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High Performer: Die Renaissance des LSD im Silicon Valley

von Paul-Philipp Hanske
Als in Kalifornien einst die Tech-Industrie entstand, waren viele ihrer Vordenker auf LSD. Nun feiern Psychedelika im Silicon Valley eine Renaissance. „Als ich herzog“, sagt Pawel, „hatte ich von Drogen keine Ahnung, außer von Cannabis.“ Pawel heißt in Wahrheit anders, lässt sich aber lieber unter Pseudonym zitieren. Denn er hat eigentlich zwei Identitäten.

Einerseits ist Pawel einer jener High Potentials, die in Kalifornien mit Anfang 30 so viel Geld verdienen wie ein deutscher Sparkassendirektor kurz vor der Rente. Pawel wurde in den frühen 80er-Jahren in Osteuropa geboren, kam über einige Stationen nach Stanford, studierte dort humanities, verstand aber auch viel von Technik und Wirtschaft. Heute arbeitet er als Consultant in Palo Alto und bewohnt mit zwei Codern eine weitläufige Villa.

Andererseits gehört Pawel mittlerweile aber auch zur großen Psychedelika-Gemeinde des Silicon Valley. Pawel ist in jedem Sinne gern high. Bloß sind der Genuss und die Verbreitung von psychedelischen Drogen wie LSD, DMT, der Pilzdroge Psilocybin und MDMA — der Hauptbestandteil von Ecstasy — auch im liberalen Kalifornien illegal. Noch jedenfalls.

Heute ist das Cannabusiness mit einer jährlichen Wachstumsrate von 75 Prozent der ­vitalste Wirtschaftssektor in den USA.

Wer in Kalifornien Cannabis konsumieren möchte, hat es hingegen heute schon leicht. Man geht einfach zu einem einschlägig bekannten Arzt, erzählt was von Rückenleiden oder Unwohlsein, zahlt zwischen 30 und 100 Dollar und erhält die Erlaubnis, in einem der ­marijuana dispensaries, die mit ihren Milchglasschaltern so aussehen wie Apple Stores, Gras zu kaufen. Erstaunlich daran ist eigentlich nur, wie normal das mittlerweile ist. Vor wenigen Jahren noch mussten
Kiffer ihren Stoff bei ­dubiosen Dealern kaufen. Heute ist das cannabusiness mit einer jährlichen Wachstumsrate von 75 Prozent der ­vitalste Wirtschaftssektor in den USA, der bald zehn Milliarden Dollar pro Jahr umsetzt. Im Eiltempo wurde Cannabis enttabuisiert. Es dürfte nicht die letzte Droge gewesen sein, die der Illegalität entrissen wird.

In Kalifornien gibt es nicht wenige, die davon ausgehen, dass psychedelisch wirkende Substanzen bald wieder legal sein werden — und es dann einen ähnlichen Boom geben wird wie heute um Cannabis. Seit ein paar Jahren bereits dürfen mit MDMA und Psilocybin in ­einigen Ländern wieder medizinische Versuche durchgeführt werden, in den USA, aber auch in Kanada, Israel und der Schweiz etwa.

Dazu kommt, dass der Konsum bewusstseinsverändernder Substanzen gerade eh eine Wiederentdeckung erlebt. Zehntausende Menschen pilgern jährlich nach Südamerika, um sich dort auf eine Jenseitsreise des Geistes zu begeben: mittels des Schamanen-Getränks Ayahuasca, einem DMT-Sud. Und auch in der Popkultur, auf Festivals wie dem Burning Man oder in der Musik von Animal ­Collective und A$AP Rocky, wird an den Pforten der Wahrnehmung gerüttelt wie seit Langem nicht mehr.

Vielleicht am deutlichsten aber wird die psychedelische Renaissance im ­Silicon Valley. Hier arbeitet eine wachsende Zahl von Forschern, Aktivisten und Techies daran, die Erkundung, ­Manipulation und womöglich auch ­Erweiterung des Bewusstseins mit entsprechenden Substanzen nicht nur zu legalisieren, sondern auf ein neues ­Niveau zu heben. Und damit auch den Menschen an sich.

