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Total abgehoben: George Pendle ist Flughafenteppich-Feuilletonist

von André Bosse
Teppiche auf Flughäfen sind eine blöde Idee. Passagiere hasten durch die Gänge, schlürfen Kaffee, es wird gekrümelt und gekleckert. Die Menschen benehmen sich auf Airports wie die Sau, weil sich dort niemand heimisch oder verantwortlich fühlt und im Zweifel weiß: Nach mir kommt die Putztruppe. An solchen Orten Teppiche verlegen zu lassen, ist Quatsch. Trotzdem wird es gemacht. Und das findet George Pendle ganz wunderbar.

Der 39-jährige Brite ist Journa­list und Schriftsteller und mag es skurril. Pendle hat Bücher geschrieben über den okkultistischen Raketenforscher Jack Parsons und über Millard Fillmore, den unglückseligen 13. Präsidenten der USA, dessen Wirken Pendle durch fantasievolle Ergänzungen deutlich mehr Glanz verliehen hat. Sein jüngstes Werk ist eine Autobiografie über den Tod, der Titel: Death: A Life.

Das ist der Humor von George Pendle, und Carpets For Airports heißt sein Langzeitprojekt, das er auf der entsprechenden Website carpetsforairports.com angelegt hat. Aus aller Welt lässt sich der Autor Fotos von Flughafenteppichen schicken, Pendle rezensiert sie dann, wahlweise in der Lingo eines Kunstkritikers, Teppichexperten oder Scherzkekses. Über den Bodenbelag im Flughafen Anchorage etwa schreibt er: „Sein leises Beige und leidenschaftliches Braunrot gehen brillant einher mit seinem verflochtenen Puzzleteile-Charakter – das erzeugt einen Teppich mit hoher Emotionalität.“

Das leise Beige schreit nach ei­ner Überprüfung. Auf der Carpetsforairports-Seite gibt es einen Globus, jeder rote Punkt darauf markiert einen Flughafen. „Geografische Kenntnisse sind genauso wichtig wie eine gewisse Geduld beim Anvisieren der Punkte“, hatte Pendle am Telefon angekündigt. Trifft man den Punkt endlich, poppt ein Bild des je örtlichen Flughafen­teppichs auf. Tatsächlich: Das Mus­ter im Airport Anchorage mit seinen dunkelwurstfarbenen Fischgräten auf hellwurstfarbenem Untergrund ist wirklich … erhebend.
„Schon immer hat sich der Mensch gerne auf Teppiche gestellt, um nicht die Erde zu berühren, in die er eines Tages eingegraben wird“, sagt Pendle. Nur logisch, dass der Mensch über nichtfliegen­de Teppiche schreiten will, bevor er abhebt.

Der Airport in München besitzt die Art Steinboden, die den Gebrüdern Grimm in ihren dunkelsten Momenten eingefallen sein könnte

Umso kritischer beäugt Pendle Airports, die auf Teppich verzichten. „Ein schäbiger Trend dieser Tage“, sagt er. Besonders schlecht kommt München weg, derzeit der einzige deutsche Flughafen in der Sammlung. „MUC besitzt die Art von Steinboden, die den Ge­brüdern Grimm in ihren dunkelsten Momenten eingefallen sein könnte“, sagt Pendle. Sein Ratschlag: „Wegbleiben!“ Warum gibt es keine weiteren deutschen Airportteppiche, hat Pendle Angst vor mehr Düster­nis? „Nein“, sagt er, „mir liegen diverse Fotos vor, einige davon so­gar mit hoffnungsfrohen Teppichen.“ Das Problem sei, dass er nicht hinterherkomme mit seinen Beschreibungen. „Ich verdiene mit diesem Unsinn ja kein Geld.“

Begonnen hat für Pendle alles an einem Gate in Newark. Pendle nahm vor einem Atlantikflug Schlaftabletten und ein paar Drinks, trottete zum Abflug und wartete. „Ich fixierte den Teppich, und es schien, als beginne der mit mir zu kommunizieren.“ Ein anscheinend geradezu psychedelisches Erlebnis. Gut 100 rote Punkte besitzt Pendles Teppichweltkugel derzeit, knapp 200 weitere sind in Vorbereitung.

Bei der obligatorischen Frage nach seinem Lieblingsbodenbelag warnt Pendle: Er beantwortet die Frage immer anders. „Aber als Kompensation für meine Kritik am Münchener Airport nenne ich Ihnen gerne etwas Exklusives.“ Noch tauche der Teppich des Alice Springs Airports im australischen Outback nicht auf der Website auf, aber der werde ein Highlight werden: „Ein schwarzer Teppich mit neonfarbenen Kreisen, Amöben und anderen Formen, fraglos von der Kunst der Aborigines beeinflusst.“ Also gleichsam die Oper von Sydney unter den Flughafenteppichen? ...

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