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Botswatch: Ehrenamtliche jagen Social Bots auf Twitter

von Benedikt Plass-Fleßenkämper
Soziale Netzwerke prägen die öffentliche Meinung mit. Welche Rolle dabei automatisierten Profilen, sogenannten Social Bots zukommt, will das Projekt Botswatch anhand von Talkshows und Twitter herausfinden.

Spätestens seit dem für viele überraschenden Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen und dem ebenso unerwarteten Brexit-Votum fragen sich Experten zunehmend, wie groß der Einfluss sozialer Netzwerke auf die öffentliche Meinungsbildung tatsächlich ist. Besonders die Frage nach gezielter Manipulation der Nutzer rückt dabei in den Fokus. Ein entscheidender Anteil an dieser wird sogenannten Social Bots zugesprochen. Dahinter verbergen sich automatisierte Online-Profile, die auf Basis von Algorithmen eigenständig Beiträge in sozialen Medien verfassen.

Das Grundprinzip ist altbekannt und wird von vielen Unternehmen offen eingesetzt, zum Beispiel von Medien, um Artikel effektiv zu verbreiten. Neu und noch wenig erforscht ist hingegen die Wirkungsweise von Propaganda-Bots. Diese beteiligen sich gezielt an öffentlichen Debatten und lenken Diskussionen mit ihren Beiträgen in eine bestimmte Richtung. In Einzelfällen kommunizieren sie sogar direkt mit anderen Usern, ohne dass diese sich der künstlichen Natur ihres Gesprächspartners bewusst sind.

Dass diese Art von Social Bots insbesondere bei politischen Ereignissen zum Einsatz kommen, gilt als gesichert. Unklar ist bislang allerdings, wie erfolgreich sie sind. Hier könnte ein Pilotprojekt Licht ins Dunkel bringen, das im Sommer 2016 seine Arbeit aufgenommen hat. Unter dem Namen Botswatch hat sich eine Gruppe von Journalisten, Web-Entwicklern und Digitalstrategen zusammengetan, um die Beteiligung von Social Bots an politischen Debatten in sozialen Medien aufzudecken.

Unter der Führung von Gründerin Tabea Wilke analysiert das ehrenamtlich arbeitende Team Twitter-Beiträge zu politisch relevanten Ereignissen, um die Arbeit und den Einfluss der automatisierten Konten aufzudecken. Ziel ist dabei nicht die inhaltliche Bewertung der Bot-Beiträge, sondern die statistische Erfassung von Eckdaten: Wie viele Bots beteiligen sich an einer Diskussion, welche Ziele verfolgen sie und wie erfolgreich sind sie? „Wir verstehen uns als technisches Tool, das Daten über das Verhalten von Social Bots in den sozialen Netzwerken zur Verfügung stellen kann. Wenn Interesse für die Informationen besteht, machen wir weiter“, sagt Tabea Wilke gegenüber WIRED.

Wilke und ihr Team haben unter anderem Twitter-Reaktionen auf die Rede von Angela Merkel auf dem CDU-Parteitag sowie auf die Talkshows von Maybrit Illner und Anne Will unter die Lupe genommen. Dabei stellten sie eine Bot-Beteiligung von bis zu 13,57 Prozent fest. Allerdings steht die Erkennung der künstlichen Meinungsmacher noch auf wackeligen Beinen. Gegenwärtig stützt sich die Analyse auf Erkenntnisse der University of Oxford, nach denen jeder Account als Bot definiert wird, der durchschnittlich 50 oder mehr Tweets am Tag absetzt oder im gleichen Umfang Likes abgibt.

Botswatch arbeitet eigenen Angaben zufolge an genaueren Methoden zur Identifizierung. „Social Bots zu erkennen ist komplex. Sie sind täglich im Wandel“, sagt Wilke. „Wir haben uns genau angeschaut, wie sich Social Bots und Botnets im politischen Raum verhalten und welche Eigenschaften sie haben. Daraus haben wir Kriterien definiert und sie in mehreren Testings geprüft und weiterentwickelt.“ Zum Einsatz kommen diese Kriterien bislang nicht. Der Rechenaufwand für ihre Umsetzung ist enorm und sprengt aktuell noch die Kapazitäten des Projekts. Das soll sich in Zukunft ändern: „Die Anwendung unserer Kriterien ist die nächste Stufe von Botswatch.“

Die Komplexität von Social Bots macht es Internetnutzern oft schwer, sie zu erkennen. Wilke rät vor allem zu Aufmerksamkeit: „Kenne ich diesen Account? Folgen diesem Account Kontakte, die ich kenne? Wie vielfältig ist die Sprache des Accounts?“ Diese Fragen könnten erste Anhaltspunkte liefern. Botswatch hebt jedoch hervor, dass Social Bots nicht zwingend etwas Schlechtes sind und man die Technologie nicht pauschal verteufeln dürfe. „Social Bots sind nicht gut oder böse. Es gibt Social Bots, die für Menschenrechte twittern oder Social Bots, die Artikel von seriösen Medien verbreiten. Social Bots werden erst dann zum Problem, wenn sie als Mehrheitsmeinung der Bevölkerung interpretiert werden.“

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Wilke möchte vor allem für den Umgang mit Social Bots sensibilisieren und mit Botswatch für mehr Transparenz im Netz sorgen. „Ich glaube, dass es wichtig ist, die Funktionsweise von Social Bots zu erklären und Fakten zu zeigen, was Social Bots in den sozialen Netzwerken tun. Wir dürfen uns von keiner Technologie verwirren lassen, die wir nicht kennen.“

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