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Update, 24. Mai 2016: Ein Feuer hat einen der drei Türme der Solaranlage zerstört. Ein weiterer Rückschlag für die stets mit wirtschaftlichen Problemen kämpfenden Betreiber.
Auf der Fläche einer Kleinstadt stehen 300 000 Spiegel um drei Türme herum formatiert. Wird das Licht der Sonne über die Spiegel auf die Turmspitzen fokussiert, erhitzt sich in deren Inneren Dampf für die Stromgewinnung auf bis zu 1000 Grad. Angestrahlt wirken die Aufbauten — 140 Meter über dem Spiegelmeer — wie überirdische Riesenkuben, grell wie die Wüstensonne selbst.
Ohne Sonnenbrille kriegt man hier schnell Schwierigkeiten.
Nach dreijähriger Bauzeit speist Ivanpah — benannt nach einem ausgetrockneten See in der Nähe des Kraftwerks — nun seit Anfang des vergangenen Jahres Strom ins kalifornische Netz. Bei voller Auslastung wären rund eine Million Megawattstunden pro Jahr möglich, Energie für gut 140 000 Haushalte. Tatsächlich wurden im ersten Jahr nur rund 400 000 Megawattstunden erzeugt. Für die Anfangsphase der auf 30 Jahre angesetzten Laufzeit eine normale Auslastung, man müsse sich erst auf die Wetterbedingungen einstellen, heißt es vonseiten der Ivanpah-Betreiber, zu denen auch Google zählt. Zum Vergleich: Das größte deutsche Atomkraftwerk, das KKI-2 — stationiert in Bayern, nahe der Stadt Landshut —, produziert derzeit jährlich noch mehr als elf Millionen Megawattstunden Strom.
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Zur Inbetriebnahme war die Begeisterung über Ivanpah in den US- Medien groß. Angesichts der geringen Auslastung im ersten Jahr ist davon wenig übrig geblieben. Bei konservativen Nachrichtensendern wurde Ivanpah zuletzt nur noch als steuerverschwendendes „pet project“ von US-Präsident Barack Obama kritisiert – teuer und ineffektiv. Obama hatte für Ivanpah eine Kreditbürgschaft von 1,4 Milliarden US-Dollar bewilligt — die größte Förderung, die Washington jemals für eine Solaranlage lockergemacht hat. Zu viele Vorschusslorbeeren?
„Die Leute sind zu ungeduldig“, sagt Mitch Samuelian, der das Kraftwerk mit 65 Mitarbeitern in 24/7-Schichten vor Ort betreut. „Im Januar 2015 haben wir so viel Strom erzeugt wie in den ersten drei Monaten nach dem Start zusammen.“
Anlagen wie diese als Konkurrenz zur Photovoltaik zu sehen, ist ein Fehler. Wir brauchen beides.
Über Sinn und Unsinn der Solargigantomanie in Wüstenregionen debattiert man auch in Europa. Dort stehen — im heißen Süden Spaniens — bislang nur ein paar kleinere Solarwärmekraftwerke. Desertec, das Solarwärme- Großprojekt, das Strom aus der Wüste Nordafrikas europäischen Netzen zuführen sollte, ist weiterhin ungewiss. Ende 2014 ist der Großteil der europäischen Investoren — darunter die Deutsche Bank — abgesprungen. Bis zum Anfang des Jahrzehnts galt die Technik der Sonnenwärmekraftwerke als kosteneffizienter gegenüber großflächigen Photovoltaikanlagen. Mit dem Boom billig produzierter chinesischer Solarzellen kam auch diese Rechnung ins Wanken und ließ Investoren vorsichtig werden.
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Doch: „Anlagen wie diese als Konkurrenz zur Photovoltaik zu sehen, ist ein Fehler. Wir brauchen beides“, sagt Tim Higdon. Der Spezialist für Umwelttechnik hat bereits bei diversen Photovoltaik- und kleineren Sonnenwärmekraftwerken im Westen der USA gearbeitet. „Wir benötigen Sonnenenergie als langfristige Energiequelle. Wie wir sie am besten nutzen, das ist noch in der Learning-by-doing-Phase“, sagt Higdon. „Mit Ivanpah werden Grenzen ausgelotet. Das bringt die Solartechnik insgesamt voran.“
Pragmatismus — und, in einem Moment, in dem man vom Licht der hunderttausend Sonnenreflektoren geblendet wird, auch ein leuchtendes Statement für die Vision einer neuen Energieversorgung.