Hinweis zu Affiliate-Links: Alle Produkte werden von der Redaktion unabhängig ausgewählt. Im Falle eines Kaufs des Produkts nach Klick auf den Link erhalten wir ggf. eine Provision.

Mit diesen Projekten verpasst sich China ein grünes Image

von Cindy Michel
Chinas Städte drohen in Smog und Menschenmassen zu ersticken. Die Volksrepublik steuert dagegen mit einem selbstverordneten Nachhaltigkeitsplan: Publikumswirksam sollen Photovoltaikanlagen im Panda-Look entstehen, riesige schwimmende Solarkraftwerke, Waldstädte und Dörfer, die mit Bergen zu verschmelzen scheinen. WIRED hat sich einen Überblick über aktuelle Initiativen verschafft und mit Experten über nachhaltige Stadtplanung in China gesprochen.

In China kann einem schon mal die Luft wegbleiben – in zweierlei Hinsicht: Das Wachstum der Städte ist atemberaubend, laut der Deutschen Energie-Agentur (dena) erhöht sich die Zahl der Gebäude jährlich um neun Prozent. Und auch die extrem hohe Feinstaubbelastung in China wird zunehmend zum Problem. Ende 2016 erreichte die Smogbelastung in der nordchinesischen Industriehauptstadt Shijiazhuang einen Wert von 1155 Mikrogramm Feinstaub – das 46-Fache des international als unbedenklich geltenden Wertes.

Seit 2015 gilt der 13. Fünfjahresplan, der die Situation verbessern und China nach Willen der Kommunistischen Regierung gar zum Vorbild für nachhaltiges und umweltschonendes Wirtschaften machen soll. So investiert China so viel Geld wie kein anderes Land in erneuerbare Energien und steigt laut einer Studie des Instituts für Energiewirtschaft und Finanzanalyse zum Weltmarktführer in der Branche auf.

Wie ernst es China tatsächlich mit dem Umweltschutz und seinen Ambitionen in Sachen Nachhaltigkeit ist, darüber sind sich deutsche China-Experten uneins. Denn weiterhin dominieren herkömmliche Industriezweige die Wirtschaft. Doch fortschrittliche Projekte rücken zunehmend in den Fokus und lassen China international zum Vorreiter werden. Beispiele: Kürzlich eröffnete im Süden der Republik das weltgrößte schwimmende Solarkraftwerk, und Photovoltaikanlagen im Panda-Look sind Teil einer Initiative, die das Bewusstsein für regenerative Energien in der jungen Bevölkerung schärfen soll. 

Konkret auf die Probleme der Megastädte bezieht sich der erste nationale Urbanisierungsplan, der umweltfreundliches Zusammenleben ermöglichen soll. Denn laut der Regierung sollen bis zum Jahr 2020 knapp zwei Drittel der chinesischen Bevölkerung in Städten wohnen. 

„Es gibt dafür verschiedene Lösungsansätze“, erklärt Ang Ye, Projektleiterin bei der dena für das bilaterale Kooperationsprojekt „Eco-Cities in China“. Die Energie-Agentur etwa fördere energieeffizientes Bauen in China und helfe dabei die so genannten Eco-Cities zu gründen, Städte, in denen Energieversorgung, Verkehr, E-Mobilität, Wasser und Abfall nachhaltig geregelt seien. „Hierfür suchen wir in chinesischen Pilotstädten nach Lösungen, um den Kohlenstoffdioxid-Ausstoß zu reduzieren“, erläutert Ye im Gespräch mit WIRED. Die Architektin und Urbanistin ist seit Kurzem wieder in der Volksrepublik, um die Zusammenarbeit mit den chinesischen Partnern weiter zu forcieren. Eine der zwölf Pilotstädte ist übrigens Zhangjiakou, das gemeinsam mit Peking die Olympischen Winterspiele 2022 ausrichten wird. 

Ein weltweit beachtetes Projekt ist auch die Tianjin Eco-City: ein chinesisch-singapurisches Gemeinschaftsprojekt, das als einer der ersten Versuche Chinas gewertet, eine nachhaltige Stadtentwicklung tatsächlich umzusetzen. Die aktuell entstehende Metropole mit einer Fläche halb so groß wie Manhatten, soll ab dem Jahr 2020 Heimat für etwa 350.000 Menschen sein und von vornherein so wenig wie möglich die Umwelt belasten.

Selbst die Mülleimer am Straßenrand von Tianjin sind mit Photovoltaik-Modulen bestückt, so leuchten sie auch nachts, kostenlose Elektrobusse verbinden die Bezirke, pro Bürger soll es mindestens zwölf Quadratmeter öffentliche Grünfläche geben, und erneuerbare Energien liefern den Strom für die 150 Kilometer von Peking entfernte Stadt. 

