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Technik-Orakel Kevin Kelly erwartet die Geburt einer vernetzten Spezies

von Karsten Lemm
„Wir verwandeln uns in eine vernetz­te Spezies und sind dabei, herauszufinden, wer wir wirklich sind“, sagt der Autor Kevin Kelly. Seine Zukunftsszenarien beschreibt er in seinem aktuellen Buch The Inevitable. Im Gespräch mit WIRED erklärt er, wie Technik bei der Sinnsuche hilft.

Dieses Interview erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe des WIRED Magazins im Juni 2016. Wenn ihr die Ersten sein wollt, die einen WIRED-Artikel lesen, bevor er online geht: Hier könnt ihr das WIRED Magazin testen.

Kevin Kelly ist Autor, Technik-Orakel und Miterfinder von WIRED. In seinem Buch The Inevitable beschreibt er eine Zukunft der mitdenkenden Dinge, die uns zur Sinnsuche zwingen.

Mit WIRED sprach Kevin Kelly über diese von ihm prophezeite Zukunft und die mögliche Rolle der Menschheit darin. Denn aktuell würden wir ein planetenweites Netzwerk schaffen, das nicht nur uns, sondern auch unsere Maschinen einschließt: „Das ist beängstigend. Aber auch aufregend und befreiend“, meint Kelly.

WIRED: Sie sagen, kommende Generationen werde uns beneiden, weil wir gerade jetzt leben. Was ist das Besondere am Jetzt?
Kevin Kelly: Wir sind dabei, ein planetenweites Netzwerk aufzubauen, das unsere Maschinen ebenso einschließt wie uns selbst. Man kann das, was gerade entsteht, als eine Art Superorganismus sehen, der viele Eigenschaften haben wird, die uns bisher fehlen – als Individuen, aber auch als Staaten. Wir verwandeln uns in eine vernetz­te Spezies und sind dabei, herauszufinden, wer wir wirklich sind. Es gleicht einer Geburt.

WIRED: Wie wird dieser Super­organismus aussehen?
Kelly: Das ist sehr schwer vorherzusagen. Aber wir können ahnen, dass er aus einer Vielzahl von Intelligenzen bestehen wird – nicht mehr nur uns Menschen, sondern Menschen, Maschinen, KI-Sys­temen. Wir werden ebenso ­Erfinder sein wie Objekte un­­serer Erfindungen, Herrscher und Sklaven zugleich. Diese innere Zerrissenheit wird uns über Jahrhunderte hinweg in einem Spannungsfeld mit Technologie leben lassen.

WIRED: Klingt anstrengend.
Kelly: Ständiger Wandel wird zur Normalität. Alles wird ak­tualisiert, nachbearbeitet, angepasst – und wir müssen mithalten, immer wieder umlernen. Bleiben aber trotzdem ewige Neulinge.

WIRED: Sind solche Vorhersagen nicht ein wenig voreilig?
Kelly: Die Vision vom Superorga­nismus reicht sicher Jahrzehnte in die Zukunft, aber Dinge mit Intelligenz zu erfüllen, wird sehr schnell gehen. Und das Potenzial für Veränderungen ist hundert-, vielleicht tausendmal größer als bei der industriellen Revolution. Wahrscheinlich wird man eines Tages zurückblicken und feststellen, dass die ursprüngliche industrielle Revolution nur ein erster Schritt war, um den Grundstein für diese wahre Revolution zu legen.

WIRED: Was ist die Rolle des Menschen in dieser intelligen­ten Zukunft?
Kelly: Diese Frage werden wir uns auf absehbare Zeit täglich stellen müssen: Wenn wir nicht mehr gebraucht werden, um Autos zu fahren oder Krankheiten zu diagnostizieren, wenn künstliche Intelligenzen sogar ­Bilder malen und Musik kom­ponieren können – wozu sind wir selbst noch gut? Und ich glaube, die Antwort auf diese Frage ist völlig offen. Das ist beängstigend. Aber auch aufregend und befreiend. Wahrscheinlich werden wir die Hilfe intelligenter Systeme brauchen, die anders denken als wir, um herauszufinden, wo unsere Bestimmung künftig liegen wird. 

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