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Big Bang! Zu Besuch beim
 Festival der Böller- und Raketenbauer in Wyoming

von Kayla Gahagan
Hier sind Freunde von Zisch und Bumm im siebten Himmel: Im Mittleren Westen der USA dürfen sich Hobby-Feuerwerker und Pyrotechnik-Profis bei ihrem Jahrestreffen kräftig austoben. WIRED Germany war dabei.

Finger und Wangen vom Raketenbasteln pulververschmiert, steht Ned Gorski auf einem Hügel in Wyoming. Den Propanbrenner, den er in der Hand hält, führt er an die Lunte. Unter lautem Zischen schießt die Metallröhre, gefüllt mit einer Mischung aus Benzin und Diesel, Richtung Himmel – um kurz darauf in großem Bogen zur Erde zurückzufallen und mit einem dumpfen Rumms zu zerplatzen. Die Zuschauer, viele von ihnen den ganzen Tag mit ähnlichen Projekten beschäftigt, nicken wohlwollend: perfekter Start, perfektes Timing, perfekter Knall.

Eine ganze Woche lang versammeln sich hier, im Städtchen Gillette, internationale Pyrotechniker, um beim jährlichen Treffen der Standesgilde PGI ihr Können zu demonstrieren. Ob Hobby-Feuerwerker oder Pyro-Profi, sie alle pilgern zum Konstruieren und Konkurrieren, Wissenaustauschen und Applaussammeln in die windige Prärie. „Das Einzigartige bei uns“, erklärt Gors­ki, „ist dieses Zusammenspiel aus linker und rechter Gehirnhälfte: Wir lieben Wissenschaft, wollen aber auch Künstlerisches erreichen.“ Zugegeben, es gibt reichlich Explosiv-Enthusiasten, die zur PGI-Woche kommen, weil sie einfach nur etwas in die Luft sprengen wollen. Thump junkies nennen sie halb mitleidig, halb verständnisvoll die anderen, die mehr suchen als reine Knalleffekte. Tagelang wird gebastelt, geballert, experimentiert und bewundert. Raketen verglühen in Würde oder verpuffen kläglich. Allgegenwärtig ist der Donnerhall der Explosivgewitter. „Es geht um Chemie, Timing, Präzision“, erklärt PGI-Vizepräsidentin Carol Hostetter. „Alles muss genau zusammenpassen, wenn es zu dem geplanten Ergebnis führen soll.“

In Dutzenden von Workshops lernen die Teilnehmer, wie man fachkundig Böller baut und Raketen konstruiert. In einer Werkhalle stopfen Feuerwerker, die vorschriftsmäßig Sicherheitsbrillen tragen, Glitzersterne in Raketenkörper und schwarzes Pulver in Knallertüten. Kevin Flaherty, 58, ein Augenarzt aus Wisconsin, widmet sich seit Stunden einer whistle rocket, die bunt und pfeifend in den Himmel steigen soll. Er braucht rotes Eisenoxid dafür, Mineralöl und Natriumsilikat.

Um Unglücke zu verhindern, gelten strikte Sicherheitsvorschriften. In der Werkhalle etwa herrscht Rauchverbot, Blitzfotografie ist untersagt, und Metall darf kein Metall berühren – schon der kleinste Funke könnte ein Desaster auslösen. „Sicherheit muss an erster Stelle stehen“, sagt Flaherty. „Eine Wunderkerze kommt auf mehr als 1000 Grad, genau wie Lava. Trotzdem drücken Leute so was zum Herumwe­deln ihren Kindern in die Hand.“

Am Rande des Geländes steht die 14-jährige Katelyn Amerino. Ihre Finger zittern, als sie ein glimmendes Stück Holz an die Zündschnur für ein Paket von 4000 Chinaböllern heranführt. Mit einem ohrenbetäubenden Stakkato fliegen die roten Röhrchen in alle Richtungen. Ganz in der Nähe kniet der gleichaltrige Aldo Schwartz im Gras und gräbt in einer Packung frisch gekaufter Explosivstoffe. Ringsherum liegen die Überreste zerplatzter Knaller, die ihre Mission schon erfüllt haben. Aldos Vater beobachtet seinen Sohn von einer nahen Bank. Er massiert seine Ohren und erholt sich von einer Überdosis Feuerwerksmusik.

Das Finale am Freitagabend be­ginnt mit einem Lichtgewitter von zwei Millionen Krachern, die an einem Kran hängen. Das sonore Stakkato ihrer Explosionen erinnert an einen Reiß­verschluss, der langsam aufgezogen wird. Feuerbälle zerplatzen in Bodennähe, Mal um Mal fegen Hitzewellen über das Publikum hinweg. Der rhythmische Puls der Detonationen lässt den Brustkorb vibrieren, da machen auch Ohrstöpsel keinen Unterschied. Und wer all das nicht genießen kann, ist wahrscheinlich gar nicht erst gekommen. Wie vorhin Jerry Beardmore sagte, der mit seinen drei Kindern fast 3000 Kilometer aus Maryland angereist ist, um dabei zu sein: „Entweder läuft man so weit weg, wie es nur geht. Oder man verliebt sich.“ 

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