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Internet offline: Wie digitale Startups auf Kuba arbeiten

von Sonja Peteranderl
Marode Leitungen, kaum Internetnutzer: Digitale Start-Ups kämpfen auf Kuba mit besonderen Herausforderungen. Die Insel-Entrepreneure müssen deshalb erfinderisch sein.

In der staatlich kontrollierten Mangelwirtschaft Kubas blühen die Schwarzmärkte: An bestimmten Straßenecken werden Vermietungen und Immobilien-Deals ausgehandelt, handgeschriebene Schilder vor Häusern weisen auf Mobiltelefone hin, die verkauft werden sollen. Inzwischen finden Kubaner begehrte Ware wie Windeln, Ersatzteile für Autos oder Computer auch auf der Anzeigenplattform Revolico — obwohl privater Handel ohne Genehmigung eigentlich illegal ist. Die erfolgreiche Craigslist-Copycat erleichert seit 2007 den Verkauf von Privat an Privat. Die Auswahl ist größter, die Produkte sind günstiger als das staatliche Angebot.

Das sechsköpfige Team hinter Revolico ist auf Kuba und Spanien verteilt: Der Mitgründer und Programmierer Hiram Centelles betreibt die Anzeigenplattform aus Spanien — vor sieben Jahren wanderte der Kubaner aus, nachdem seine Seite immer wieder gesperrt wurde und er Anfragen erhielt, ob er für den kubanischen Geheimdienst arbeiten wolle.

Heute ist seine Plattform ein boomendes Geschäft: Täglich stellen Verkäufer 25.000 neue Angebote bei Revolico ein, bezahlt wird mit Bargeld für die Anzeigen, 15 Dollar für eine Woche. Der Deal wird online angebahnt, aber offline ausgeführt: Interessenten rufen den Verkäufer an und vereinbaren ein Treffen, bezahlt wird mit Cash. Die akuellen Revolico-Postings erhalten auch Kubaner, die keinen Internetzugang haben — mit dem wöchentlichen Datenpaket „El Paquete Semanal”.

„El Paquete Semanal”, auf Deutsch: das wöchentliche Datenpaket, ist die kubanische Kulturflatrate. Das Untergrund-Startup braucht nur einen Tag, um etwa neue US-Filme auf Kuba zu verbreiten. Raubkopien von US-Serien, Filme, digitalisierte Nachrichten, Apps, aber auch das Offline-Verzeichnis der Revolico-Anzeigen werden zusammengestellt und Kubanern für umgerechnet zwei Dollar pro Woche zur Verfügung gestellt, per USB-Stick.

Auch eine Art kubanisches Yelp für Bars und Restaurants gibt es inzwischen auf der Insel. In Hinterhöfen, Wohnzimmern, auf Terrassen verstecken sich auf Kuba die „Paladares“, privat betriebene Restaurants — lange illegal. „Früher mussten die Betreiber Angst haben, dass die Polizei an die Tür klopft“, sagt Nilson, der in der kubanischen Küstenstadt Baracoa ein Restaurant betreibt. Geheimtipps wurden nur per Mund-zu-Mund-Propaganda weiterempfohlen.

Als die Gastro-Szene mit den Wirtschaftsreformen 2010 einen Boom erlebte, begannen die Gründer der Gastro-App A la Mesa („Auf dem Tisch“), das kulinarische Chaos zu sortieren. „Wir haben uns nach den Reformen alle Seiten angesehen, die Informationen zu Restaurants auf Kuba geliefert haben, und haben gemerkt, dass die Infos alle völlig zerstreut und nicht aktuell waren“, sagt Alfonso Ali von „A la Mesa”.

Heute listet das Start-Up aus Havanna in der Gastro-App 600 Restaurants und Bars auf, mit Informationen wie Angebot, Öffnungszeiten und Kommentaren von Gästen.

Die meisten Tipps beziehen sich auf die Hauptstadt Havanna, für 10 der 15 kubanischen Provinzen hat die App derzeit Angebote gelistet. Für kubanische Verhältnisse ein Quantensprung in punkto Transparenz: denn einfach googeln oder online Restaurants vergleichen bleibt ein Luxus für die meisten Inselbewohner. Die Android-App können sich Nutzer auf ihr Mobiltelefon laden — oder den Datensatz für die Offline-Nutzung downloaden.

Das Team von „A la Mesa” hofft, dass das Engagement amerikanischer Tech-Firmen in Zukunft auch die kubanische Start-Up-Szene stärker boomen lässt. Bisher gebe es zwar viel Talent auf der Insel, aber ein digitales Start-Up aufzuziehen ist in der Offliner-Bastion Kuba noch kein klassischer Traum der jungen Generation, meint Alfonso Ali. „Aber es gibt viele freie Nischen und Möglichkeiten — vor allem, wenn man davon ausgeht, dass die Infrastruktur kurzfristig oder langfristig besser wird.” 

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