Im Silicon Valley herrscht eine allgemeine Akzeptanz gegenüber psychedelsichen Erfahrungen.

Pawel

In Filmen oder Serien wie ­Silicon
Valley (in der der Psychedelika-Konsum eines Protagonisten gezeigt wird) werden Valley-Bewohner stets als vollbärtige, schreiend gut gelaunte Surfer-Hacker mit bunten Shirts dargestellt. Pawel ist anders, ein schmächtiger junger Mann mit auffallend gerader Haltung, der die Haare gescheitelt trägt und in seiner Freizeit lieber deutsche oder französische Lyrik liest, als am Computer zu zocken. In gefälligem Deutsch — das er neben seiner Muttersprache sowie Spanisch und Englisch perfekt spricht — erzählt er von seinen kalifornischen Erfahrungen mit den Stoffen fürs gehobene Bewusstsein.

Natürlich nimmt nicht jeder Bewohner des Silicon Valley psychedelische Drogen; und natürlich sind auch hier, wie überall, wo viel und lange gearbeitet wird, leistungsfördernde smart drugs wie Ritalin oder Modafinil die am häufigsten verwendeten psychotropen Stoffe. „Aber es herrscht eine allgemeine Akzeptanz gegenüber psychedelischen Erfahrungen“, sagt Pawel.

„Mehr noch: Man berichtet von seinen Trips mit einem gewissen Stolz.“ Schon auf der allerersten Tech-Konferenz, auf der Pawel im Valley war, wurde offen darüber geredet, und zwar von „Personen, die von jeder Subkultur so weit entfernt waren, wie man es sich nur ­vorstellen kann: einem Berater, einem Anwalt und einem Technikjournalisten“. Allen sei aber bewusst, dass ­diese Offenheit nur hier herrsche. „Es ist eine Art Insider-Ding“, sagt Pawel. Wenn etwa Anzugträger von der Ostküste mit einem lockeren „Hi“ an den Tisch träten, dann verstummten Gespräche über die unendlichen Windungen des Kaninchenbaus schnell.

Der entspannte Umgang mit Psychedelika, gerade auch bei Techies, hat Tradition in Kalifornien. Schon bevor die Hippies Mitte der 60er-Jahre nach San Francisco zu strömen begannen, war LSD in die sich entwickelnde Tech-Industrie der Bay Area eingesickert. Verantwortlich dafür war vor allem ein Mann namens ­Myron Stolaroff.

Der arbeitete als technischer Designer und Vertriebschef für Ampex, den damaligen Weltmarktführer für Audio- und Videoaufnahmetechnik, und hatte über einen Bekannten, den Schriftsteller Gerald Heard, von der bewusstseinserweiternden Wirkung von Psychedelika erfahren. Also probierte Stolaroff LSD. Und war derart euphorisiert, dass er auf eine unkonventionelle Anwendung kam: Könnte die Substanz, die ja auch die Klarsicht fördern kann, nicht bei Schwierigkeiten in der Firma weiterhelfen, etwa beim Produktdesign?

Eher nicht, fand das Management von Ampex. Doch das entmutigte ­Stolaroff nicht. Er kündigte und gründete 1960 die International Founda­tion for Advanced Study (IFAS) in Menlo Park. Deren Ziel war die Erforschung von LSD und Meskalin als Mittel zur effektiven Lösung von Problemen. Im Laufe der nächsten Jahre besuchten viele Ingenieure und Designer aus den Tech-Unternehmen der Gegend die IFAS, um unter dem Einfluss von 100 Mikrogramm LSD (eine mittlere Dosis) technische Hürden zu überwinden.

