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Google macht mobil: Suchmaschinen-Chef Amit Singhal im Interview

von Karsten Lemm
Als Amit Singhal vor 15 Jahren als Mitarbeiter Nr. 176 zu Google stieß, kämpfte das Startup noch darum, zur Suchmaschine für alle Lebensfragen zu werden. Heute steht Singhal als Senior Vice President Search vor der Herausforderung, Google für das mobile Zeitalter fit zu machen. 

Zu mehr als einer Milliarde Android-Handys, die bereits im Umlauf sind, „kommen täglich 3,4 Millionen neue dazu“, rechnet Singhal gleich zum Auftakt vor. „Mehr, als Madrid Einwohner zählt.“ 
Studien erwarten bis 2020 fünf Milliarden weitere Smartphone-Nutzer – eine Aussicht, die Singhal, einen gebürtigen Inder, nicht nur mit Blick auf künftige Klickzahlen begeistert: „Im Westen genießen wir seit Jahren das Privileg, direkten Zugriff auf das Wissen der Welt zu haben“, sagt er. „Das war vielen anderen bisher verwehrt.“ Singhal weiß aber auch: Wenn Google Milliarden Menschen erreichen will, die per Handy frisch das Netz entdecken, muss die Suchmaschine sich zunächst einmal selber wandeln.

Mein Job ähnelt dem eines Flugzeugentwicklers, der die Aufgabe hat, mitten in der Luft die Triebwerke auszuwechseln.

WIRED: Mal abgesehen vom Logo scheint sich bei Google über die Jahre wenig geändert zu haben. Wo steckt die Innovation?
Singhal: Mein Job ähnelt dem eines Flugzeugentwicklers, der die Aufgabe hat, mitten in der Luft die Triebwerke auszuwechseln. Am Ende ist das Flugzeug schneller und leiser, macht das Reisen bequemer und spart auch noch Kerosin. Es erfüllt alle seine Aufgaben weit besser als zuvor – und im besten Fall merkt man nicht mal etwas von der Arbeit, die im Hintergrund abläuft. Ich glaube, so geht es Ihnen auch: Wir haben unseren Job so gut erledigt, dass Ihnen gar nicht aufgefallen ist, was sich bei Google alles tut.

WIRED: Zum Beispiel?
Singhal: In den USA haben wir vor Kurzem den Health Knowledge Graph vorgestellt: Ich kann nach Gesundheitsthemen suchen und bekomme zu Stichworten wie „Diabetes“ alles Wichtige auf einen Blick angezeigt, als eine Art Karteikarte, die sich ausdrucken lässt. Wir arbeiten dabei mit renommierten Ärzten und Kliniken zusammen, um verlässliche Informationen anzubieten. Ein anderes Beispiel für den Wandel sehen Sie bei der Spracheingabe auf meinem Android-Smartphone. Da unsere Finger für das Herumtippen auf kleinen Bildschirmen nicht gemacht sind, kann ich meine Fragen in natürlicher Sprache stellen. 

(Spricht ins Mikrofon:) Wann soll mein Päckchen ankommen? 

(Das Handy antwortet:) „Ihre jüngste Amazon-Bestellung 
wurde verschickt. Die Zustellung erfolgt planmäßig.“ 

Versuchen Sie das mal im PC-
Browser. Es würde nicht funktionieren. Auf dem Smartphone kann ich mit Google reden und bekomme Antworten, die speziell auf mich zugeschnitten sind.

WIRED: Woher weiß Ihr Smartphone, was Sie bei Amazon machen, also außerhalb des Google-Universums?
Singhal: Die Bestellbestätigung kam per Gmail. Deshalb kann ich sehen, was es ist – irgendetwas aus Edelstahl zum Kochen, das meine 
Frau bestellt hat – und wann es ankommen soll.

WIRED: Ihr digitaler Assistent „Google Now“ wartet gar nicht mehr auf Fragen, sondern versucht zu erraten, was wir als Nächstes wissen möchten.
Singhal: Google Now gehört zweifellos zu unseren wichtigsten Innovationen der vergangenen Jahre. Der Gedanke dabei ist, die Suche speziell auf den einzelnen Menschen zuzuschneiden und dabei Faktoren wie Ort und Zeit zu berücksichtigen. So bekomme ich jeden Morgen automatisch eine Nachricht, wenn es Zeit wird, aus dem Haus zu gehen: Das System hat Einblick in meinen Kalender, es weiß, wie lange ich zur Arbeit brauche, und es kennt die aktuelle Lage auf den Straßen. Davon abhängig, meldet es sich und sagt Bescheid, bevor es eng wird. Das ist unglaublich hilfreich. Im nächsten Schritt arbeiten wir daran, mit Now On Tap solche Informationen über alle Geräte synchron zu 
halten. Dann genügt ein Knopfdruck, um sie abzurufen, selbst wenn Sie von einem Screen zum nächsten wechseln.