Vom Norden Chinas in den Süden der Republik: Dass nachhaltige Städte der Zukunft viel mehr Dschungel als Betonwüste sein können, zeigt der italienische Architekt Stefano Boeri. Seine spektakuläre Waldstadt soll nahe der Stadt Liuzhou mehr Bäume als Einwohner beherbergen, außerdem ist eine Begrünung sämtlicher Fassaden Teil des Konzepts. Die Zahlen: 40.000 Bäume und eine Million verschiedene Pflanzen auf einer Fläche von 175 Hektar entlang des Liujiang Flusses. Laut dem Mailänder Architekturbüro sollen die grünen Blätter 10.000 Tonnen Kohlenstoffdioxid sowie 57 Tonnen Feinstaub pro Jahr absorbieren und 9000 Tonnen Sauerstoff produzieren. 

„Vor knapp zehn Jahren gab es schon einmal so einen Trend, da kursierten ähnlich spektakuläre Entwürfe für Städtebau- und Baukonzepte in den Planungs- und Architekturbüros in China“, sagt Ye. „Damals blieben die meisten leider bereits in Planung stecken, heute ist das anders.“ Der erste Baum für die Waldstadt wurde bereits im vergangenen Jahr gepflanzt und laut Plan soll die grüne Stadt bereits 2020 bezugsfertig sein.  

Im Osten der Republik: Nach mehr als fünf Jahren Baustelle und Kosten von etwa 68 Millionen Euro steht aktuell auch ein Hightech-Bergdorf im Huang-Shan-Gebirge kurz vor seiner Fertigstellung. Zwar ist die neu gebaute Siedlung mit 859 Wohneinheiten kein grüner Dschungel wie etwa Boeris Waldstadt, dafür passt sie sich perfekt ihrer Umgebung an: eine High-Tech-Siedlung, die nicht wie ein Fremdkörper in dem UNESCO-Weltkulturerbe wirkt, sondern fast schon im Berg verschwindet.

Das Architekturbüro MAD entwarf das Bergdorf, dessen Wohnblocks nicht höher als 60 Meter sein dürfen. Damit diese so natürlich wie möglich erscheinen, bekommt jede Etage eine andere Form und wird der natürlichen Geometrie der nahen Bergketten angepasst. „Wenn man alte traditionelle Architektur betrachtet, fällt auf, wie intim ihre Beziehung mit der Natur ist“, sagt der Chef des Architekturbüros Ma Yansong. „Menschen können nämlich doch in der Natur leben, ohne sie dabei zu zerstören.“

„Es ist gut, dass Bilder von spektakulären Projekten wie diesen in die Welt gesetzt werden“, sagt Eduard Kögel, Experte für moderne chinesische Architektur und Stadtentwicklung in Asien, über die Waldstadt und das Bergdorf. „Aber das sind Vorzeigeprojekte und Einzelmaßnahmen, die sich nicht so leicht kopieren lassen, um sie anderswo ebenfalls schnell umzusetzen.“ Der Berliner Architekt gibt zu Bedenken, dass die Entwicklung zu einem grünen China noch am Anfang stehe, die Dringlichkeit zwar von Seiten der Regierung erkannt wurde, aber Aktionismus wenig sinnvoll sei.

„Je technologischer ein Wohnkonzept ist, desto geschulter müssen auch die Menschen sein, die es betreuen, es bedarf dann einer höheren Maintenance“, sagt Kögel. „Die Menschen, die dort leben, müssen sich wohlfühlen. Sonst kann schnell eine High-Tech-Ruine entstehen.“ Projekte wie das Bergdorf seien zwar toll, aber wohl nur „für die oberen 3000“ gedacht. Auch andere, leisere Formen der Nachhaltigkeit seinen wertvoll, so Kögel.

Das West Village Yard in Chengdu von dem Architekten  Liu Jiakuns etwa sei vielleicht augenscheinlich weniger spektakulär, dafür nachhaltig. Als multifunktionaler Komplex vereint das West Village verschiedene kulturelle Aktivitäten und kommerzielle Industrien. Alles ist miteinander verbunden: ein Weg, der den Hof umschlingt, verbindet jede Etage von der U-Bahn bis zum Dach. Aktuell stellt der Architekt Jiakun in Berlin aus

Kögel veweist im Zuge der nachhaltigeren Urbanisierung Chinas auf das Thema der diesjährigen Bi-City Biennale in Shenzhen „Cities, Grow in Difference“. Die Ausstellung für Architektur und Urbanismus legt damit den Fokus auf eine Ko-Existenz im modernen städtischen Raum.

icon_cookie

Um diese Inhalte zu sehen, akzeptieren Sie bitte unsere Cookies.

Cookies verwalten

Es wird gezeigt, wie urbane Dörfer innerhalb einer Stadt erhalten werden können. Edurad Kögel sieht dies als dringend notwendig: „Die Initiative macht klar, dass Dinge nebeneinander existieren können, auch wenn sie augenscheinlich erst einmal gar nicht zusammenpassen.“    

GQ Empfiehlt