Wir fanden heraus, dass die Teilnehmer Muster besser wahrnehmen konnten. Sie erkannten Verbindungen, die sie vorher übersehen hatten.

James Fadiman, ein Psychologe, über die Ergebnisse einer LSD-Testreihe

James Fadiman, ein eleganter, mittlerweile 76-jähriger emeritierter Professor, begleitete damals als Psychologe die Versuchsreihen: „Wir fanden heraus, dass die Teilnehmer Muster besser wahrnehmen konnten. Sie sahen, in welchem Netzwerk die Dinge eingebettet waren, die sie bearbeiten wollten. Sie erkannten Verbindungen, die sie vorher übersehen hatten.“

Einer der frühen Gäste der IFAS war Douglas Engelbart, der später die Computermaus erfinden sollte und einer der entscheidenden Köpfe der Konstruktion des Arpanets war, des Vorläufers des Internets. Engelbart schrieb 1962 in seinem Aufsatz Augmenting ­Human Intellect von einem Computer, der dabei helfen sollte, das Potenzial des menschlichen Geistes umfassender zu entfalten. Sein Augmentation Project mündete in einer Präsentation, die bis heute im Silicon Valley als „the ­mother of all demos“ gilt.

Während der Fall Joint Computer Conference 1968 in San Francisco führte Engelbart Dinge vor, die damals völlig neu waren. Über ein Headset, das seine Stimme metallen übertrug, erklärte der Computerwissenschaftler die Eingabe von Text über eine Tastatur, dessen Verschieben mithilfe einer Maus und grafische Elemente wie zum Beispiel ein „window“, das die Benutzeroberfläche eines Programms rahmte.

Nach den anderthalb Stunden Präsentation war die Computerwelt eine andere. Die Erfindungen von Engelbart und seinem Team, zu dem auch James Fadiman gehörte, trugen etwas später zur Konstruktion des ersten Personal Computers der Geschichte bei, dem Xerox Alto. (Engelbart und Stolaroff starben beide im Jahr 2013, hochbetagt und ziemlich vergessen von der Welt.)

Einer der Assistenten von Engelbart bei der Präsentation 1968 war Stewart Brand, der im selben Jahr erstmals den Whole Earth Catalog herausgab, eine Sammlung von Texten über die Dinge, die man aus Sicht von Brand zum Leben in der Gegenkultur brauchte.

Im Jahr 2005 nannte Steve Jobs bei einer Rede in Stanford den Whole Earth Catalog „die Bibel meiner Generation: Es war eine Art Google in Taschenbuchform, 35 Jahre bevor es Google gab.“ Fadiman bestätigt heute ebenfalls, dass die kalifornische Gegenkultur der 60er-Jahre damals großen Einfluss auf das Augmentation Project hatte. Es wurde gekifft und LSD genommen, von Engelbarts Leuten ebenso wie von denen des befreundeten Stanford Artificial Intelligence Lab (SAIL). Dort wurde nicht über die Erweiterung des menschlichen Gehirns nachgedacht, sondern über dessen künstliche Nachbildung. Immer wieder besuchten junge Enthusiasten aus dem Valley SAIL.

Ich glaube, LSD hat Jobs’ Denken über Ästhetik verändert. 

Pawel

Unter ihnen ­waren auch Steve Jobs und Steve Wozniak, aus deren Homebrew Computer Club Apple erwuchs. Jobs erwähnte später wiederholt, wie wichtig LSD für ihn und Apple gewesen sei. James Fadiman sagt: „Ich glaube, LSD hat Jobs’ Denken über Ästhetik verändert. Denn das Tolle an Apple-Produkten ist ja, dass sie nicht nur außen, sondern auch innen, wo man sie nicht betrachten kann, schön sind. Jobs sah nicht nur eine Seite der Medaille, er sah beide.“

Wie viel LSD steckt also noch in den Produkten und Prozessen, der Hard- und Software, die heute die ganze Welt benutzt? Jedenfalls sind viele ihrer Urformen von Menschen erfunden worden, die psychedelische Erfahrungen nicht nur für Freizeitvergnügen hielten. Und diese Verbindung zwischen Tech-Industrie und Psychedelika riss nie ab. In den frühen 90er-Jahren entwarf der LSD-Enthusiast und einstige Bürgerschreck Timothy Leary Computerspiele wie „Mind Mirror¶, das bei Electronic Arts erschien.

