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Warum Banken in der Blockchain eine Wundertechnik sehen

von Max Biederbeck
Eigentlich hätte die Blockchain Banken überflüssig machen sollen, doch jetzt sehen diese die Handelstechnologie als Wunderwaffe. Denn sie spart Finanzinstituten bares Geld – laut Expertenaussagen bis zu 20 Milliarden Dollar pro Jahr.

Daniel Diemers könnte endlos Beispiele aufzählen. „Wir werden mit ihr bezahlen, Geld wechseln, unsere Daten verschlüsseln. Wir können unsere wertvollsten Dinge neu organisieren, Kunstbestände dieser Welt auflisten, Grundbuchämter und Schiffsregister ersetzen oder automatische Verträge schließen.“ Der Vice President von Strategy&, einer Beratungsfirma aus dem Netzwerk von PricewaterhouseCoopers (PwC), spricht über die Blockchain wie über ein Wunderding.

Diemers selbst war Programmierer und Gründer, bevor er Unternehmensberater wurde. Jetzt lebt er im schweizerischen Zug, das die Finanzbranche nur noch das „Crypto Valley“ nennt: Viele von Diemers’ Nachbarn dort arbeiten an der Blockchain-Technologie, dem Code, in den Banken neuerdings ge­radezu vernarrt sind. Die Blockchain löst ein Problem jedes Handels: Misstrauen.

Im Kern ist sie eine verschlüsselte Datenbank, die alle User auf ihren Computern installieren, und sobald ein digitales Gut den Besitzer wechselt, verzeichnet das System die Transaktion in der Datenbank als neuen block; simultan werden die angeschlossenen Rechner auf den neuesten Stand gebracht. Dadurch entsteht eine Kette von Ereignissen, die chain, entlang der jeder Deal nachvollzogen werden kann. Manipulation ist unmöglich, da Kopien jeder Transaktion auf jedem Rechner vorliegen. So entsteht eine Art Kassenbuch, das alle Nutzer einsehen können und dem sie vertrauen können.

Die Technologie funktioniert als digitaler Treuhänder für Geschäfte jeder Art und macht Mittelsmänner überflüssig.

Die Technologie funktioniert als digitaler Treuhänder für Geschäfte jeder Art und macht Mittelsmänner überflüssig. Was für Geldhäuser eigentlich ein Warnsignal sein müsste. Banken, aber auch Börsenbetreiber sind bislang genau das: Sie fungieren bei Geldgeschäften als Mittler. Um auf die verzichten zu können, wurde unter anderem die Blockchain für Bitcoins erfunden: Bitcoin sollte die erste Währung sein, die nicht von einer Notenbank kontrolliert wird. Finanzinstitute übernehmen also eine Technologie, die ihre Mittlerfunktion eigentlich abschaffen sollte. Wieso? Die Blockchain senkt die Infrastrukturkosten. „Wir re­den von signifikanten Einsparungen pro Bank“, sagt Diemers. Laut der Beratungsfirma Accenture könnten das jährlich bis zu 20 Milliarden Dollar für die Banken sein.

„Die Technik kann auf komplexe Geschäftsbereiche angewandt werden“, sagt Mark Buitenhek, der die Blockchain-Initiative der ING Bank leitet. Er mahnt dennoch zur Vorsicht. „Es ist wie in den Anfangszeiten des Internets, es gibt Tausende neue Ideen und Start-ups, aber wir dürfen nicht allem blind folgen.“ Darum probieren seine Teams ihre Ideen bislang nur im Modell aus, etwa ein Aktien-Programm, das automatisch Dividenden ausschüttet. „Noch wenden wir keine Blockchain in unserem echten Geschäft an“, sagt Buitenhek, „ich glaube aber, dass es in ein bis zwei Jahren so weit sein wird.“

Die Blockchain ist mehr als nur ein neuer Hype.

Daniel Diemers

Auch Edward Budd, Chief Digital Officer (GTB) der Deutschen Bank, sagt: „Die Rahmenbedingungen werden die Zeitschiene bestimmen.“ Erst müs­se es einen gemeinsamen Standard geben. Rechtlich ginge es nicht ohne klare Regeln, etwa für die Durchsetzung von Block­chain-Ver­trägen. „Wir müssen dem Kunden erklären, wo die Chancen liegen und wie groß die Veränderungen sein werden“, sagt Budd.

Um Bitcoins haben Banken noch einen großen Bogen gemacht, die Blockchain hingegen lässt sie sogar ihre Konkurrenz untereinander vergessen – gemeinsam können sie mehr profitieren. „Die Blockchain ist mehr als nur ein neuer Hype“, sagt Daniel Diemers. Und zählt noch eine Umwälzung auf: Ethereum, der neue Star unter den Blockchain-Firmen, könnte mit Smart Contracts einen ganzen Berufsstand überflüssig machen, den des Notars. Seit Jahrhunderten beurkunden dessen Vertreter Rechtsgeschäfte. Auch die braucht es als Mittler nicht mehr – wenn man den Code für alles hat, die Blockchain.

Am 28. April 2016 findet in Berlin die Konferenz WIRED Money statt. Mehr zum Thema digitales Geld findet ihr hier

 

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