Datenschutz beginnt beim Weg von Ihnen ins Internet – also bereits bei Ihrem Mobilfunk- oder Internet-Anbieter

WIRED: Googles Allwissenheit mag bequem sein – aber vielen Menschen wird auch unwohl: Wo bleibt dabei der Schutz der Privatsphäre?
Singhal: Eine berechtigte Frage. Allerdings betrifft sie nicht nur Google, sondern die gesamte Online-Welt. Und Datenschutz beginnt beim Weg von Ihnen ins Internet – also bereits bei Ihrem Mobilfunk- oder Internet-Anbieter. Wenn wir bei Google über Privatsphäre nachdenken, stehen zwei Prinzipien im Mittelpunkt: Zum einen müssen Sie als Nutzer immer die volle Kontrolle darüber behalten, was Google über Sie weiß. Das bedeutet unter anderem, dass Sie Informationen löschen können. Um das zu vereinfachen, haben wir kürzlich die Funktion Mein Konto als zentrale Schaltstelle eingeführt. Das zweite Grundprinzip lautet: Einen Schutz der Privatsphäre gibt es nur, wenn die Daten auch vor dem 
Zugriff von Dritten sicher sind – das sind zwei Seiten derselben Medaille, wie wir an der Vielzahl von Hackerangriffen sehen, auch staatlich gesponserten. Google tut alles, um Daten sicher zu verarbeiten. Daran arbeiten wir extrem hart, und unsere Systeme gehören zu den besten überhaupt.

WIRED: Google ist neuerdings Teil von Alphabet, einer Holding, in der Sie umgeben sind von ehrgeizigen „Moonshot“-Projekten wie selbst fahrenden Autos und Bio-Engineering. Was ändert sich dadurch für Sie?
Singhal: Das Schöne an dieser neuen Struktur ist: All diese innovativen Projekte können parallel vorangetrieben werden, während wir – als größtes Unternehmen innerhalb von Alphabet – uns auf unsere Kernmission konzentrieren. Wir investieren Millionen, und das ganze Team kennt nur noch diese eine Aufgabe. Das bringt enorm viel Energie zurück.

WIRED: Der mobile Wandel stellt Sie 
vor viele Herausforderungen – etwa, dass Informationen, die sich in Apps verbergen, für Google oft schwer zu finden sind.
Singhal: Das ist richtig. Wir arbeiten aber aktiv mit App-Entwicklern daran, auch diese Inhalte auffindbar zu machen. Per App Indexing-Technologie können wir Nutzer direkt aus einer Google-Suche zu der passenden Stelle innerhalb der Anwendung dirigieren. Das ist weit besser, als wenn man die App erst aufrufen und dann seinen Weg finden muss.

WIRED: Sie sind aber auf die Kooperation der Entwickler angewiesen?
Singhal: Es liegt ganz im Interesse von Nutzern wie Entwicklern, App Indexing zu unterstützen. Schauen Sie, wenn ich nach „Eiffelturm“ suche, bietet mir mein Handy Inhalte aus den Apps von Anbietern wie BBC, Guardian und Trip Advisor an – und wenn diese Apps installiert sind, werde ich sofort zu der relevanten Stelle innerhalb der App geführt. Das ist das beste Nutzungserlebnis, das sich nur denken lässt!

Wenn wir unserer Mission treu bleiben, finden schlaue Menschen bei Google auch Wege zum Geldverdienen

WIRED: Google gerät auch deshalb unter Druck, weil Anzeigen auf Mobilgeräten für Sie weniger lukrativ sind. Wo soll das Wachstum herkommen, das Anleger verlangen?
Singhal: Ach, wissen Sie, ich bin vor allem Entwickler, und als ich zu Google gekommen bin, hatten wir noch gar keine Anzeigen. Mein Grundsatz lautet, dass wir in erster Linie unseren Nutzern helfen sollten – und wenn wir unserer Mission treu bleiben, das Leben eines jeden Menschen auf Erden mit Wissen zu bereichern, dann finden sich garantiert genügend schlaue Menschen bei Google, denen Wege einfallen, damit auch Geld zu verdienen.

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