Der PC ist das LSD der 90er-Jahre.

Timothy Leary, Computerspiele-Pionier

Leary sagte: „Der PC ist das LSD der 90er-Jahre.“ Ein Satz, der das Dogma der Cyberdelics wurde: einer Gruppe, deren Mitglieder Psychedelika und Hackertum zugeneigt waren, Teil der Techno-Szene wurden und den Cyberspace zur Bewusstseinserweiterung nutzen wollten. Ihren Life­style begleiteten Cyberpunk-Magazine wie High Frontiers und Reality Hackers, die später zu Mondo 2000 (heute: boingboing.net) wurden und so was wie Vorläufer von WIRED waren.

Heute erleben Psychedelika nicht nur als kreative Impulsgeber eine Renaissance im ­Silicon Valley, es wird auch wieder ­deren Wirkung auf unsere Hirntätigkeit erforscht, so wie es Stolaroff und ­Fadiman in den 60er-Jahren getan haben. In Stanford knüpft Andrés ­Gómez Emilsson an deren Erkenntnisse an. Emilsson ist 24, Mathematikgenie und Präsident der Stanford Transhumanist Association, einer Studentenvereinigung, die sich mit den ethischen und technischen Fragen der künstlichen Erweiterung menschlicher Fähigkeiten befasst. Das Interesse Emilssons gilt unserer Wahrnehmung und dem Einfluss von Psychedelika auf sie.

Dafür untersucht er, in welcher Form Menschen bestimmte Texturen — zum Beispiel die Rinde eines Baumes, Mauerwerk oder die Oberfläche eines Tisches — einerseits nüchtern und andererseits under the influence erfassen.
Emilsson ist überzeugt davon, dass unser Bewusstsein wie ein Computer prozessgetrieben ist, er nennt es ­Qualia Computing: dass es bestimmten Algorithmen folgt, die unsere Wahrnehmung beeinflussen und uns Menschen im Laufe der Evolution einen Vorteil verschafften. Dass wir unsere Sinne im nüchternen Zustand aber auf die bestmögliche Art nutzen, ist deswegen keinesfalls sicher. Anzeichen dafür sind, dass schon in den Studien von Stolaroff herauskam, dass man auf LSD unter anderem Größenverhältnisse sehr viel besser einschätzen kann.

Ich habe in Stanford noch keinen Professor getroffen, der keine Erfahrungen mit Psychedelika gemacht hat.

Andrés ­Gómez Emilsson, Mathematikgenie und Präsident der Stanford Transhumanist Association

Emilssons Arbeit besteht nun darin, Paradigmen zu bestimmen, die psychedelische Bewusstseinszustände präziser beschreibbar machen; und außerdem zu prüfen, wie diese in Zukunft die Wahrnehmung des Menschen verbessern könnten. Er folgt also der transhumanen Idee, das menschliche Dasein durch Technik auf eine höhere Ebene zu bringen.

Aus europäischer Perspektive
erscheint das gelinde gesagt exotisch, im Silicon Valley wundert sich niemand darüber. „Ich habe hier in Stanford noch keinen Professor getroffen, der keine Erfahrung mit Psychedelika gemacht hat“, sagt Emilsson. „Und wenn ich mich bei Start-ups um Jobs bewerbe, halte ich in den Vorstellungsgesprächen nicht mit meinen Interessen hinter dem Berg —£ was kein Problem ist, denn die CEOs sind dann schnell dabei, von ihren eigenen Trip-Erlebnissen zu erzählen.“

Emilssons Qualia-Computing-Projekt ist Teil einer größeren Bewegung im Valley, die sich dem conscious engineering verschrieben hat, also der Manipulation unseres Bewusstseins und unseres Stoffwechsels, um letztlich eines der drei Ziele des Transhumanismus zu erreichen: die universelle superhappiness (neben superintelligence und superlongevity). Ginge es nach den Transhumanisten, soll jeder Mensch in Zukunft seinen Bewusstseinszustand kontrollieren können. Traurigkeit und depressive Leiden würden der Vergangenheit angehören.

