wien ebenfalls am Projekt beteiligt. Um zu testen, ob das getrennte Quantenpaar tatsächlich noch über Raum und Zeit verbunden bleibt, wird es zu zwei verschiedenen Stationen auf der Erde geschickt. Eine ist in China, die andere in Wien. „Die beiden Stationen müssen den Satelliten gleichzeitig sehen. Dann machen sie unabhängig voneinander Messungen und notieren sich die Ankunftszeit der Photonen“, erklärt Scheidl. So lassen sich die Photonen, die zueinander gehören, miteinander vergleichen: Haben sie den gleichen Zustand?

Denn genau auf diesen Zustand kommt es auch an, wenn man einen Quantensatellit zur Verschlüsselung nutzen möchte. „Die Photonen können zwei sogenannte Polarisationszustände haben, horizontale oder vertikale Polarisation“, sagt Scheidl. Welchen Zustand man misst, wenn man die Photonen anschaut, ist völlig zufällig. „Das ist wie bei einem Münzwurf, der entweder Kopf oder Zahl als Ergebnis hat“, sagt Scheidl. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass bei beiden Photonen immer das gleiche Ergebnis herauskommt. „Hat“ Photon1 bei der Messung Kopf (oder einen vertikalen Polarisationszustand) „hat“ Photon2 zu diesem Zeitpunkt auch Kopf.

Diesen beiden Zuständen kann man nun einen Wert zuteilen – null oder eins. Wenn dann beide Stationen – in Wien und in China – gleichzeitig Messungen machen, dann erhalten sie zwar eine völlig zufällige Abfolge von Nullen oder Einsen, aber sie können sich absolut sicher sein, dass beide Stationen die gleiche Sequenz haben: Ein perfekter Schlüssel, den kein Dritter so einfach knacken kann. „Denn der müsste ja jetzt versuchen, die gleichen Photonen zu messen und irgendwie Informationen über den Polarisationszustand zu erlangen“, sagt Scheidl. „Das funktioniert allerdings nicht, ohne dass man Spuren hinterlässt.“

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Für Scheidl ist deshalb klar, dass die Einführung eines globalen Quantensatellitennetzwerks nur noch eine Frage der Zeit ist: „Es gibt keinen Grund, der dagegen spricht.“ Eine Entwicklung, an die Europa  aber gerade den Anschluss verlieren könnte. Das IQOQI unter der Leitung von Anton Zeilinger hatte zuvor vergeblich versucht, die ESA von einem Quantensatelliten oder einem vergleichbaren Modul zu überreden. Pan Jian-Wei gelang es dagegen, die chinesische Regierung nicht nur von einem Quantensatelliten, sondern von dem Ausbau des Satelliten-Programms zu überzeugen. Der Gedanke perfekt verschlüsselter Nachrichten dürfte dabei eine Rolle gespielt haben. „Es kann durchaus sein, dass die Europäer da gerade eine Entwicklung verschlafen“, sagt Scheidl. Vorausgesetzt, die Experimente von Mozi sind erfolgreich.

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von WIRED Editorial