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„Der Teufel hat einen verdammt langen Schwanz!“ Unser Autor schreibt heimlich Nachrichten von fremden Telefonen

von Thomas Glavinic
Vorsicht: Lassen Sie niemals Ihr Handy unbeaufsichtigt oder Ihr Facebook-Profil offen — zumindest, wenn unser Kolumnist Thomas Glavinic in der Nähe ist.

Dass ich kindisch bin, braucht man mir nicht nachzusagen, ich bestätige meine Unreife jederzeit gern selbst. Dieses ständige Denken, Grübeln, Hadern mit Texten oder der Wirklichkeit verlangt ja nach einem Ventil.Und mein liebstes Spielzeug sind die elektronischen Kommunikationsgeräte meiner Freunde.

Meine Karriere als virtueller Pyromane begann vor einigen Jahren. Eine Freundin, ein Freund und ich waren beim Trinken. Die Freundin, eine bekannte Gesellschaftsjournalistin, nennen wir sie einfach Angelika H., hatte ihr Handy unbeaufsichtigt in ihrer offenen Tasche liegen. Sie unterhielt sich sehr angeregt mit dem Freund, was ich dahingehend ausnutzte, mit ihrem Mobiltelefon auf die Toilette zu verschwinden.

Ziel der nächsten Welle war eine berühmte Schauspielerin, die ich auf die hervorragende Eignung von Handschaufeln im Zusammenhang mit Masturbation hinwies.


Dort war ich erfreut, als ich in Angies Kontaktliste auf die Nummern eines berühmten Wiener Geistlichen und eines ehemaligen Formel-1-Piloten stieß. Den Geistlichen nun setzte ich, von Angies Telefon aus, von meiner Theorie in Kenntnis: „Der Teufel hat einen verdammt langen Schwanz.“ Der Rennfahrer bekam die SMS: „Ich entdecke meine Geilheit erst jetzt so richtig.“ Zurück am Tisch ließ ich das Handy wie ein Meisterdieb in die Tasche der Freundin gleiten. Ich sage ja, ich bin kindisch.

Je länger ich den beiden bei ihrer harmlosen Unterhaltung zuhörte, desto bewegter arbeitete meine Fantasie. Als die Gelegenheit günstig war, entwendete ich das Telefon erneut. Ziel der nächsten Welle waren eine berühmte Schauspielerin, die ich auf die hervorragende Eignung von Handschaufeln im Zusammenhang mit Masturbation hinwies, und Angies Chef, den ich aufforderte, ihr sogleich zwei, drei Lustbuben zu liefern.

Am nächsten Morgen freute ich mich über Angelikas Reaktion auf meiner Facebook-Pinnwand. So schilderte sie mir ihre Verwirrung, als sie um drei Uhr früh im Taxi eine SMS des Geistlichen empfing: „Ja, liebe Angelika, das weiß ich.“ Der Rennfahrer hatte dann um halb acht Uhr angerufen, um mehr über ihre neu entdeckte Erotik zu erfahren.

Diese Schilderungen sollten genügen, um meine geistige Unreife zu demonstrieren, die sich vor allem Bahn bricht, wenn Computer und Handys ins Spiel kommen.


Wer mit mir befreundet ist, hat ein Kreuz zu tragen, so wie mein italienischer Freund Paco, dem in Rom eine Bar gehört. Er war so unklug, sich von meinem Handy aus im Facebook-Account seiner Bar ein-, jedoch danach nicht mehr auszuloggen. Ich erspare Ihnen Details. Allenfalls kann ich erwähnen, dass ich eines der Bilder, die ich unter dem Namen des Lokals postete, von einer Webseite kopiert hatte, deren Spezialisierung auf Gasmaskensex selbst dem flüchtigen Besucher ins Auge springt.

Diese Schilderungen sollten genügen, um meine geistige Unreife zu demonstrieren, die sich vor allem Bahn bricht, wenn Computer und Handys ins Spiel kommen. Und womit eigentlich schon die längste Zeit zu rechnen gewesen wäre, das trat vor einigen Wochen ein: Jemand revanchierte sich.

Es ist Mittag. Ich klappe mein Notebook auf. 23 Nachrichten auf Facebook. Ein Zeichen dafür, dass etwas vorgefallen ist.
„Sau“, lässt mich eine mir persönlich unbekannte Freundin wissen.
„Ganz sicher nicht, nein danke“, schreibt eine andere.
„Betrunken gewesen?“, will die Dritte wissen.
Die Vierte hat nur Harschheit für mich übrig: „So weit kommt’s noch!“

Auch einem Langsamzünder wie mir dämmert spätestens an dieser Stelle, dass ich Opfer eines heimtückischen Angriffs geworden bin. Die Nachrichten, die kurz zuvor mysteriöserweise von meinem Account aus verschickt worden sind, beinhalteten in der Hauptsache unverblümte Einladungen zum sexuellen Austausch, manche mehr, andere weniger niveauvoll. Unnötig zu sagen, dass keine der Adressatinnen an meiner Urheberschaft zweifelt.

Was mir an der Sache besonders missfällt: Es gibt kein Bekennerschreiben. Der einzige Verdächtige, den ich bisher habe, na ja: Der bin dann eben doch ich selbst.

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