Als exemplarischen Superhappiness-Zustand betrachten Trans­humanisten wie der Philosophiepro­fessor David Pearce, ein enger Freund Emilssons, die euphorische Gemüts­lage auf MDMA: Wäre unser Leben nicht viel erfüllter, wenn man unsere Gehirnstruktur so verändern würde, dass wir grundsätzlich einfühlsam, liebevoll und interessiert sind, unsere Stimmung immer in Balance bleibt, wir nie in die Spiralen des Negativen geraten?

Noch steht die Forschung in diesen Bereichen am Anfang. Auch weil psychedelische Substanzen bis jetzt eben fast nur in medizinischen Studien verwendet werden dürfen. Doch Emilsson und seine Kollegen gehen davon aus, dass LSD und MDMA ähnlich wie Cannabis bald wieder legal sein werden. Sie schaffen gerade die Grundlagen für einen neuen Wissenschaftszweig, der in ein paar Jahren das Menschsein wesentlich umgestalten soll. Die Arbeit mit MDMA spielt bereits eine Rolle im Valley.

Der Designstudent Samuel Rockwell etwa arbeitet gerade in Stanford an seiner Abschlussarbeit, er entwirft einen Session-Raum für die psychotherapeutische Behandlung mit MDMA. In mehreren klinischen Tests wurde belegt, dass MDMA-gestützte Therapien bei posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) eine Erfolgsquote von 83 Prozent haben und damit eine etwa viermal so hohe wie herkömmliche. Die Ergebnisse sind so eindeutig, dass selbst die U.S. Army bereits beginnt, MDMA als therapeutisches Mittel zu akzeptieren. Die Probleme mit PTBS sind gerade bei Kriegsheimkehrern zu gewaltig, laut Statistik bringen sich in den USA täglich 22 traumatisierte Soldaten um.

„Besonders die Behandlungszimmer in den Veteranenkrankenhäusern sind oft klinische, kalte Räume ohne natürliches Licht“, sagt Rockwell. „Wir scherzen immer, dass wir einen Krieg gegen die Farbe Beige führen.“ Er und sein Team haben eine leichte, transportable Kuppel aus geflochtener Baumwolle ­entworfen, die in den üblichen Therapiezimmern installiert werden kann.

Sie schafft einen geschlossenen Mul­timedia-Rahmen, in dem der Patient selbst bestimmen kann, welche Lichtstimmung ihm den Zugang zur MDMA-Erfahrung erleichtert, welche ihn wieder sanft in die Nüchternheit zurückführt und welche Musik ihm hilft, sich tiefgehender mit sich selbst auseinanderzusetzen. „Für den Therapieerfolg ist es sehr wichtig, dass der Patient die Kontrolle über seine Umwelt behält“, sagt Rockwell. Um bessere Kenntnisse über Anforderungen und Umstände der MDMA-Therapie zu erhalten, tauscht er sich immer wieder mit den Leuten von MAPS aus.

MAPS steht für Multidiscipli­nary Association for Psychedelic Studies und ist eine Non-Profit-Forschungsorganisation, die von dem Psychologen Rick Doblin gegründet wurde. Eines ihrer Ziele ist es, Psychedelika zu enttabuisieren. Dafür, sagt Doblin, müsse die Öffentlichkeit davon überzeugt werden, „dass Substanzen wie MDMA oder Psilocybin einen medizinischen Nutzen haben“. Deshalb organisiert und finanziert MAPS klinische Tests, die das belegen sollen.

Läuft alles gut, wird MDMA in den USA 2021 als Medikament freigegeben.

Die Studien sind teuer, Doblin muss ständig Spenden sammeln — und am erfolgreichsten ist er im Silicon Valley. „90 Prozent unserer Einnahmen stammen von zehn Prozent unserer Spender, und die sind alle Techies aus dem Valley: Leute, die in den vergangenen 30 Jahren sehr viel Geld verdient haben.“
Vor Kurzem eröffnete MAPS ein Büro in Palo Alto, um auch die jungen High Potentials für sich zu gewinnen. Das geschieht mit Fundraising-Veranstaltungen, auf deren Einladungen das Wort psychedelic durch transformative medicine ersetzt wurde.

Dem Althippie Doblin ist diese Art Tarnung zuwider, aber er akzeptiert die Spielregeln. Sein Masterplan geht so: Läuft alles gut, wird MDMA in den USA 2021 als Medikament freigegeben, MAPS wird dann eine Fünfjahreslizenz haben, um den Stoff zu vermarkten. „Das wird zwischen 20 und 50 Millionen Dollar in unsere Kassen spülen“, sagt Doblin. Damit sollen Studien finanziert werden, die auch die anderen psychedelischen Substanzen enttabuisieren und deren Legalisierung vorantreiben sollen.

So lange wollte Pawel nicht warten. Bald nachdem er auf der Tech-Konferenz den Trip-Berichten lauschte, fuhr er nach Peru, um dort Ayahuasca zu trinken. „Es war das Intensivste, Erstaunlichste und Schönste, was ich je erlebt hatte“, sagt er. Zurück in Palo Alto, mietete er sich eine alte Kapelle, die verborgen liegt zwischen riesigen Redwoods. Hier verbringt Pawel seine Wochenenden — und trinkt Ayahuasca.

Jeder hier träumt davon, einen schwarzen Schwan zu finden.

Pawel

Für Pawel ist die Annahme Quatsch, dass Psychedelika High Potentials wie ihm milliardenschwere Geschäftsmodelle einflüstern könnten. „Für mich sind diese Wochenenden eine spirituelle Erfahrung. Die hat wenig mit alten Riten zu tun, dafür sehr viel mit mir. Ich höre mir auf Ayahuasca gerne Lyrik-Lesungen an, etwa Rilke. Sinn und Klang ergeben völlig neue Muster, es ist, als vernähme und verstünde ich eine neue Sprache. Ich will Neuland betreten.“

Pawel glaubt zu wissen, wieso man gerade in dieser Gegend in Kalifornien für die Erforschung des eigenen Bewusstseins so aufgeschlossen ist: Das hänge mit einem Buch zusammen, das im ­Valley jeder kenne, „The Black Swan“ von Nassim Nicholas Taleb. Darin geht es um Ereignisse, die enorm unwahrscheinlich sind und deshalb immer unerwartet. Wenn sie jedoch eintreten, haben sie den größtmöglichen Effekt auf unser Weltbild, unser Wissen.

„Jeder hier träumt davon, einen schwarzen Schwan zu finden, mit einer kleinen Erfindung die Organisation des Wissens zu revolutionieren“, sagt ­Pawel. „Nur ist die Welt heute bis in ihre Atome erforscht. Es scheint immer schwieriger zu werden, auf etwas komplett Unerwartetes zu stoßen.“ Vielleicht ist es einfach so: Wenn die Menschen glauben, dass es draußen gerade nichts zu entdecken gibt, führen ihre Forschungsreisen nach innen.

Paul-Philipp Hanske und Benedikt Sarreiter haben zum Thema ein ganzes Buch geschrieben: „Neues von der anderen Seite — Die Wiederentdeckung des Psychedelischen“ erscheint am 6. Juli bei Suhrkamp. 

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